«In diesem Fall gibt eins plus eins eben nicht immer zwei», meint Ueli Hörler. Der Appenzeller steht mit kritischem Blick in seinem Anbindestall vor einer seiner 13 Braunvieh-Kühe. Ihr Fell zeigt den Farbschlag Blüem, doch mit entschieden zu viel Weiss, wie der Landwirt sagt. Aber es seien gerade diese «wüsten» Kühe, aus denen die schönsten Blüem-Kälber hervorgehen. Der Muni sei dabei zwar wichtig, aber kein Garant für den Erfolg: Anders als bei einer Rechnung ist hier die Natur am Werk. Und mit dieser weiss der langjährige Züchter sehr gut umzugehen.

[IMG 6]

Ein beliebtes Geschenk, das sich lohnt

1997 hat Ueli Hörler damit begonnen, Blüem und Gurt zu züchten. Die ersten 10 Jahre hätten ihn viele für einen «Dubel» gehalten. Doch die schönen Kälber verkauften sich gut, da sie gerne verschenkt werden. «Es gab damals nur wenige Blüem und man konnte sie ohne viel Aufwand und zu einem guten Preis verkaufen – die Leute kamen zu mir, ich musste keine Käufer suchen» schildert Hörler.

Die Anfangszeit sei nicht immer einfach gewesen, doch das Kribbeln vor jeder Geburt motivierte den Appenzeller: «Ich fühle mich dann wie ein Autorennfahrer am Start, ganz nervös; Ist es ein schönes Blüemli?». In seinen 35 Jahren als Blüem- und Gurt-Züchter konnte Ueli Hörler vier Munis an Swissgenetics liefern: Amethyst (1997), Muchacho (2008), Blüemboy (2015) und Marvin (2016). Bereits Gurt-Muni Amethyst habe regelrecht eingeschlagen, «innert kurzer Zeit waren 1000 Samendosen verkauft», erinnert sich der Appenzeller stolz. Letztlich faszinierte ihn Blüem mehr als Gurt, weil es da mehr Spielraum dabei gebe, was als «schön» gilt. Ein Gurt sei beispielsweise schnell einmal zu wenig breit.

Nachdem auch Blüemboy verbreitet im Einsatz war, haben sogar Berufskollegen ihm Recht gegeben: «Blüem sind braunen Kühen ebenbürtig».

[IMG 2]

 

Springende Gene bringen Flecken

Blüem oder Ryf ist wie Gurt eine seltene Farbvariante beim Braunvieh. Sie wird dominant vererbt und der Genotyp im Fall einer genomischen Untersuchung im Herdebuch von Braunvieh Schweiz ausgewiesen. Ob ein Tier rein- oder mischerbig Blüem ist, hat keinen Zusammenhang mit dem Weissanteil im Fell. Vor zehn Jahren haben Genetiker festgestellt, dass die Flecken bei Blüem-Kühen durch springende Gene verursacht werden, die von einem Chromosom zum anderen gewechselt haben. Ein Blüem im Stall soll Glück bringen.

[IMG 9]

[IMG 10]

Auch die Leistung muss stimmen

Mit seiner züchterischen Arbeit kämpfte Ueli Hörler auch gegen das Vorurteil an, Blüem seien per se weniger leistungsfähig. Als Stammkuh wählte er daher ein Tier mit hoher Milchleistung: Rosie, die damals in vierter Laktation 10'000 kg Milch gab. «Ich will schöne Kühe, die funktionieren», begründet er. Wirtschaftlich sollen sie auch hinsichtlich ihrer Gesundheit sein – zwei Tage nach der Geburt müsse eine Kuh auf die Alp können, so Hörlers Meinung. Heute erreicht er einen Stalldurchschnitt von 6817 kg und ist sehr zufrieden damit. Mehr wäre im Gespräch mit Berufskollegen zwar eindrucksvoller, aber «ich züchte für mich», stellt der Appenzeller klar. Er habe vor etwa 20 Jahren ein gutes Level erreicht und es seitdem gehalten. Eine ganze Sammlung Plaketten für gute Milchqualität bestätigt, dass seine Strategie aufgeht.

[IMG 3]

[IMG 4]

Eine eigene Philosophie

Rosie war eine Blüem-Kuh mit besonders dunklem Fell und so ist auch der Farbschlag von Ueli Hörler heute eher dunkel. Es gehört für ihn zu seiner Philosophie, seine Kühe nicht mit einer Mastrasse zu belegen und kaum gesexten Samen einzusetzen. Schliesslich war es immer eines seiner Ziele, Zuchtstiere an Swissgenetics liefern zu können. Ausserdem kauft er keine Kühe zu.

Wie die Zucht ist auch die Fütterung bei Ueli Hörler nicht auf Hochleistung ausgerichtet: Er verfüttere wenig Mais, ansonsten gibt es Heu und Gras bzw. grösstenteils Silage. Im heimatlichen Stall sorgt Stroh für Kuhkomfort. Da er etwas altmodisch eingerichtet sei, müsse er so die Milchkannen jeweils beim Schleppen etwas höher heben. Aber, «wenn es der Kuh wohl ist, ist es dem Bauer wohl und dann ist es der Familie wohl», bemerkt der Landwirt. Im Winter hat die Herde praktisch jeden Tag Auslauf ins Freie, den Sommer verbringt sie auf Hörlers Alp Grossspitz oberhalb von Appenzell.

[IMG 4]

[IMG 7]

Ein Stück Innerschweizer Tradition

Voller Stolz präsentiert Ueli Hörler jeweils bei der Alpabfahrt seine Kühe – wie es sich für Blüem gehört geschmückt mit Blumen. Auf jedem Sennenbild finde sich immer eine Kuh mit Gurt oder eine Blüem, «die Farbschläge gehören zum Appenzell und dem Toggenburg», betont der Züchter.  Auch seine Frau Bernadette ist jeweils bei der Alpabfahrt mit von der Partie, obwohl in Appenzell meist nur Männer beim «Überefahre» mitlaufen. «Wenn sie schon beim Schmücken der Kühe und mit Verpflegung hilft, soll sie auch beim schönsten Teil dabei sein», findet er.

Mit den verschenkten Kälbern kam in so manchen Stall ein Blüem und der Farbschlag verbreitete sich über die Jahre. Hörler ist mittlerweile als Züchter bekannt und hat sich mit seiner Zucht einiges aufgebaut. Für ihn ist aber auch sicher, dass mit 65 Schluss ist. «In zwei, drei Jahren höre ich auf zu melken und habe keine Kühe mehr», stellt er klar. Man werde nicht schneller bei der Arbeit und der Schritt in den Ruhestand nicht leichter, wenn man ihn hinauszögert. Wie genau es dann weitergeht, lässt der Appenzeller offen. Bis dahin werden aber sicher noch einige schöne Blüemli in seinem Stall zur Welt kommen.

[IMG 5]

Betriebsspiegel Mittlere Rüti

Ort: Appenzell AI Bergzone II
LN: etwa 10 Hektaren Grünland mit Alpung
Viehbestand: 13 Braunvieh-Kühe, vorwiegend Blüem, rund 10 bis 15 Stück Jungvieh
Milchleistung: Stalldurchschnitt bei 6'817 kg
Milchabnehmer: Appenzeller Milch, daraus werden diverse Produkte wie Joghurt, Butter oder Rahm hergestellt, die auch die lokalen Bäckereien verwenden.

[IMG 8]