Die Rücktrittsankündigung von Hanspeter Kern liegt erst zwei Wochen zurück. Trotzdem lassen sich im Hinblick auf die Wahl des neuen Präsidenten der Schweizer Milchproduzenten (SMP) bereits erste Konturen des Kandidatenfelds erkennen. Auszugehen ist zum jetzigen Zeitpunkt von einem Zweikampf zwischen einem Kandidaten aus der Ostschweiz und ein bis zwei Anwärtern aus der Westschweiz.
Französisch ist wichtig
Aber der Reihe nach. Zusammen mit dem Rücktritt haben die SMP auch die Zusammensetzung der Nominationskommission (NK) bekannt gegeben. Daraus lassen sich bereits erste Schlüsse ziehen. Denn wer in der NK Einsitz nimmt, wird aller Voraussicht nach nicht kandidieren, müsste diese Person doch ständig in den Ausstand treten und wäre somit quasi handlungsunfähig. Damit scheiden einige Schwergewichte aus. Allen voran Hanspeter Egli, einer der beiden Vizepräsidenten im Verband und Vorsitzender der NK.
Auf Anfrage sagt der Präsident der Vereinigten Milchbauern Mitte-Ost (VMMO), dass er die Prioritäten anders gesetzt habe. Zudem spreche er nicht gut genug französisch, um mit den welschen Kollegen auf Augenhöhe zu diskutieren. Neben der Zweisprachigkeit erwähnt er gute Politikkenntnisse und eine starke Verankerung im Milchsektor als wichtige Eigenschaften des neuen Präsidenten. Eine Frau dürfte es kaum werden, denn Sabrina Schlegel, die seit Kurzem im SMP-Vorstand sitzt, ist ebenfalls Mitglied der NK. Weitere Mitglieder sind der Berner Jürg Iseli, Didier Roch von Prolait, ZMP-Präsident Thomas Grüter und der Freiburger Produzent Gabriel Yerly.
Politiknähe gefragt
Als möglicher Ostschweizer Kandidat wird in Gesprächen mit diversen Akteuren regelmässig der Zürcher Mooh-Präsident Martin Hübscher erwähnt. Dieser nimmt sich aber gleich selbst aus dem Rennen, erstens sei Mooh nicht Mitglied der SMP und zweitens wolle er sein aktuelles Präsidium behalten. «Mir gefällt es in der Marktorganisation», sagt Hübscher. Er bringt ein weiteres Schlüsselkriterium ins Spiel: Der Kandidat sollte nahe an der Politik sein, so Hübscher. Für eine nationale Branchenorganisation wäre das aus seiner Sicht ein Vorteil.
Mindestens zwei Perioden
Da käme in der Ostschweiz etwa der Zürcher Bauernpräsident Martin Haab in Frage, auch dieser will aber nicht kandidieren, er wolle im Nationalrat nochmal durchstarten und zudem laufe ihm die Zeit davon, so der 60-jährige SVP-Nationalrat.
Gemeinhin geht man davon aus, dass der neue Präsident mindestens zwei vierjährige Amtsperioden amtieren können sollte, ohne irgendwo in Amtszeitbeschränkungen zu geraten. Da auch die SMP-Vorstandsmitgliedschaft als wichtiges Kriterium gilt, dürften die Chancen für VMMO-Vizepräsident Urs Werder gut sein. Auf Anfrage sagt Werder, er habe noch nicht definitiv entschieden, eine allfällige Kandidatur wolle er vorab noch mit seiner Familie besprechen.
Die Westschweizer wollen
Klarer äussern sich mehrere mögliche Kandidaten in der Westschweiz. Viel genannt wird hier in erster Linie der 1. SMP-Vizepräsident Christophe Noël. Selbstverständlich werde er kandidieren, sagt der Freiburger auf die entsprechende Frage. Noël ist ehemaliger Gemeindepräsident und in diversen Verbandsmandaten engagiert.
Ebenso klar bekennt sich der etwas weniger bekannte Boris Beuret aus Corban JU zu einer Kandidatur. Der Miba-Präsident ist SMP-Vorstandsmitglied und amtet als Parlamentarier im Kantonalparlament für die Mitte. Der Dritte im Bunde ist Marc Benoit aus Romainmôtier VD. Er äussert sich etwas zurückhaltender. Er werde voraussichtlich demnächst das Gemeindepräsidium übernehmen und in dieser Funktion ebenfalls stark gefordert sein, eine Kandidatur will er aber nicht ausschliessen.
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Noch nie ein Romand
In der Westschweiz ist man allgemein der Überzeugung, dass das SMP-Präsidium mehr als verdient wäre, nachdem in den letzten hundert Jahren nicht ein einziger Romand den Posten bekleidet hat. Dafür stehen zweifelsfrei valable Kandidaten bereit. Ihr Problem könnte allenfalls werden, dass die Delegierten sehr kantonsbezogen zu wählen pflegen. Freiburger wählen Freiburger, Waadtländer wählen Waadtländer und Jurassier wählen Jurassier.
Damit dürften die Chancen eines Romands nicht zuletzt davon abhängen, wie gut er in der Deutschschweiz vernetzt ist. Hier hat Boris Beuret als Mooh-Verwaltungsrat mit guten Deutschkenntnissen möglicherweise Vorteile. Umgekehrt hat Christophe Noël als Vizepräsident den Vorteil des «natürlichen Nachfolgers». Ein anderer wichtiger Faktor wird sein, ob die NK einen oder mehrere Westschweizer aufs Ticket nimmt.
Kaum ein Zentralschweizer
Geringe Chancen auf den Präsidiumsposten haben im nächsten Frühjahr die Zentralschweizer und die Berner. Erstere waren noch nie in der Führungsposition der SMP. ZMP-Präsident Thomas Grüter, der selber keine Ambitionen hat, führt das auf die Nähe der Zentralschweizer Produzenten zu Emmi zurück. «ZMP mal Emmi gibt keinen SMP-Präsidenten», rechnet er vor. Genannt wird ab und zu der Schwyzer SVP-Nationalrat Marcel Dettling. Seine Auslastung lasse ein solches Mandat aber nicht zu, sagt er. Ein Kandidat aus der Zentralschweiz ist deshalb nicht in Sicht.
Etwas anders ist die Situation im Kanton Bern. Mit Fritz Siegenthaler (1920–1942), Alfred Held (1947–1962) und Peter Gfeller (2004–2013) bekleideten die Berner schon dreimal das Präsidentenamt. In der aktuellen Ausmarchung stehen aber keine chancenreichen Kandidaten zur Verfügung. Jürg Iseli hat sich schon selber aus dem Spiel genommen und Vorstands-Suppleant Hansueli Jungen winkt auf Anfrage ab. Er sieht die Westschweizer in der Pole-Position.
Berner Altlasten
Nachwirken dürfte bei den Bernern auch noch die Rolle des kantonalen Bauernverbands. Dieser hat vor einigen Jahren die Standesvertretung der Milchproduzenten an die Aaremilch abgetreten und es gab Verbandsvertreter, welchen die SMP abschaffen wollten. Dies wirkt in vielen entscheidenden SMP-Köpfen kräftig nach.
Allfällige weitere Kandidaten für das Präsidium können sich noch bis zum 30. November bei der NK melden, die Wahl findet am 12. April 2023 statt.