«Mit 274 Worten treiben die Trinkwasser-Initianten die ganze Branche vor sich her», sagte Moderatorin Barbara Lüthi im «Club» von SRF am Dienstagabend.

In der Diskussionssendung debattierten auf der Pro-Seite Trinkwasser-Initiantin Franziska Herren, der grüne Nationalrat und Biobauer Kilian Baumann und Martin Ott, FiBL-Präsident, Demeter-Landwirt und Schulleiter einer biodynamischen Landwirtschaftsschule. Die Gegner waren vertreten durch Biobäuerin Gabi Schürch, SBV-Präsident Markus Ritter und Suisseporcs-Präsident Meinrad Pfister.

Fazit der Sendung

Der «Club» brachte wenig neue Erkenntnisse. Die Runde debattierte weitestgehend gesittet, aber inhaltlich unversöhnlich. Die Befürworter hielten ihre Kritik weitgehend im Allgemeinen. Die Landwirtschaft sei auf dem Holzweg, das Steuergeld führe zu falschen Anreizen, die Bauern seien in der Unselbständigkeit gefangen und nicht etwa selber schuld daran, sondern dazu gezwungen durch Agrarkonzernlobby und Politik.

Die Gegner liessen diese Anwürfe nicht auf sich sitzen. Der Bauernverband bestehe ausschliesslich aus aktiven Bauern und Bäuerinnen. Selbst der Fenaco-Präsident sei ein aktiver Bauer. Die Bauernfamilien seien sehr wohl mündig und entscheidungsfähig, sie brauchten keine Anleitung zur korrekten beruflichen Praxis und hätten in den letzten 20-30 Jahren enorme Fortschritte gemacht.

Aufgefallen ist, dass in der ganzen Diskussion verhältnismässig wenig über Pflanzenschutzmittel, aber viel über Futtermittel diskutiert wurde. Eingangs war zwar auch von der Pestizidverbots-Initiative die Rede, in der Diskussion kam sie aber praktisch nicht vor. Möglicherweise werde es noch eine zweite Sendung dazu geben, schrieb Barbara Lüthi dazu auf Twitter im Anschluss an die Sendung.

Die Befürworter, namentlich Kilian Baumann reagierten gereitzt auf das Futtermittel-Thema. Es sei weiterhin möglich, unter Bauern Futter zu handeln, beteuerte er, obwohl der Initiativtext die Fütterung auf betriebseigene Reserven beschränkt. Martin Ott wiederum, an dem ein Pfarrer verloren gegangen scheint, argumentierte eher philosophisch und präsentierte auf unterhaltsame Art und Weise Träume und Alternativperspektiven zur Landwirtschaft, die er auch in seinen Schüler(innen) an der Demeterschule verkörpert sieht. Franziska Herren schliesslich braucht eigentlich gar nicht mehr viel zu sagen. Sie hat ein paar Modellsätze, die sie ohne sichtbare emotionale Regung unendlich repetiert, während sich ihre Gefolgschaft und die Gegner in heissblütigen Diskussionen bekämpfen.

Auf der Gegenseite bestach Markus Ritter wie üblich durch Sattelfestigkeit in den Zahlen und wirkte dabei souverän, nur einmal liess er sich zu einem Angriff auf die Moderatorin hinreissen. Meinrad Pfister ist bereits ein TV-Routinier und fokussierte gut nachvollziehbar auf das hohe Labelangebot der Produzenten, das vom Markt aber nur ungenügend nachgefragt wird. Sehr gut war der Auftritt von Bäuerin Gabi Schürch aus Bütikofen BE. Ihr gelang es darzustellen, dass das bäuerliche Geschäft komplex ist, dass man aber sehr wohl im Stand ist, die Betriebe weiterzuentwickeln ohne radikale Einmischung von aussen. 

Zusammenfassung der Diskussionen

Herren: Das Einzige, was mich erstaunt ist, dass wir die Landwirtschaft mit Milliarden unterstützen, obwohl sie die Umwelt schädigt. Wir haben dort hingeschaut, wo werden Fehlanreize gesetzt. Die heutige Landwirtschaft befolgt die Gesetze nicht.  

Ritter: Die Initiative ist sehr extrem formuliert und geht sehr weit, sie hat nichts mit Wasser zu tun und geht viel weiter als der Biolandbau. Und das bildet sich am Markt nicht ab.

