Vor knapp einem Jahr berichteten wir über einen Briefwechsel zwischen der Berner Biobäuerin Gabi Schürch aus Bütikofen bei Kirchberg an die Trinkwasser-Initiantin Franziska Herren. In ihrem ersten offenen Brief wollte Schürch von Herren unter anderem wissen, ob sie davon ausgehe, dass die Konsumenten dann tatsächlich alle Bioprodukte kaufen wollten, sollte die TWI angenommen werden. Herren antwortete rund einen Monat später. Den Briefwechsel finden Sie hier.

«Wir arbeiten täglich mit der Natur»

Gabi Schürch zeigte sich in einem weiteren Schreiben an Herren enttäuscht über deren Antwort, ging aber auf ihr Gesprächsangebot ein. Sie vereinbarte mit der Wiedlisbacher Politaktivistin einen Gesprächstermin auf dem Hof der Familie Schürch. Dieser kam aufgrund der Corona-Situation nicht zustande.

In einem zweiten offenen Brief, den Schürch letzte Woche verfasste, begründet die Bäuerin nun, warum sie kein Interesse mehr hat an einem späteren Treffen. Sie begründet dies unter anderem mit der mangelnden Bereitschaft Herrens, einzusehen, dass sie mit ihrer Initiative «auf dem Holzweg» ist.

Die Antwort von Franziska Herren finden Sie untenstehend im Kasten.

Der zweite offene Brief von Gabi Schürch im Wortlaut

Bütikofen, 6.1.2021

Sehr geehrte Frau Herren

Seit ich meinen ersten offenen Brief an Sie geschrieben habe, ist fast genau ein Jahr vergangen. Viel ist in diesem Jahr passiert! Leider ist unser vereinbartes Treffen vom 19. März 2020 Corona zum Opfer gefallen. Damals hatte ich noch Hoffnung, dass ein gemeinsames Gespräch und ein Aufzeigen der Probleme, welche die TWI uns bereiten würde, Sie zu einem Umdenken bewegen könnte.

Ich hatte die naive Vorstellung, dass Sie einsehen werden, dass Ihre Initiative alles andere als eine Unterstützung für die Landwirtschaft ist. In der Zwischenzeit haben Sie sich verschiedentlich mit Landwirt(innen) getroffen, jedoch ist es leider nicht gelungen, Ihnen zu erklären, bzw. Sie haben bis heute nicht verstanden, warum Sie mit ihrer Initiative auf dem Holzweg sind. Sie folgen ihrer theoretischen Wahrheit, wir aber arbeiten täglich in und mit der Natur und den Tieren, machen Erfahrungen und lernen daraus, denken in Generationen und gehen Probleme an wie z. B. Reduktion der Pflanzenschutzmittel um 28 % und Antibiotika in der Tierhaltung um mehr als 50 % in den letzten 10 Jahren und: es geht weiter!

Leider ist es einfacher, mit dem Finger auf andere zu zeigen und damit das eigene Gewissen zu beruhigen, ein weit verbreitetes, menschliches Verhalten! Die Landwirtschaft bietet sich da wohl als dankbares Opfer an. Erstaunlich, wie viele Menschen zu wissen glauben, was gut ist für uns, auch wenn er oder sie noch nie einen Landwirtschaftsbetrieb aus der Nähe gesehen hat. Dieses Verhalten erstaunt mich doch sehr! Ich selber würde mir nie anmassen, einer Berufsgruppe, welcher ich nicht selber angehöre, vorschreiben zu wollen, wie sie ihre Arbeit zu verrichten hat!

Wir wollen ehrlich sein: auch wir würden uns bei einem Austausch nicht davon überzeugen lassen, der TWI zuzustimmen! Der einzige Punkt bei dem wir uns wohl einig sind ist, dass sich etwas bewegen muss und soll. Aber nicht nur der EINE ist schuld und nicht nur die ANDERE kann‘s richten!
Für tragfähige, nachhaltige Lösungen braucht es ALLE; Konsumenten, Produzenten, Grossverteiler, Politik, Verarbeiter, Verbände usw. Alleine von der Landwirtschaft eine derartige Veränderung zu erzwingen ist ABSOLUT UNFAIR!

Wir haben uns also entschieden, keinen neuen Termin für ein Treffen zu vereinbaren (auch Corona würde es aktuell wieder verunmöglichen). Wir nutzen unsere Zeit und Energie lieber dafür, den Konsumenten aufzuzeigen, dass die TWI kein zukunftsweisender Weg sein kann! Eine solche Hauruck-Übung ist nicht zielführend und gefährdet die Schweizer Landwirtschaft in höchstem Masse! Veränderung erfordert Zeit für Forschung, Investitionen und Umstrukturierungen, alle Akteure müssen einbezogen werden. Veränderungen sind nur dann wirklich erfolgreich, wenn sie freiwillig passieren und getragen werden!

