Sao Paulo Wenn sich Márcia Betschart im TV vorstellt, hat die Moderatorin ein kleines Problem: Sie befürchtet, sich bei der Aussprache des Geschlechtsnamens die Zunge zu verstauchen. Eine «tsch» Buchstabenfolge gibt es in der brasilianischen Sprache nicht. So wird der charmante Studiogast im brasilianischen Fernsehstudio von Vida Melhor halt kurzerhand zur Márcia Betsartsi.
Im Fernsehen bekannt
Wenn in diesem Sparten-Sender eine Sendung über Bauern im Programm ist, wissen die Déco-Fans schon genau, was gemeint ist. Das ist die Kurzform für Bauernmalerei, einer handwerklichen Kunstform aus dem alpenländischen Raum, die sich im Samba-Land schon grosser und immer zunehmender Beliebtheit erfreut. Abertausende bewundern dieses Déco-Handwerk – aber nur wenige können es lernen. Zum Glück es gibt eine Kapazität als Instruktorin: Die charmante Márcia aus Jundiaí, São Paulo, mit Schweizer Vorfahren.
Wer aber etwas schweizerisch Behäbiges in der TV-Präsentation erwartete, sieht sich getäuscht: Die quirlige Seconda, die Malerin Márcia mit dem stupenden handwerklichen Geschick, referiert und malt gleichzeitig – beantwortet sekundenschnell alle Fragen und strahlt in die Kamera wie ein geborenes Showtalent.
Sie hat das Pinseln im Blut
Dabei war sie zuerst zehn Jahre lang Bankangestellte. Von klein auf mochte sie es aber, mit Pinsel und Farbe zu hantieren. Als sie zum ersten Mal Bauernmalerei sah, war sie hin und weg für dieses Kunsthandwerk aus den Alpen. «Es gefiel mir dermassen, dass ich zu forschen begann und ich probierte gleich, solche Dekors selbst zu malen. Ich verliebte mich in dieses Handwerk. Ich bin Autodidaktin, hatte es wohl im Blut, wie man hier in Brasilien sagt.»
Während Bauernmalerei-Begeisterte in der Schweiz immer auf der Suche nach abgelaugten Schränken und Truhen aus Fichtenholz zum Verzieren sind oder nach ausgedienten Milchkannen, welche dann bemalt zu Schirmständern werden könnten, wird in den Kursen in São Paulo pragmatisch vorgegangen. Malgrund ist nicht selten Plastik, manchmal auch Alu und sehr oft MDF-Holzwerkstoff. Gemalt wird mit Acryl-farbe. Anfänger beginnen mit dem Verzieren von Haushaltsgegenständen wie Frühstücks-Tabletts oder Dosen.
Schweizer Wurzeln
Und wie ist das mit Márcias Schweizer Wurzeln? «Mein Vater Josef kam mit seinen Eltern und drei Brüdern als 4-Jähriger nach Brasilien. In der alten Heimat im Muotathal war mein Grossvater als ‹ds Wiezäners Sefful› bekannt. Mein Vater Josef war dann Metallarbeiter – und ich wuchs in Jundiaí im Hinterland von São Paulo auf, wo ich heute noch lebe.»
Ob Márcia noch Deutsch – die «Vatersprache» sozusagen – beherrscht? «Ich habe zwei Jahre Deutsch im Kurs gelernt, aber weil ich es nicht direkt anwenden konnte, habe ich fast alles wieder vergessen. Es ist eine Sprache, die ich sehr mag und die ich eigentlich gern pflegen würde. Mein Vater spricht immer noch den Muotathaler Dialekt», erzählt sie.
Vor ein paar Jahren war sie auch zu Besuch im Tal der Vorfahren. Wie war das? – «Ich war verzaubert!», erinnert sie sich. «Ich hatte das Gefühl, dass ich schon immer zu diesem Ort gehörte – es bleibt mir alles unvergesslich.»
Urgrossvaters Lourdesgrotte
Márcias Vater, der Auswanderer Josef Betschart (84), der seit 80 Jahren in der Fremde lebt, hat noch immer einen Draht in die Urheimat. Er greift zu der per Luftpost bei ihm eingetroffenen Zeitschrift «Zirk» aus dem Muotathal: Da wird in der aktuellen Ausgabe geschildert, wie sein Grossvater Josef Betschart einst vor hundert Jahren dem Lourdes-begeisterten Klosterkaplan Gustav Truttmann, welcher wie versessen talein und talaus eine Grotte für ein Lourdes-Sanktuarium suchte, auf seinem Land eine solche zeigte – und ihm spontan das Land darum herum zum Bau eines Sanktuariums schenkte.
Am Sonntag, 18. August, wurde vor der Statue in der Lourdesgrotte eine Festmesse zum 100-Jahr-Jubiläum zelebriert.