Ott: Ich bin ein Freund der Debatte, aber gegenwärtig bin ich ein leichter Extremist, weil an jedem zweiten Hof ein Plakat hängt, wo 2x Nein gegen extreme Initiativen draufsteht.

Pfister: Initiative ist sehr extrem. Wir sind den gesellschaftlichen Anforderungen in den letzten 30 Jahren stark entgegengekommen und ich frage mich jetzt, ob ich damit aufhören soll.

Baumann: Wir greifen sehr stark ein in der Agrarpolitik. Wir hätten die Instrumente, setzen sie aber nicht richtig ein, es ist ein politisches Versagen und nicht ein Versagen von uns Bauern und Bäuerinnen.

Schürch: Wir hatten einen interessanten Briefwechsel, Frau Herren und ich (s. letzter offener Brief in der «BauernZeitung»). Frau Herren ist nicht die einzige, die uns Fachfrauen und -männern vorschreiben will, wie wir unsere Arbeit machen sollen. Wir sind natürlich interessiert am Austausch, aber die Initiative ist sehr extrem und ich würde mir nicht anmassen, einen anderen Berufsstand derart anzugreifen.

Die Futtermittel-Frage

Baumann: Es ist nicht ganz konkret, dass das Futter betriebseigen ist. Es ist eine Kann-Formulierung, ganz etwas anderes als eine Muss-Formulierung.

Ritter: Ich muss da etwas widersprechen, der Bundesrat interpretiert das in der Botschaft genau gleich, nur betriebseigene Futter können angerechnet werden. Ich kann von meinem Nachbar kein Heu mehr kaufen. Für uns ist ganz wichtig, dass man den Initiativtext anschaut.

Ott: Ich verstehe nicht, dass Ihr auf diesem Punkt so herumhackt. Die Wiederkäuer-Zahl muss auf die Fläche abgestimmt sein, das ist die Vision des Biolandbaus. Die Betroffenen haben acht Jahre Zeit, um eine Lösung zu finden. Wir haben 100'000 t Stickstoff zuviel.

Pfister: Ich hätte keine andere Wahl, als auf die Direktzahlungen zu verzichten. Die Vision von Herr Ott ist so romantisch, das wäre gleichbedeutend, wie wenn wir beim Verkehr wieder auf Kutschen umsteigen müssten. Die grossen Probleme aus den 70-er Jahren haben wir behoben. Ich bräuchte auch ein Nationalratsmandat, um auf diese Art Landwirtschaft zu betreiben.

Baumann: Es ist ein Zug vom Genfersee bis zum Bodensee, wenn man die importierten Futtermittel alle auf einen Güterwagen verladen würde. Das sorgt für viele Probleme in Südamerika und für hohen Energieverbrauch. Die Bauern müssen wissen, dass sie weiterhin Heu handeln können untereinander. Wichtig ist auch: es gibt eine Übergangsfrist von 10 Jahren.

Ott: In jedem Futtersack steckt ein halber Düngersack, das tut mir auch leid, dass die Landwirtschaft etwas falsch dasteht, aber die Landwirtschaft muss das in Ordnung bringen.

Schürch: Nicht nur Schweinehalter, sondern auch Poulet- und Eierbranche hätten Riesenprobleme. Derweil steigt der Eier- und der Biokonsum und wir müssten dann einfach importieren aus Ländern, die weniger strenge Gesetze haben. Ich produziere lieber hier zu Bedingungen, hinter denen ich voll stehen kann. Ich will lieber Futter als Fleisch importieren.

Herren: Tierwohl ist sehr wichtig, aber Gülleüberschüsse richten sich gegen das Menschenwohl. Die Nitratbelastung im Mittelland ist hoch. Es ist Verhältnisblödsinn, was wir hier machen, die Schweiz ist zu klein für die Schweizer Produktion.

Schürch: Das heisst, wir müssen weniger Fleisch essen.   

Ritter: Es sind viele Zahlen genannt worden, die nicht stimmen. 85 Prozent des Futters kommen aus der Schweiz, von den Importen stammen 80 Prozent aus Europa. Die Konsumenten steuern den Konsum. Wir importieren schon heute 40 Prozent der Lebensmittel. Wir können dem Konsumenten keine Vorschriften machen, was sie essen müssen.