Wir stehen ein für eine nachhaltige Schweizer Landwirtschaft und sind gegen vermehrte Importe von Lebensmitteln auf deren Produktion wir keinen Einfluss haben! Wir sind gegen eine Verlagerung unserer Probleme ins Ausland!

Auf die Schweizer Bäuerinnen und Bauern ist Verlass, wir produzieren täglich und mit Freude für die Konsumenten! Wir sind innovativ und entwickeln uns weiter, die Natur und die Tiere sind unsere Lebensgrundlage! Wir sind gut ausgebildet, bilden uns weiter, suchen und finden Lösungen!
Uns können Sie vertrauen!

Besten Dank für die Kenntnisnahme!
Freundliche Grüsse
Gabi Schürch, Bio-Bäuerin, Bütikofen/Kirchberg BE

 

Die Antwort von Franziska Herren

Liebe Frau Schürch,
ich denke, wir sind uns darüber einig, dass wir unseren Kindern eine lebenswerte Welt hinterlassen wollen – das Grundanliegen aller Mütter und Väter. Dazu gehören sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung und eine intakte Umwelt.
Aktuell steht die Schweizer Landwirtschaft mit diesen Zielen in starkem Konflikt.
Die Trinkwasserinitiative wendet sich daher gegen die Tatsache, dass mit Steuermitteln eine Lebensmittelproduktion subventioniert wird, die die Umwelt zerstört und die Gesundheit von Mensch und Tier aufs Spiel setzt. Diese gravierenden Defizite wurden einer breiten Bevölkerung durch die Trinkwasserinitiative überhaupt erst bewusst.
Natürlich ist es herausfordernd, wenn Missstände aufgezeigt und beleuchtet werden. Ich kann Ihre Reaktion auf die Trinkwasserinitiative daher ein Stück weit nachvollziehen. Es ist aber keine Option, Tatsachen mit Ablehnung zu begegnen und Verantwortung von sich zu weisen. Damit leisten Sie Ihren Kindern, der Landwirtschaft und der Schweizer Bevölkerung keinen Dienst.
Die Trinkwasserinitiative richtet sich nicht gegen Sie und Ihre Berufskolleg*innen. Im Gegenteil: sie will unsere Steuergelder so einsetzen, dass die Bauernfamilien nachhaltig Lebensmittel produzieren können. Dabei sollen die Bäuerinnen und Bauern nebst den Milliarden an Subventionen zusätzlich mit Bildung, Forschung und Investitionshilfen unterstützt werden.
Die Initiative wurde von Konsument*innen lanciert, die realisiert haben, dass sie alleine durch ihr Kaufverhalten die Ökologie nicht genug stärken können. Solange via Subventionen Milliarden in eine Lebensmittelproduktion fliessen, die Umweltschäden und Gesundheitsrisiken verursacht, welche von der Bevölkerung getragen werden müssen, kommen wir nicht vom Fleck. Umweltzerstörung und Wasserverschmutzung dürfen nicht weniger kosten als ökologisch und gesund zu produzieren, sonst kann sich an den ruinösen Produktionsmethoden der Landwirtschaft nichts ändern. Stossend und unwahr ist zudem die Behauptung in Ihrem Brief, wir hätten keinen Einfluss auf die Produktion von importierten Lebensmitteln und die Trinkwasserinitiative würde unsere Umweltprobleme ins Ausland verlagern. Das ist ein Affront gegenüber der Schweizer Bevölkerung, die sich im Jahr 2017 für den Ernährungssicherheitsartikel angesprochen hat und somit für nachhaltige Importe und mehr Ökologie im Ausland. Und wie Ihnen sicher bekannt ist, existiert dieser Verfassungsartikel wegen der Ernährungssicherheitsinitiative des Bauernverbands.
Liebe Frau Schürch, Sie selber beweisen, dass Produktionsformen existieren, die Umwelt und Gesundheit stärken. Als innovative Biobäuerin leben Sie diese vor.
Als Mutter und Konsumentin kann ich nicht verstehen, warum Sie so vehement eine Lebensmittelproduktion verteidigen und mit Milliarden weiterfinanzieren wollen, die unsere Gesundheit gefährdet und unser aller Lebensgrundlagen schädigt.
Ich bedaure, dass Sie die Zusage für ein klärendes Gespräch auf Ihrem Hof zurückgezogen haben. Damit brechen Sie den Dialog zu den Konsumentinnen und Konsumenten ab, die Ihre Produkte kaufen, sich für Sie und Ihre Arbeit interessieren und Sie in einer gesunden, umweltstärkenden Produktion unterstützen möchten.
Ich meinerseits halte die Türe für Sie offen und wünsche Ihnen in diesem Sinne viel Schönes in diesem Jahr und beste Gesundheit für Sie und Ihre Familie.
Franziska Herren, Initiantin der Trinkwasserinitiative