Mitten in den Abstimmungskampf um die Pflanzenschutz-Initiativen platzt eine Meldung von grosser Relevanz über mangelnde Relevanz von Chlorothalonil-Metaboliten. Vermeldet wurde diese von der «Aargauer Zeitung» mit Berufung auf einen Brief des kantonalen Amts für Verbraucherschutz, das zuhanden der Gemeinden folgendes festhält:

  • Für Chlorothalonil-Abbauprodukte in Trinkwasser gilt kein Höchstwert mehr.
  • Amtlich erhobene Trinkwasserproben mit einer Konzentration von Chlorothalonil-Abbauprodukten von mehr als 0,1 Mikrogramm pro Liter werden nicht mehr beanstandet.
  • Wasserversorger sind nicht mehr verpflichtet, ihre Wasserressourcen und das Trinkwasser auf Rückstände von Chlorothalonil zu untersuchen.

Metaboliten als Treibstoff der Empörung

Dieser Entscheid ist von einiger Tragweite, da die Chlorothalonil-Metaboliten in den letzten knapp eineinhalb Jahren der wichtigste Treibstoff waren, um die Empörung gegen den Pflanzenschutzmittel (PSM)-Einsatz in der Landwirtschaft hoch zu halten. Zahlreiche Schlagzeilen prangerten die übermässige Verunreinigung des Trinkwassers an und einem Mantra gleich verbreiteten die Befürworter der Pflanzenschutz-Initiativen die Zeile, dass über eine Million Menschen in der Schweiz verunreinigtes Trinkwasser in Kauf nehmen müssten.

Noch im Dezember 2019 hatte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) die wichtigsten Abbauprodukte (Metaboliten) von Chlorothalonil als gesundheitlich nicht relevant eingestuft. Im Frühjahr 2020 änderte das BLV diese Praxis. Neu stufte es das seit 2020 verbotene Fungizid als «wahrscheinlich krebserregend» ein. Das Bundesamt schloss sich dabei offenbar direkt den Einschätzungen der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde an.

Damit beurteilte es auch sämtliche Metaboliten als «trinkwasserrelevant», womit der Grenzwert plötzlich nur noch einen Hundertstel des früheren Grenzwerts, nämlich 0,1 Mikrogramm pro Liter betrug. «Von einem Tag auf den anderen galt das Grundwasser der halben Schweiz als verunreinigt», schrieb dazu die NZZ in einem Artikel vom Februar.

Syngenta ficht Entscheid des Bundesamts an

Die Syngenta wollte sich diese Praxisänderung nicht bieten lassen und focht den Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht (BVG) an. Ende August 2020 verbot das Gericht dem Bundesamt, auf seiner Website zu schreiben, dass Chlorothalonil wahrscheinlich krebserregend sei. Zudem musste auch der Hinweis entfernt werden, dass Abbauprodukte des Mittels im Trinkwasser für dessen Qualität relevant seien, rekapituliert die «Aargauer Zeitung».

In einer zweiten Zwischenverfügung von Mitte Februar dieses Jahres entschied das Gericht, dass auch eine Weisung mit dem Titel «Anordnung von Massnahmen bei Höchstwertüberschreitungen von Chlorothalonil-Metaboliten im Trinkwasser» bis zum definitiven Entscheid über die Klage von der Website des Bundesamts entfernt werden muss. Zudem wurden die Kantone offenbar angewiesen, den Entscheid ihren Gemeinden weiterzugeben, so wie er eingangs zusammengefasst ist.

Das Aargauische Amt für Verbraucherschutz lässt sich aber auch durch die Anordnung von oben nicht so leicht von seinem Kurs abbringen. Es fordert die Gemeinden im erwähnten Schreiben dazu auf, die Wasserbezüger weiterhin transparent über Untersuchungsergebnisse in Sachen Chlorothalonil-Metaboliten zu informieren.

Waren die Investitionen umsonst?

Wie in anderen Kantonen sind auch im Kanton Aargau teilweise kostspielige Massnahmen ergriffen worden, um das Trinkwasser zu verdünnen oder anderweitig zu fassen, so dass der Grenzwert von 0,1 Mikrogramm bei den Chlorothalonil-Metaboliten nicht überschritten wird. Bis zum Hauptentscheid des BVG bleibt nun offen, ob es dafür überhaupt Gründe gibt. Die Zwischenentscheide lassen das nicht unbedingt erwarten.