Die Preis-Frage

Ritter: 230 Franken pro Monat oder 25 Prozent mehr kostet eine vierköpfige Familie die Trinkwasser-Initiative. Selbst der ehemalige FiBL-Forscher Urs Niggli hat heute gesagt, es brauche mindestens 15 Jahre und viel Geld, damit der Biolandbau die geforderten Mengen produzieren kann.

Baumann: Als Bauern haben wir jahrelang gesagt, wir brauchen bessere Preise. Und plötzlich warnt Markus Ritter vor höheren Preisen, es geht mehr darum, der Bevölkerung Angst zu machen.

Ott: Wir werden neue Kulturen, Techniken, Sorten brauchen, das muss man alles miteinander entwickeln. Das ist ja das schöne am Bauern, nur sie können gesamtheitliche Lösungen schaffen. Es braucht eine Strategie, auch was die Preispolitik angeht.

Pfister: Das mit Drohnen und anderen neuen Technologien wie Biogas läuft längstens. Das ist das Fatale an dieser Initiative, dass Betrieben wie unserem der Stecker gezogen wird. In den letzten 12 Jahren haben wir die Schweinezahl um 10 Prozent gesenkt. Es gibt Zielkonflikte zwischen Tierwohl und Klimaemmissionen.

Herren: Ich sehe, dass zuviele Steuergelder in die Landwirtschaft gehen. Wenn wir als Konsumenten jetzt aufstehen, ist das eine Investition der Bevölkerung in ihre Gesundheit. Alle Umweltziele sind nicht erreicht.

Ritter: Das ist falsch. Die 4 Umweltziele sind in 39 Unterziele aufgeteilt. 7 davon sind voll erreicht, 23 Unterziele sind zu 60-80 Prozent erreicht und bei 9 kann man keine Aussagen machen. Das sage ich hier mit einem gewissen Stolz. Wir haben zudem über 180'000 ha Biodiversitätsförderfläche.     

Die AP-Frage

Baumann: Verantwortlich für die Probleme sind die falschen Anreize für die Bauern, deshalb haben wir im Seeland ein Versorgungsproblem mit sauberem Trinkwasser.

Ritter: Hier hat die TWI keinerlei Wirkung. Mit der Parlamentarischen Initiative (PI) haben wir deshalb hier eine für die Bauern umsetzbare Lösung gefunden. Die Umweltthemen wurden aus der AP 22+ rausgenommen, um sie rechtzeitig zur Abstimmung bereitzuhalten.

Baumann: Die PI ist sehr untauglich. Und einzelne Teile wurden massiv bekämpft. So z.B. bei den Nährstoffen, wo nur «angemessen» reduziert wird.

Ritter: Die Verordnung zur PI kommt bereits Ende April/Anfang Mai auf den Tisch.

Schürch: Es stimmt, wir hätten von Seiten des Bäuerinnen- und Landfrauenverbands die AP 22+ unterstützt, wollten aber noch abgeklärt haben, was die Verkleinerung des Selbstversorgungsgrads und des Sektoreinkommens angeht.

Baumann: Man muss von einer Agrarkonzernlobby sprechen, diese verdient gut mit der aktuellen Situation. Mit den Futterimporten wird sehr gut verdient.

Ott: Wir haben handfeste Interessen von Leuten, die sehr gut verdienen an der Landwirtschaft, ich spreche hier nicht von den Bauern, sondern von anderen Kollegen. Der Elefant im Raum ist der, welcher Futtermittel und Pestizide verkaufen kann.

Schürch: Wir sind sehr wohl selber in der Lage, zu überlegen. Das möchte ich betonen.

Die Bio-Frage

Schürch: Die Herausforderungen bei der Umstellung auf Bio waren schlussendlich nicht mehr so gross. Wir haben die Kartoffel- und Zuckerrüben-Produktion aufgegeben, deshalb war der Schritt nur noch klein. Seit einigen Jahren hat man den Eindruck, man wird angegriffen, wir sind der Meinung wir machen es richtig. Wir konnten unsere Milch anfangs fünf Monate nicht in den Biokanal liefern, weil es zuviel davon gab.

Pfister: 50 Prozent der Ställe sind ausgerichtet für Labelproduktion und nur 30 Prozent des Schweinefleisches können mit Label verkauft werden. Das Bild von den Bauern, die als Deppen am Markt vorbeiproduzieren, ist komplett falsch.

