Es braucht ja schon viel Mut, um zu entscheiden, ans andere Ende der Welt auszuwandern. Aber wenn man es gleich fünf Tage später in die Tat umsetzt und abfliegt, muss man wohl auch ziemlich spontan sein. Adrian Frei lacht, wenn er davon erzählt. «Ich sagte zu meinen Eltern, dass ich nächste Woche nach Neuseeland reisen würde. Danach kaufte ich ein Flugbillett und flog kurz darauf ab.» Sein Vorteil war, dass er bereits Verwandte im Land hatte, bei denen er anheuern und schliesslich auch seine Karriere in der neuseeländischen Landwirtschaft lancieren konnte.
«Viel Land und wenig Kühe»
Das war 1995, als der gelernte Möbelschreiner und Landwirt 25-jährig war. Heute führt der in Cham aufgewachsene Bauer zusammen mit seiner Frau Isabelle, die aus Muolen im Kanton St. Gallen stammt, einen Milchbetrieb in Riversdale im Süden der neuseeländischen Südinsel. 320 Holstein-Friesan-Kühe grasen auf den insgesamt 340 Hektaren grossen Weiden. «Wir haben viel Land und wenig Kühe», erklärt der heute 52-Jährige im Gespräch. Ein voll automatisiertes 40er-Karussell hilft ihm, die Kühe möglichst effizient zu melken. Überhaupt ist ihm Effizienz wichtig. «Wir haben praktisch keinen Futterverlust und dank dem Witterungsstall im Winter auch kaum Bodenschäden.»
Fehlende Bio-Standards in Neuseeland
Adrian Frei fing 2008 mit ersten Schritten Richtung Bio an, seit drei Jahren führt er eine voll lizenzierte Bioproduktion. Dabei folgt er den Vorgaben der Europäischen Union, da Neuseeland noch keinen eigenen Standard festgelegt hat. Biologische Produktion ist im Inselstaat bisher kaum bekannt. Nur etwas mehr als hundert Betriebe wirtschaften laut Frei im Land nach dieser Methode. Dabei gehört Neuseeland zu den grössten Produzenten von Milchprodukten weltweit. «Hier setzen die Farmer jedoch nach wie vor auf das Motto: immer grösser und immer mehr. Ich glaube aber, dass es für die Landwirtschaft hier gut wäre, aus dieser Tretmühle herauszukommen.»
Hoher Milchpreis
Die Kühe des Auslandschweizers haben alle die A2-Genetik. Sie produzieren A2- und Biomilch, wofür der fünffache Familienvater 2,20 Dollar (Fr. 1.37) mehr pro Kilo Milchsolid erhält als für normal produzierte Milch. Total erhält er derzeit also 11,25 Dollar (Fr. 6.99) pro Kilo Milchsolid. «Wir sind sehr zufrieden mit dem Milchpreis momentan», führt Adrian Frei aus. In der Tat ist dieser so hoch wie selten zuvor. Hinzu kommt laut dem Zuger, dass er in den vergangenen Jahren die Kosten herunterfahren konnte. «Finanziell läuft es bei uns derzeit top. Wir haben noch nie so viel verdient wie jetzt.»
Maschine aus Europa
Der Landwirt probiert gerne Neues aus. So baute er selber einen Witterungsstall. In Neuseeland kennt man solche Ställe kaum, da die Kühe normalerweise das ganze Jahr im Freien sind. «Die Kühe machten mir im Winter den Boden kaputt, als Schweizer war mir dann die Lösung mit einem Stall schnell klar.» Zudem importierte Adrian Frei eine Heutrocknungsanlage aus Deutschland. «Das ist die erste Maschine dieser Art im Land. Sie macht Spitzenheu.» 60 Heuballen kann er pro Umgang trocknen. Den Altölbrenner für die Anlage liess er von den USA ins Land schiffen, das Altöl kriegt er von lokalen Betrieben.
Nur hofeigenes Futter
Adrian Frei ist stolz darauf, dass der Kreislauf auf seinem Betrieb fast komplett geschlossen ist. «Wir benötigen kein externes Futter und verwenden keine synthetischen Dünger. Einzig Sägemehl und Stroh, das wir dann zu Dünger kompostieren, kaufen wir ein. Mit dieser Methode können wir auch die Kosten tiefhalten.» Den Ackerbau hat er komplett aufgegeben, die Kühe weiden auf einer Mischwiese, die er so oft wie möglich heut.
Grosse Pläne für die Zukunft
Ehefrau Isabelle ist für die Kälberaufzucht im Frühling zuständig. Zudem haben die Freis eine Hilfskraft angestellt, auch ihre Kinder, die zwischen 15 und 21 Jahre alt sind, helfen oft auf dem Betrieb. «Am liebsten wäre es uns natürlich, wenn ein Junior irgendwann den Betrieb übernehmen würde. Aber sicher ist das noch nicht.» Sein Traum ist es, dass die nächste Generation eine Molkerei und Metzgerei auf dem Betrieb aufstellt. «Damit könnten wir uns von der Grossindustrie abkapseln und ausschliesslich für die Region produzieren. Aber das ist ein grosses Projekt, das noch viel Zeit benötigt.»
Bis es so weit ist, konzentriert sich Adrian Frei auf die Milchwirtschaft: «Die Melkarbeit ist mir auch nach so langer Zeit noch nicht verleidet», erklärt er. Das habe auch damit zu tun, dass sein Hof kein Grossbetrieb sei. «Bei denen besteht die Gefahr, dass man in meinem Alter die Schnauze voll hat von Kühen.» Zudem gefalle ihm die Abwechslung auf der Farm: «Jungviehaufzucht, Kompostiererei, Heuaufbereitung, Winterung der Tiere – das gibt Vielseitigkeit und macht die Arbeit spannend.».
Zur Person
Matthias Stadler stammt aus Brunnen. Der 34-Jährige hat an der ZHAW in Winterthur Journalismus studiert und danach über fünf Jahre bei der «Luzerner Zeitung» als Redaktor gearbeitet. Seit Anfang 2020 lebt er mit seiner neuseeländischen Frau in ihrer Heimat und schreibt als Korrespondent für verschiedene Deutschschweizer Zeitungen. Seine Freizeit verbringt Matthias Stadler am liebsten in der Natur.