Demokratie geht anders», beklagte sich eine Biobauernfamilie aus dem Aargau diese Woche in den Medien, nachdem ihre Pro-Plakate und -Blachen für die Pestizidverbots-Initiative heruntergerissen worden waren. Ich muss ihnen recht geben: Wie der Abstimmungskampf um die beiden Agrar-Initiativen in den letzten Wochen eskaliert ist, geht für mich auf keine Kuhhaut. Ich fand das Ganze – gelinde gesagt – zermürbend und frustrierend.
Genug Zeitungstinte verbraucht
Ich bin ganz unabhängig vom Ausgang am kommenden Sonntag froh, wenn der 13. Juni erst einmal vorbei ist. Ich will hier auch gar nicht mehr auf Argumente eingehen, dafür wurden in der letzten Zeit ausreichend Zeitungstinte verbraucht, Onlinemeldungen abgesetzt und Sendezeit auf allen möglichen Äther eingesetzt. Wie ich als Schwester eines konventionellen Gemüseproduzenten abgestimmt habe, kann sich jeder selbst denken, der das möchte.
Sachbeschädigungen und Stinkefinger
Es ist der Ton, der die Musik macht. Wenn ich das Wort Gift noch öfters im Zusammenhang mit Pflanzenschutz hören oder lesen muss, werde ich aggressiv, dabei sagt man mir nach, ich sei eine friedfertige Seele.
Nicht nur war die Wortwahl in vielen Fällen daneben, in diesem Abstimmungskampf kam es zu strafrechtlich relevanten Delikten. Sachbeschädigungen wie ein in Brand gesetzter Anhänger, umgestürzte und zerstörte Abstimmungssujets, heruntergerissene und verschmierte Plakate, wie unsere Bild-Collage zeigt. Betonen muss man einmal mehr, davon betroffen waren die Befürworter(innen) der beiden Agrar-Initiativen ebenso wie Bauernfamilien. Auch zwischenmenschlich wurde der Ton rauer, Nachbarn wurden nicht mehr gegrüsst und der Stinkefinger gegen einen Bauern auf einem Traktor scheint mittlerweile weit verbreitet zu sein.
Drohungen gehen gar nicht
Es wurden sogar Leute bedroht. So massiv offenbar, dass Trinkwasser-Initiantin Franziska Herren oder der grüne Nationalrat Kilian Baumann aus Angst vor schlimmeren Folgen für sich und ihre Familien ihre öffentlichen Auftritte absagten. Mehrere Biobauern, die sich für eine oder beide Initiativen engagieren, sagten uns in letzter Zeit die Teilnahme an einem Artikel ab, weil sie sich von Berufskollegen nicht Schimpf und Schande sagen lassen wollten oder weil es bei ihnen zu Sachbeschädigungen gekommen war. Auch prominente Gegner wie Bauernverbandspräsident Markus Ritter erhielten Drohungen.
Es ist bestimmt so, wer sich öffentlich exponiert, muss mit Gegenwind rechnen. Aber es sollte doch irgendwo Grenzen geben, spätestens, wenn es um Beschimpfungen und Morddrohungen geht. Für mich ist unverständlich, welche Befriedigung man daraus ziehen kann. Das kann und muss man nicht verstehen.
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum
Scheinbar ist vielen Leuten nicht bewusst, dass auch das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Wer mit seinem Social-Media-Profil oder in einer E-Mail jemanden beleidigt und bedroht, kann angezeigt, aufgespürt und bestraft werden. Das Thema Onlinehass gewinnt in letzter Zeit an Bedeutung – zum Glück. Vielleicht hilft einigen Elementen erst ein Strafbefehl bei der Einsicht, dass sie nicht tun und lassen können, was sie wollen.
Den Agrarmedien wurde von Befürworterseite her vorgeworfen, Öl ins Feuer gegossen zu haben. Illustriert wurde das im Fernsehen zur besten Sendezeit mit einer ins Bild gehaltenen BauernZeitung, als ob wir das einzige (landwirtschaftliche) Medium wären, das in der letzten Zeit gross-flächig über die Agrar-Initia-tiven berichtet hat. Über zwei Volksbegehren, die für viele Bauernfamilien – unsere Leserschaft – grosse Folgen hätten. Vielleicht sollte man an dieser Stelle auch einmal die diversen einseitigen und arg vereinfachten Artikel in den Publikumsmedien erwähnen. An allem waren die Bauern schuld, sogar an der schlechten Spermien-Qualität der Schweizer Rekruten. Bei dieser Schlagzeile musste ich dann doch schmunzeln. Galgenhumor hilft.
Dieser Abstimmungskampf hinterlässt Verlierer
Eine Prognose für Sonntag wage ich noch nicht, allen Umfragen zum Trotz. Ganz unabhängig davon, wer gewinnt, dieser Abstimmungskampf hat Verlierer hinterlassen und Gräben aufgerissen, die sich so schnell nicht werden zuschütten lassen. Ein-facher wird es für die Bauernfamilien bei weiteren Abstimmungen bestimmt nicht werden. Leider, denn das haben sie nicht verdient. Genauso wenig, wie es irgendjemand verdient hat, aufgrund einer Meinungsäusserung beschimpft oder bedroht zu werden. Demokratie geht anders.