"Sechs von elf Betrieben steigen im Fall eines Ja zur TWI aus den Direktzahlungen aus", so lautet kurz zusammengefasst das Ergebnis einer nicht repräsentativen Studie, welche der Schweizer Bauernverband (SBV) bei der HAFL in Auftrag gegeben hat. Sie wurde am Dienstagvormittag in Limpach BE vorgestellt.

Extensivieren oder aussteigen aus dem ÖLN

Verfasst hat die Studie Martin Pidoux gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen von der HAFL. Das Ziel war, die möglichen Reaktionen von elf klassischen Schweizer Betrieben auf die möglichen politischen Auswirkungen durch ein Ja zur Trinkwasser-Initiative aufzulisten. 

Dabei haben sich zwei mögliche Hauptwege hinauskristallisiert: Extensivieren und extern alternative Einkommensquellen suchen oder Intensivieren und aus den Direktzahlungen sowie dem Minimalstandard ÖLN aussteigen. Die Studienergebnisse zeigen, dass sechs Betriebe aussteigen und fünf Betriebe extensivieren würden. 

"Schockierende Auswirkungen"

Landwirt und Gastgeber Urs Bürgi bewirtschaftet einen der untersuchten Betriebe. Er erklärte, seine Familie sei erschrocken über die Auswirkungen eines Ja zur TWI. Eine Zustimmung bedeute für seinen gemischten Betrieb mit Ackerbau und Viehwirtschaft mehr Arbeit, mehr Dieselverbrauch, geringere Erträge und weniger schöne Produkte. In nassen Jahren könnte es insbesondere bei den Kartoffeln Totalausfälle geben. Bürgi rechnet mit einem Rückgang der Erträge aus dem Pflanzenbau um 50%. In der Tierhaltung würden diese um 20% sinken. Die Auswirkungen auf den Stundenlohn wären "schockierend", so Bürgi. Er rechnet mit Rückgängen von 60 bis 80%.

Er sieht für seinen Betrieb drei mögliche Reaktionen auf die drohenden neuen Regelungen:

  • Entweder würde er den Betrieb im Falle eines Ja auf Bio umstellen. Bürgi geht aber davon aus, dass das alle anderen auch tun würden, womit die Preise in diesem wachsenden Nischenmarkt zusammenbrechen dürften.
  • Der zweite Weg, den Bürgi sieht: Extensivieren, noch ein wenig Zuckermais anbauen und auswärts arbeiten. "Aber wo kommen dann eigentlich die Schweizer Lebensmittel her?", fragt er sich. Er vermutet: "Aus dem Ausland mit mit Lastwagen und Flugzeug", das könne es ja wirklich nicht sein, sagte Bürgi.
  • Dritte Variante: Aussteigen aus den Direktzahlungen und dem ÖLN und "Vollgas produzieren". Er würde dies sehr bedauern, so Bürgi. Man habe in den letzten Jahren bereits viel erreicht in Sachen Pestizid-Reduktion. So etwa beim Verbrauch von Glyphosat, den man auf dem Betrieb in wenigen Jahren von 63 auf 17 Liter pro Jahr reduziert habe, so Bürgi, "diesen Weg möchten wir weitergehen".

Der Neuenburger Winzer Boris Keller aus Vaumarcus und der Hühnerhalter und Milchproduzent Fabien Thürler aus Porsel im Kanton Freiburg äusserten sich ebenfalls zu den Auswirkungen eines Ja zur TWI. Im Falle eines Ja werde die Familie aus der Eierproduktion aussteigen müssen, sagte Thürler. Grund dafür: der Futterzukauf würde unterbunden und man müsste sich aufgrund der Beschränkungen auf die Milchproduktion für Gruyère-Käse konzentrieren. Gleichzeitig müsste er eine Stelle ausserhalb der Landwirtschaft suchen. Im Falle einer Zustimmung zur TWI erwartet Thürler eine Senkung der Lebensqualität für die ganze Familie.

"Man muss auch die Konsequenzen wollen" 

"On doit vouloir aussi les conséquences", zitierte SBV-Präsident Markus Ritter zum Auftakt seines Referats ein französisches Sprichwort. Übersetzt heisst das, dass man auch die Konsequenzen wollen müsse. Und diese seien im Falle eines Ja drastisch. Die Forderungen der TWI seien zu extrem und führten nicht zum gewünschten Resultat, sagte Ritter.

Fast alle Betriebe wären entweder beim Thema Pflanzenschutz oder Fütterung betroffen. Es müssten unter dem Strich deutlich mehr Produkte importiert werden. Insgesamt wären die Auswirkungen auch aus ökologischer Sicht negativ, sagte Ritter. Die TWI sei ein klassisches Eigentor. Selbst die Initianten sähen die Probleme und argumentierten bereits anders, als ursprünglich. So spreche man heute nur noch von synthetischen Pestiziden.

Die Landwirtschaft nehme die in der Initiative angesprochenen Themen ernst und der Handlungsbedarf sei anerkannt. Nötige Schritte seien bereits eingeleitet. Sowohl die Initiative wie auch der Gegenvorschlag seien deshalb unnötig, so Ritter.

Initianten: "Zu rigide Annahmen"

In ihrer Reaktion auf die Studie erklärt TW-Initiantin Franziska Herren, der SBV gehe bei der Studie von falschen Annahmen aus. Der Initiativtext werde viel zu rigid und damit unrealistisch ausgelegt. "So sind von der Initiative zum Beispiel keine Pflanzenschutzmittel (PSM) der Bio-Landwirtschaft betroffen und sie sieht auch keinen Totalverzicht auf Futtermittelzukäufe vor". Zudem halte die Studie fest, dass für die meisten Betriebe nach einem Ausstieg aus den Direktzahlungen kaum eine weitere Möglichkeit zur Intensivierung bestehe, damit entkräfte der SBV seine eigenen Argumente.

Dass die Ziele der Initianten mal so, mal anders interpretiert werden, muss sich Herren allerdings selber zuschreiben. Im Initiativtext ist nämlich keine Ausnahme der Bio-PSM vorgesehen und er verlangt einen Tierbestand, "der mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernährt werden kann". Offenbar haben die Initianten erst nach der Lancierung festgestellt, dass ihr Text nicht sehr clever formuliert ist und versuchen nun, diesen neu zu interpretieren.

Rechtsgutachten im Dienste der Initianten

Zu Wort meldeten sich nach Publikation der HAFL-Studie auch die Wasserfachleute. Der Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute und der Schweizerische Fischerei-Verband erklären in einer gemeinsamen Mitteilung, "die Trinkwasser-Initiative ist für die Schweizer Landwirtschaft eine grosse Chance, sich über einen hohen Qualitätsanspruch zu positionieren". Sie könnte zur internationalen Vorreiterin werden und eine Trendwende im Umgang mit Pestiziden einleiten, so hoffen die beiden Verbände.

Gleichzeitig präsentieren sie ein Rechtsgutachten, das den Initiativtext ganz nach Gusto der Initianten interpretiert. Dieses postuliert unter anderem, dass Bio-PSM im Text nicht mitgemeint sind und Futter auch weiterhin handelbar bleiben soll.  

Zu Worte meldet sich auch Vision Landwirtschaft. Die Studie baue auf die Fehlinformationen heisst es in einer Mitteilung. Es würden absichtlich Landwirtschaftsbetriebe untersucht, welche nicht repräsentativ seien für die Schweizer Landwirtschaft. Es seien überdurchschnittlich intensiv produzierende Betriebe, die unterdurchschnittliche Umweltleistungen erbringen und damit von der Initiative viel stärker betroffen wären als durchschnittliche Betriebe.