Ott: Ich habe nach der Umstellung fünf Jahre lang keine Bioprämie erhalten. Es gibt kein Recht, sofort die Prämie zu halten. Dass man warten muss, ist eine Form von Solidarität.

Herren: Ich bin ein Biokind. Aber ich kann noch so viel Bio kaufen, trotzdem spiegelt sich im Trinkwasser die konventionelle Landwirtschaft. Die Folgekosten der intensiven Produktion sollte man auf die Preise schlagen.

Ott: Es gibt keinen Franken Direktzahlungen weniger, wenn die Initiative angenommen wird.

Ritter: Was mich am meisten stört. Mit der Initiative geht man im Inland deutlich weiter, als mit Bio und bei den Importen gibt es keinerlei Auflagen. Schon heute entstehen drei Viertel unseres ökologischen Fussabdrucks im Ausland.

Das Bauern-Bashing

Ritter: Man kann fast machen, was man will und es stört auf negative Reaktionen. Mit System arbeiten die Umweltverbände daran, die Landwirtschaft schlecht zu machen. Die Errungenschaften der letzten 25 Jahre werden nicht anerkannt.

Baumann: Diejenigen, welche am System beteiligt sind und daran verdienen, stellen sich der Diskussion nicht und diskutieren via Bauernverband. Die Bevölkerung will sehen, wie die Bauern im Edelweisshemd sagen, wir wollen gesunde Nahrungsmittel produzieren.

Ritter: Das will ich zurückweisen. Der Bauernverband ist nur den Bauernfamilien verpflichtet, es ist nicht korrekt, wenn man uns unterstellt, wir fällten Entscheide im Dienste von grossen Agrokonzernen.

Die Zucker-Frage

Baumann: Es ist immer sehr heikel von Markt zu reden und der Steuerung des Angebots durch Konsumenten. Man nehme das Beispiel Zuckerproduktion, hier wird in reichen Ländern derart stark eingegriffen, dass den Konsumenten die Entscheidung für Ökologie gar nicht offen steht.

Ott: Wieviele Bauern säen ihre Zuckerrüben noch selber und wie viele ernten sie noch selber? Wir verlieren unser nach und nach unser Handwerk aus der Hand. Das sehe ich auch beispielsweise bei einem Kollegen, der seine 19'000 Legehennen nur noch im Schutzanzug besuchen kann. Man geht da zu weit, ich glaube wir brauchen das Wissen, das wieder zurückkommt.

Schürch: Wir entscheiden selber. Logisch macht nicht jeder Bauer seine Zuckerrüben selber aus, das lässt man machen und kooperiert. Zudem geht der Trend klar richtig hacken und weg vom spritzen.

Wo drückt der Schuh?

Schürch: Der Schuh drückt auf dem Druck, der auf uns lastet. Es wird zuwenig anerkannt, mit wieviel Herzblut wir an Fortschritten arbeiten.

Pfister: Es wird zu stark alles schwarz-weiss dargestellt. Wenn ich 20 Jahre jünger wäre, würde ich noch einmal gleich investieren und wahrscheinlich noch mehr in Tierwohl investieren. Mich belastet, wenn man mit der Spritze unterwegs ist und einem der Stinkfinger gezeigt wird, obwohl man nicht weiss, ob ein Pflanzenschutzmittel oder Komposttee drin ist.

Herren: Mir macht Angst, dass Antibiotika mit der Gülle auf die Felder transportiert werden. Das habe ich recherchiert und deshalb die Initiative gestartet.

Baumann: Ein Ansatz wäre, nicht gegen die Konsumenten zu kämpfen, sondern näher mit ihnen zu gehen. Nicht erwähnt wurden auch die Grossverteiler, die spielen auch eine Rolle mit ihren Margen und halten sich vornehm zurück.

Ritter: Wir haben nur eine Chance, wenn wir die Konsumenten als Kunden betrachten. Wir haben ein gutes Verhältnis mit dem Handel, das ist eine konstruktive Atmosphäre. Ich bin sehr gerne Bauer, das ist meine Leidenschaft.

Ott: Wir müssen aufmachen, wir müssen kreativ sein. Meine Studenten träumen alle von einer Karriere in der Landwirtschaft. Die Winzer haben es vorgemacht, Spezialitäten statt Bolzerei.