Es gibt kaum jemand, der die Brennnessel nicht kennt. Leider nicht wegen ihrer Vielseitigkeit und gesunden Wirkung, sondern wegen des brennenden Schmerzes, die die Urtica dioica, so ihr lateinischer Name, bei der Berührung verursacht.

Den Gattungsname Urtica leitet sich von «urere» ab, lateinisch für brennen. Da haben wir den Grund, wieso die meisten Leute Brennnesseln nicht mögen.

Feine, spitze Härchen

Wieso das Brennen? Durch die Berührung brechen die feinen Härchen an den Blättern ab. Die Spitzen der Härchen sind wie Injektionskanülen. Sie spritzen Histamin und Ameisensäure in die Haut. Es bilden sich Quaddeln, brennender Schmerz und Juckreiz entstehen.

Für die Brennnessel selbst sind ihre Brennhaare Schutz gegen Fressfeinde. Bereits Kräuterpfarrer Johann Künzle (1857–1945) meinte: «Gott hat dieser Pflanze als Schutz gegen die Ausrottung ein solches Feuer gegeben, denn die Geschmacks- und Nährstoffe dieser Pflanze sind bei den Tieren, von der Schmetterlingslarve bis zur Kuh, geschätzt wie bei den Menschen die süsse ‹Nidel›».

Raupen von bis zu sechs Schmetterlingsarten, wie der Kleine Fuchs, das Tagpfauenauge und der Admiral, ernähren sich von Brennnesseln.

Vielseitig in der Wirkung

Brennnessel-Tee regt die Nierenfunktion an, wirkt harntreibend und entgiftend. Als Frischpflanze wirkt die Brennnessel blutbildend und blutreinigend. Sie regt den Zellstoffwechsel an und aktiviert die Bauchspeicheldrüse durch Erhöhung der Enzymproduktion. Beim Frischgenuss können die Brennnesselhaare durch Quetschen des Blattes, fein Schneiden oder Blanchieren zerstört werden.

Sogar mit dem hochgelobten Superfood Chia-Samen kann sich die Brennnessel messen. Denn die weiblichen Samen, gesammelt von Juni bis September, schmecken vorzüglich, spenden Kraft und Vitalität, wirken auf das gesamte Hormonsystem anregend und können sogar die Liebeslust und Potenz steigern. Und die Wurzel sei die mächtige Beschützerin der Prostata.

Stoff aus Stängeln

Auch ihre faserigen Stängel wussten schon Caesars Truppen zu verwenden: sie stellten damit Taue und Gewebe her. Im Ersten Weltkrieg zahlten deutsche «Nesselanbaugesellschaften» sogar hohe Prämien für den Anbau. Die Pflanze diente zur Herstellung von Unterwäsche für das Heer. Gemäss Recherche gibt es wieder Stoffe aus Brennnesselfasern, aber leider eher aus importierten Fasern. Und sogar als stinkende Jauche findet die Brennnessel Verwendung: sie düngt und stärkt Pflanzen.

Die Brennnessel wirkt bei Tieren ähnlich stärkend wie beim Menschen, wie man bei Kräuterpfarrer Künzle liest: «Abgekochte grüne und rohe gedörrte Nesseln sind eine der besten Medizinen für das Vieh, so dass kluge Bauern alle auffindbaren Nesseln für das Vieh aufspeichern». Füttert man etwa den Hühnern Brennnesselsamen, legen sie mehr Eier und das Eigelb wird farbintensiver. Ziegen, Schafe und Kühe geben mehr Milch, wenn sie Samen und das getrocknete Kraut fressen.

Die Brennnessel gilt beim Menschen zudem als ein natürliches Mittel zur Erfrischung und Belebung der Kopfhaut bei Schuppen und Haarausfall. In der Küche kann man fein geschnittene Brennnesseln wie andere Kräuter Quarksaucen, Suppen oder Salaten beifügen.

[IMG 2]

Gebäck mit Brennnesselsamen

Zutaten

1 Rolle Urdinkel-Teig
geriebener Käse, nach Belieben
Kräuter (was im Garten wächst)
Brennnesselsamen
1 Ei zum Bestreichen

Zubereitung
Den Teig aufrollen, dabei das Papier dran lassen. Den Teig mit Ei bestreichen. Käse und Kräuter auf einer Hälfte verteilen. Die zweite Teighälfte auf die erste Legen und mit dem Wallholz andrücken.
Den Teig in etwa zwei Zentimeter breite Streifen schneiden. Die Streifen auf beiden Seiten mit Ei bepinseln. Die Brennnesselsamen darauf verteilen. Die Teigstreifen eindrehen und im vorgeheizten Backofen (200°C) 12 bis 15 Minuten backen.