Im Moment laufen zwei Initiativen, die auf den ersten Blick Zwillinge zu sein scheinen: die Pestizidverbots-Initiative und die Trinkwasser-Initiative. Beide haben sich dem Umweltschutz verschrieben und beide werden in Landwirtschafts-Kreisen bekämpft. Man fühlt sich angegriffen von Leuten, die von der Branche keine Ahnung haben. Zu Recht?

Argument Gesundheit dominiert

Ein Blick auf das Komitee hinter der Trinkwasser-Initiative erhärtet den Verdacht: Sieben Frauen und ein Mann, keine Landwirte, dafür eine Aerobic-Trainerin an vorderster Front. Unter den Unterstützern hingegen sind auch Bauern. Im Detail fordert die Trinkwasser-Initiative, dass Direktzahlungen (DZ) nur dann ausbezahlt werden, wenn der ökologische Leistungsnachweis (ÖLN) erfüllt, die Biodiversität geschützt, pestizidfrei produziert und nur betriebseigenes Futter verwendet wird. Wer Antibiotika regelmässig oder vorsorglich einsetzt, soll keine DZ erhalten. Es ist eine Übergangsfrist von acht Jahren vorgesehen und das Hauptargument ist der Schutz der menschlichen Gesundheit. Importe sind kein Thema.

Anders sieht es bei der Pestizidverbots-Initiative aus. Mit Jean-Denis Perrochet sitzt ein Bio-Winzer in der ersten Reihe. Das Anliegen ist ähnlich, allerdings will man hier synthetische Pestizide verbieten, genauso wie damit hergestellte Importgüter. Die Schweiz müsste innerhalb von zehn Jahren zum Bioland werden. Die Argumentation: Die Gesundheit (der nächsten Generation) erhalten. Man könne damit aber auch Geld sparen, da Umwelt- und Gesundheitsschäden vermieden würden. Zudem sei das nötige Wissen zur Umsetzung bereits da und es gebe daher weder unüberwindbare Hindernisse noch unannehmbare Mindererträge. Soweit so ähnlich. Worin liegt denn nun der Unterschied dieser beiden Anliegen, über den sich Bauern durchaus Gedanken machen könnten?

Gezwungen von Marktmechansimen

Es ist die Rolle, die der Landwirtschaft zugewiesen wird. In der Trinkwasser-Initiative ist sie die Quelle des Übels, als Verursacherin von Umwelt- und Gesundheitsschäden. Die Pestizidverbots-Initiative hingegen nimmt auch die Konsumenten in die Pflicht und berücksichtigt damit die eigentliche Triebkraft der Intensivierung der Landwirtschaft: den Markt. Schliesslich verwendet kein Landwirt synthetische Pflanzenschutzmittel ohne Grund. Vielmehr sind es Marktmechanismen, die ihn dazu zwingen: Wenn eine Wagenladung schorfiger Äpfel nicht verkauft wird, sind die Arbeit und das investierte Geld verloren. Dabei sind es nicht immer die Konsumenten, die solche Kriterien bestimmen, sondern Zwischenhändler. Sie lehnen Ware im Voraus ab. Krumme Gurken und zweibeinige Karotten fristen ein Exotendasein, dafür verrotten zu kleine Kartoffeln zu Tausenden auf den Feldern, zu grosse enden im Futtertrog.

In Sachen Bezahlwille sind hingegen Konsumenten klar verantwortlich. Um den Bioanbau und die damit verbundenen ökologischen Vorteile zu unterstützen, muss man Bio kaufen. Das heisst, im Laden das Geld in die Hand zu nehmen und den Mehrpreis zu zahlen. Heutzutage ist dazu optimistisch geschätzt ein Drittel der Schweizer bereit.

Es stellt sich die Frage nach dem Selbstverständnis der Landwirtschaft. Man ist gezwungen für den Markt zu produzieren. Insofern ist also der Kunde König. Gleichzeitig will man sich nichts von Unwissenden vorschreiben lassen. Daher auch der Unwille gegenüber neuen Initiativen.

Unwissende Konsumenten

Es besteht also eine gegenseitige Abhängigkeit, der sich aber vor allem die Konsumentenseite nicht bewusst scheint. Es geht nicht, Ökologie und Biodiversität zu fordern und gleichzeitig im Supermarkt nur den Preis zu sehen. Initiativen sind Ausdruck eines Wunsches der Bevölkerung und als solcher ernst zu nehmen. Warum die Transformation der Landwirtschaft so kaum gelingen kann, ist ein fehlendes Verständnis für Zusammenhänge; Einkaufstourismus und eine Nachfrage nach (billigen) Importprodukten sind eine Tatsache. Insofern sind viele tatsächlich unwissend. Es wäre wohl auch möglich, mit 20 Prozent tieferen Erträgen auszukommen, schliesslich sind die Mengen Food Waste enorm. Allerdings geht es nicht ohne Zugeständnisse, weiter unbekümmert konsumieren geht irgendwann nicht mehr. Zuletzt läuft es auf eine Abwägung hinaus. Was ist wichtiger: Nachhaltigkeit, mit allen Vor- und Nachteilen, oder aber Konsum ohne Regeln, Risiken und Nebenwirkungen inklusive. Bei der Nachhaltigkeit sind alle gefordert. Es können aber auch alle davon profitieren.