Bruno und Manuela Epp leben seit fast 15 Jahren in Neuseeland. Die beiden Obwaldner haben sich auf der anderen Seite der Welt mit einem eigenen Milchwirtschaftsbetrieb einen Traum verwirklichen können. Die Gegend erinnert etwas an das Schweizer Mittelland. Hügel ziehen durch die Landschaft, im Herbst hängt der Nebel gerne tief. Doch dann hat es sich schon bald mit den Gemeinsamkeiten. In der neuseeländischen Region Waikato, auf der Nordinsel des Landes gelegen, gibt es beispielsweise nie Schnee im Winter, auch sind die Wiesen im Sommer brauner als in der Schweiz.

Kaum Ställe im Land

Das hat selbstredend auch Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Diese kennen Bruno und Manuela Epp mittlerweile sehr gut. Das Obwaldner Ehepaar lebt seit 2007 am anderen Ende der Welt und führt hier seit 2016 einen eigenen Milchwirtschaftsbetrieb. «Man kann die Landwirtschaft in der Schweiz fast nicht mit derjenigen in Neuseeland vergleichen», sagt der 40-jährige Bruno Epp, der in Alp­nach aufwuchs. Ein augenfälliger Unterschied ist das Fehlen von Ställen in Neuseeland. Die sind Kühe wegen des milderen Klimas das ganze Jahr auf der Weide – ein weiterer Gegensatz.

Bruno und Manuela Epp haben auf ihrem Betrieb, der eine Viertelstunde von der Stadt Cambridge entfernt liegt, einen Unterstand für ihre Kühe gebaut. «Wenn es lange Regenperioden oder sehr heisse Tage gibt, können wir hier alle Kühe unterbringen», sagt der Auslandschweizer.

200 Kühe auf 75 Hektaren

Das Ehepaar, das drei Söhne und eine Tochter zwischen neun und vier Jahren hat, kaufte das 88 Hektaren grosse Anwesen vor fünf Jahren. Hinzu kommt noch etwas Pachtland. 75 Hektaren stehen für die 200 Milchkühe zur Verfügung, auf dem Rest werden 30 bis 60 Weidemastochsen gehalten, 60 Stück Jungvieh sind extern im Aufzuchtvertrag. «In der Schweiz wäre das ein Grossbetrieb, in Neuseeland gelten wir als klein», sagt Bruno Epp. Der Durchschnitt für Milchfarmen liegt bei über 400 Milchkühen.

Das Gelände auf der Farm der Innerschweizer ist hügelig. Epp erklärt: «Eigentlich sind wir neuseeländische Bergbauern – wenn auch nur auf 150 Metern über Meer.» Für viele Neuseeländer sei das Gelände zu mühsam für die Milchproduktion. Auch für sie sei es mit Mehrarbeit verbunden. «Wir mögen es trotzdem», sagt Manuela Epp, die in Kerns aufwuchs und dort eine Metzgerlehre absolvierte. «Die Kinder können sich hier austoben.»

Erfolgreiche Strategie

Anders als in den meisten Milchwirtschaftsbetrieben im Land wird hier das ganze Jahr über gemolken. «Wir betreiben das sogenannte Split-Calving. Zwei Drittel der Kühe kalben im Frühling, ein Drittel im Herbst. Im traditionellen neuseeländischen System wird hingegen nur im Frühling gekalbt», erklärt Bruno Epp, der auch Besamungstechniker ist. Er sieht den Vorteil «seines» Systems darin, dass damit das Risiko von Wetterextremen abgefedert werden könne. «Wenn es einen langen, trockenen Sommer gibt, ist unsere Milchproduktion gefährdet. Wenn wir hingegen das ganze Jahr melken, können wir das ausgleichen.» Zudem könnten die Laktationslänge und die Gesamtwertschöpfung optimiert werden. Dieses System werde in der Region immer beliebter.

Ausgewandert sind die beiden, nachdem sie 2007 ein Jahr in Neuseeland gearbeitet hatten: «Ich hätte mir vorher nie vorstellen können, auszuwandern», erinnert sich die vierfache Mutter. Aber nach dem ersten Jahr seien sie zurück in die Schweiz gereist, woraufhin sie gemerkt hätten, wie sehr es ihnen in Neuseeland gefallen hat. «Dann haben wir es hier probiert und es nie bereut.»

Ein normales Geschäft

Die Auslandschweizer schätzen an ihrem neuen Zuhause, wie unkompliziert und offen die Leute sind. «Und die Möglichkeiten, die wir hier als Landwirte haben. So konnten wir bei Null anfangen und uns eine eigene Existenz aufbauen», sagt Bruno Epp. Aber was ihm am meisten gefalle, sei, dass man hier als Farmer auch Geschäftsmann sein kann, «ja fast sein muss». In der Schweiz seien Landwirte wegen der vielen Vorschriften aber auch wegen der Subventionen in ein enges Korsett gezwungen. «Hier in Neuseeland gibt es keine staatliche Unterstützung für die Landwirtschaft und auch kein landwirtschaftliches Bodenrecht. Als Farmer ist man damit ein Geschäftsmann wie in jedem anderen Berufsfeld.»

Das habe zwar auch Nachteile, aber für die Bauernfamilie aus der Schweiz überwiegen die Vorteile. Das gilt generell für ihr neues Zuhause am anderen Ende der Welt. Bruno Epp: «Das Gesamtpaket stimmt. Wir haben uns hier einen Traum erfüllen können.»

 

Zum Autor

Matthias Stadler stammt aus Brunnen. Der 33-Jährige hat an der ZHAW in Winterthur Journalismus studiert und danach über fünf Jahre bei der «Luzerner Zeitung» als Redaktor gearbeitet. Seit Anfang 2020 lebt er mit seiner neu­seeländischen Frau in Auckland, wo er als Korrespondent für verschiedene Deutschschweizer Zeitungen schreibt. Seine Freizeit verbringt Matthias Stadler am liebsten in der Natur.