«Bei diesen Kühen sieht man besonders gut, was die Rasse ausmacht», bemerkt Andi Rüedi und klettert über das Gatter in den Laufhof seiner Lowline Cattle. Die Tiere sehen aus wie geschrumpfte Black-Angus-Rinder: Massige Körper auf kurzen Beinen mit grossen Augen und breiten Köpfen. Tatsächlich sind sie genau das: «Lowline Cattle sind aus Angus gezüchtet worden, indem man gezielt auf kleine Grösse und sanften Charakter selektiert hat», erklärt der Landwirt. Diese beiden Eigenschaften sind der Grund, warum bei ihm im bernischen Hasle bei Burgdorf drei Lowline-Cattle-Mutterkühe leben.
Vollständig über den Teller vermarktet
Die im doppelten Wortsinn winzige Herde (die Kühe erreichen eine Widerristhöhe von etwa 110 Zentimeter) sei für den Betrieb «genau die richtige Menge». So können pro Jahr drei Tiere verwertet werden. «Wir vermarkten alles über den Teller», führt Andi Rüedi aus. Das Fleisch der Lowline Cattle tischen Rüedis in ihrer Besenbeiz «Hebüni» in Ortschwaben BE auf. Die Geschichte dieses Lokals ist lang und war bisweilen unerfreulich, der Berner fasst sich kurz: «Wir haben vor zehn Jahren vor Bundesgericht verloren und mussten die Beiz landwirtschaftlich ausrichten, sprich auf den Verkauf eigener Produkte». Das Rindfleisch ergänzt somit das Angebot aus Alpaka-, Truten- und Schweinefleisch.
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Zuerst in England besichtigt
Mit dem Import dreier Lowline-Cattle-Kühe aus England gründete Andi Rüedi in der Generationengemeinschaft zusammen mit seinen Eltern die erste Lowline-Zucht der Schweiz. Allerdings nicht, ohne sich zuvor gut zu informieren – schliesslich war die Rasse hierzulande damals ziemlich unbekannt. «Ich habe gegoogelt nach kleinen, lieben Kühen, die einfach zu halten sind und eine gute Fleischqualität bieten», erinnert sich Rüedi. Er stiess auf Lowline Cattle und zusammen mit seinen Eltern besuchte er eine Farm in England – «Damals gab es die Rasse sonst nirgends in Europa».
Der Besuch hinterliess Eindruck: «Dort lebten etwa 100 Tiere, immer draussen», schildert der Landwirt. Auch die natürliche Hornlosigkeit und der Charakter überzeugten Rüedis.
Australische Mini-Kühe
Ausgangspunkt für Lowline Cattle als Rasse war laut Andi Rüedi ein Forschungsprojekt in Australien, das die Futtereffizienz kleingewachsener Angus-Rinder untersuchte. Man züchtete gezielt auf kleinen Wuchs und kam zu dem Schluss, dass diese Tiere ihr Futter tatsächlich deutlich effizienter verwerten können. Aus diesem Projekt stammen die ersten Lowline Cattle, die erstmals 1992 verkauft wurden. Im Umgang mit dem Menschen sind Kühe wie Munis sehr zutraulich und sanftmütig. Die Rasse gilt als frühreif, robust und leichtkalbig. Lowline Cattle hat einfarbig schwarzes oder braunes Fell, Kühe erreichen eine Widerristhöhe von 90 bis 115 Zentimetern.
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Handzahm und besuchertauglich
Alle Tiere lassen sich streicheln, der stämmige Muni Nevanda ist keine Ausnahme. Im Moment tollt ein Kalb im Handtaschenformat im Laufhof, von dem Andi Rüedi ganz entzückt ist. Aber auch mit ihrem Nachwuchs an der Seite bleiben die Mutterkühe fromm. Da auf dem Betrieb rund 150 Pferde eingestellt sind und oft Besucher kommen, war diese Ungefährlichkeit ein wichtiges Kriterium bei der Rassenwahl.
«Ausserdem geben sie ein schönes, naturnahes Bild der Landwirtschaft ab», ergänzt Andi Rüedi. Im Sommer weiden die schwarzen Mini-Kühe unter den Obstbäumen und suchen sich so ihr Futter selbst. Auch sonst gestaltet sich die Fütterung unkompliziert.
Die Kühe fressen, was da ist
Bei Rüedis sind die Lowline Cattle quasi Resteverwerter: «Sie fressen, was da ist bzw. von den Pferden nicht gefressen wird», erklärt Andi Rüedi. Das Spektrum reicht von Ökoheu bis zu Silage. Was die Gesundheit angeht, lobt er die Robustheit der Rasse. So seien Klauenbehandlungen nur sehr selten nötig und Geburten verlaufen unkompliziert.
Der Betrieb sei nicht auf die Kühe ausgerichtet, sie gehörten aber dazu, versichert er. Zumal die Mutterkühe nicht nur des Fleisches wegen eine Einkommensquelle sind, denn der Berner verkauft Tiere, Samen und Embryos. Die Nachfrage sei sehr gut, tatsächlich führt Rüedi eine jahrelange Warteliste mit Interessenten.
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Für Direktvermarkter und den Nebenerwerb
Die Gründe für das grosse Interesse sind für Andi Rüedi klar: «Es gibt immer mehr Nebenerwerbsbetriebe, dafür sind Lowline Cattle perfekt geeignet.» Eine andere Möglichkeit sei, wenn ältere Landwirte das Melken aufgeben und ohne grosse Umbauarbeiten umsatteln möchten. «Ausserdem eignet sich die Rasse gut für die Kreuzung mit Dexter, da diese viel Milch geben.» Momentan gibt es nur wenig Lowline Cattle in der Schweiz, was die Zucht erschwert. Rüedi würde sich daher mehr Züchter wünschen. Immerhin habe Swissgenetics mittlerweile zwei Munis im Angebot.
Für den Einstieg empfiehlt der Berner den Einsatz von Embryos. «Tiere zu importieren ist teuer und kompliziert. Wir haben damals für den Transport gleich viel bezahlt wie für die Kühe selbst», so seine Begründung.
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Urchige Szenen am Grill
Auf den ersten Blick mag es seltsam anmuten, ausgerechnet mit einer besonders kleinen Rasse Fleisch produzieren zu wollen. «Sie sind aber auch Landschaftspfleger und man kann mehr Tiere pro Fläche halten, ohne dass es Schäden gibt», hält Andi Rüedi dagegen.
Den Menschen die Landwirtschaft näher zu bringen, ist ihm ein wichtiges Anliegen. Und von seinen Lowline Cattle erzählt er mit sichtlicher Begeisterung. Dazu krault er die Kühe um ihn herum, bis seine Finger schwarz sind. «Wenn ich Besuchern am Grill den Namen des Tieres nennen kann, finde ich das richtig urchig», meint Rüedi und blickt zufrieden auf seine kleine Herde.
Betriebsspiegel Generationengemeinschaft Rüedi
Dazu gehören drei Betriebe, die Flächen sind sehr verteilt und grösstenteils gepachtet. Das Herzstück bilden die Pferdeweiden mit Pensionspferden und die Direktvermarktung in der Heubüni.
Fläche: Insgesamt rund 80 Hektaren
Tierbestand: 100 Pferde (eingestellt), 100 Alpakas, 3 Lowline-Mutterkühe plus Muni, 1 Hund, einige Freilandschweine
Arbeitskräfte: Andi Rüedi und sein Vater, 3-4 Vollzeit-Mitarbeiter plus Aushilfen