«Es wird viel zu wenig informiert, warum wir Pflanzenschutzmittel einsetzen müssen. Momentan werden Landwirte eher als Zerstörer der Natur gebrandmarkt – dadurch wird ein vollkommen falsches Bild von uns kreiert», sorgt sich Moritz Fiechter. Er ist Beeren- und Kirschenproduzent in dritter Generation auf dem Baselbieter Eichhof in Zunzgen.

Bevölkerung wird mangelhaft über die Landwirtschaft aufgeklärt

Der 29-jährige Familienvater beklagt sich über die Falschmeldungen, die die Medien teilweise über die landwirtschaftliche Produktion verbreiten sowie über die mangelhafte Aufklärung, welche Folgen eine Annahme der beiden Agrar-Initiativen auf die Produktion Schweizer Nahrungsmittel wirklich hätte. Obwohl Fiechter zum Teil auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel bereits verzichtet, müsste auch er mit Konsequenzen rechnen – «bei einer Annahme der Pestizidverbots-Initiative könnten wir die gute Qualität der Früchte und Liefersicherheit deutlich weniger garantieren.»

Produktion im Naherholungsgebiet

Inmitten eines Naherholungsgebietes um Zunzgen produziert Moritz Fiechter auf 600 m ü. M. Strauchbeeren und Industriekirschen. «Die Beeren werden zum grössten Teil durch die Migros Basel als ‹Aus der Region›-Früchte verkauft. Die Kirschen werden in einer Brennerei zu Kirsch verarbeitet», erzählt der junge Produzent, dessen Betrieb ÖLN-, Swiss-Garantie-, Swiss-Gap- und ADR- (Aus der Region für die Region) zertifiziert ist.

[IMG 3]

Viel Engagement für die Natur

Fiechter engagiere sich stark für die Nachhaltigkeit auf seinem Hof: «Die Him- und Brombeeren werden durch Hagelnetze und Foliendächer vor Regen, Hagel, Sturm und Hitzeschäden geschützt. Deshalb können wir den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deutlich reduzieren.» Zudem werden die Pflanzen gezielt bewässert, wodurch er im Vergleich zur Freilandproduktion viel Wasser einsparen kann. Für eine sichere Bestäubung setzt Fiechter eigene Bienenvölker und Wildbienen ein. Zehn Prozent der Gesamtfläche seines Betriebs sind ökologische Ausgleichsflächen. «Das sind 7,2 Prozent mehr als für den Erhalt von Biodiversitätsbeiträgen gefordert werden», erklärt er.

Viel Erklärung gegenüber Wanderern nötig

Gegenüber Wanderern muss sich Moritz Fiechter häufig erklären. «Wir spritzen schon hauptsächlich nur in der Nacht, zum einen um Insekten und Bienen zu schonen, zum anderen aber auch, weil hier viele Leute unterwegs sind und wir Konfrontationen vermeiden wollen.» Gewisse Pflanzenschutzmittel muss er dennoch tagsüber applizieren. «Häufig fragt man uns dann, warum wir spritzen.»

Die Jugend ist in ihrer Einstellung festgefahren

Der junge Beeren- und Obstproduzent beobachte vor allem bei der jüngeren Bevölkerungsgruppe Widerstand und Unverständnis, sei es gegenüber chemisch-synthetischen oder biologischen Pflanzenschutzmitteln. «Diskussionen sind leider oft erfolglos, wenn sie sich mit der grundsätzlichen Einstellung – Lebensmittel sollen nicht mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden – festgefahren haben», bedauert der Produzent. «Viele Leute scheinen zu glauben, die Pflanzen würden einfach gesund wachsen und könnten uns so ernähren. Welche Illusion!», setzt Fiechter fort. Er macht sich Sorgen, dass es aufgrund dessen zu einer Annahme beider oder einer der extremen Agrar-Initiativen kommen könnte.

«Ich bereite mich auf ein Worst-Case-Szenario vor»

Schon bald, nachdem es offiziell wurde, dass beide Initiativen an die Urne kommen, hat sich Moritz Fiechter mit den Folgen befasst und Vorkehrungen getroffen. «Ich bereite mich auf ein Worst-Case-Szenario vor. Mache Versuche ohne Herbizide und teste, welche Biomittel zu meiner Produktion passen», führt er aus. Im Beeren- und Obstbau sei es allenfalls machbar, Schädlinge mit Biomitteln zu bekämpfen. Auf seinem Betrieb setzt Fiechter bereits deutlich weniger chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel ein. Bei Krankheiten sieht es allerdings anders aus: «Die Forschung ist noch nicht so weit mit den Mitteln, die auch Ertragssicherheit liefern können», weiss er.

Für gewisse Betriebe steht das Aus bevor

Mit einer Annahme der beiden Initiativen würden nicht nur auf Fiechter höhere Investitionskosten und mehr Unsicherheit in Ertrag und Qualität zukommen. Der Jungbauer befürchtet, dass vor allem kleinere, gemischte Betriebe die Folgen nicht mehr bewältigen können werden und somit aufgeben müssten. Grössere und spezialisiertere Betriebe würden die Schweiz prägen. «Das Bild der Bauern, wie wir es heute kennen, geht verloren», sorgt er sich.

«Ich könnte mit einem Ja leben, aber ...»

Moritz Fiechter würde bei einer Annahme der Initiativen versuchen, den Betrieb in der jetzigen Form weiterzuführen: «Bei der Trinkwasser-Initiative würde der finanzielle Druck zwar höher werden, wenn wir auf Direktzahlung verzichten. Aber im Verhältnis zum Gesamtumsatz machen sie nicht den grössten Teil aus.» Bei einem Totalverbot von Pflanzenschutzmitteln, wie es die Pestizidverbots-Initiative vorsieht, könnten, wie bereits genannt, viele Unsicherheiten in der Produktion und dem Absatz entstehen. «Interessant wäre es zu sehen, wie viele Früchte und Gemüse überhaupt noch importiert werden könnten», fragt sich Fiechter. Denn Europa-Bio sei nicht gleich Schweizer Bio. Im schlimmsten Fall stünde man dann vor leeren Regalen.

Von der Politik werden weniger Einschränkungen gewünscht

Ob die beiden Agrar-Initiativen nun angenommen werden oder nicht: «Wir entwickeln uns bereits in Richtung weniger Pflanzenschutzmittel.» Viele Innovationen, die zu weniger Einsatz führen würden, gäbe es bereits. Die Politik lege den Landwirten aber Steine in den Weg, zum Beispiel durch Verbote von Tunnelbauten. Die Baubewilligungsverfahren sind kompliziert und aufwendig, «obwohl mit Tunneln Pflanzenschutzmittel, vor allem Fungizide, eingespart werden könnten», beklagt Moritz Fiechter.

Der Beeren- und Kirschenproduzent wünscht sich deshalb von der Politik mehr Flexibilität und weniger Einschränkungen, damit sowohl die Herausforderungen betreffend Nahrungsmittelproduktion als auch die Verbesserung und Erhaltung der Biodiversität durch die Arbeit der Landwirte bewältigt werden können.

 

Betrieb Eichhof

Name Moritz Fiechter

Ort Zunzgen BL

Nutzfläche 28,5 ha

Kulturen 10 ha Strauchbeeren (Himbeeren, Brombeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren), 16 ha Industriekirschen

Arbeitskräfte 8 Mitarbeitende, 45 Saisonarbeiter(innen)