«Meine Kühe haben hier die schönste Aussicht», findet Andreas Moor. Tatsächlich steht sein Stall oberhalb des Reka-Feriendorfs auf dem bernischen Hasliberg an bester Lage. Touristen wollten meist nur wissen, woher die Rasse komme, erzählt der Bio-Bauer. Dabei hätte er noch viel mehr zu sagen über seine Luing-Mutterkühe, die im Laufhof gerade die Wintersonne geniessen.

Vom Anbindestall zur Fleischproduktion

Eigentlich wollte Andreas Moor seinen Heukran durch ein Occasionsgerät ersetzen und besuchte daher zusammen mit seiner Frau einen Betrieb mit Mutterkühen. «Dort haben wir am Ende mehr über Kühe geredet als über Kräne», erinnert er sich. So erfuhr der Berner von der Rasse Luing und auf dem Heimweg beschloss das Paar: Wir stellen um.

Der Entschied warf den bisherigen Plan über den Haufen, im bestehenden Anbindestall mit Braunvieh-Milchkühen einen Laufstall für das Jungvieh zu einzubauen. Stattdessen klebt nun ein Laufstall mit 25 Luing-Mutterkühen am Hang, der mit einem Laufhof, einer Krippe mit Fressgittern und separatem Liegebereich eingerichtet ist. Er habe mit möglichst viel eigenen Mitteln gebaut und der Stall sei daher nicht ganz so modern, bemerkt Andreas Moor. 2004 zogen 15 trächtige Luing-Kühe ein, die der Landwirt von verschiedenen Betrieben im In- und Ausland gekauft hatte.

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Betriebsspiegel Bärgen

Ort: Hasliberg BE, Bergzone III und IV
LN: 30 Hektaren Grünland, 6,5 Hektaren Wald
Tierbestand: 25 Mutterkühe, ein Muni, ca. 24 Stück Jungvieh
Labels: Bio
Arbeitskräfte: Betriebsleiter, Partnerin führt den Haushalt und arbeitet bei einer Bank.

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Keine Probleme mit Wanderern

Die Luing sind die Ruhe selbst, auch als eine fremde Person an der Seite ihres Besitzers in ihrer Mitte auftaucht. Gelassen beobachten sie den Neuankömmling und kauen ungerührt wieder. «Ich habe Wanderwege durch all meine Alpweiden, aber keine Probleme mit Wanderern», sagt Andreas Moor. Seine Tiere sind den Kontakt zu Menschen gewohnt. Während der jeweils mindestens zwei Stunden am Morgen und Abend, die er für die Stallarbeit braucht, nutzt er Gelegenheiten zum Kraulen. «Ich will jede Kuh berühren können, damit ich bei Bedarf Geburtshilfe leisten oder sie behandeln kann», begründet der Berner. Dank der rassentypischen Leichtkalbigkeit und ihrer Robustheit sei das aber selten nötig.

Tretmist für Komfort und Gesundheit

Manche 10-jährige Kuh sei bei ihm noch nie in einem Klauenbehandlungsstand gelandet, sagt Andreas Moor nicht ohne Stolz. Er führt das einerseits auf die robuste Rasse zurück, andererseits auch auf sein Stallsystem: Die Tiere liegen auf dicken Matratzen aus Tretmist. «Ich habe andere Ställe besucht und bei Liegeboxen standen die Kühe im Feuchten», schildert er. in seinem eigenen Stall ist der Liegebereich zum Stallgang hin leicht abschüssig, so arbeiten die Kühe das Material langsam nach vorne und Moor füllt wandseitig frisches Stroh nach. «Ich muss zwar grössere Mengen Stroh zukaufen. Dafür spare ich die Kosten für kranke Klauen, weil sie nicht aufweichen», ist der Landwirt überzeugt.

Gut gerüstet für die Alp

Gesunde Klauen sind noch aus einem anderen Grund wichtig, denn Andreas Moor geht mit seinen Kühen z’Alp. Über sechs Parzellen wandern sie im Frühling bergauf und im Herbst Richtung Stall bergab. Die Berggängigkeit der mittelrahmigen Luing ist da von grossem Vorteil.

Ob im Stall oder auf der Weide, immer im Schlepptau des Bio-Bauern ist Border-Collie Chaemp. Seine Artgenossen mögen andernorts Schafe treiben, Chaemps Herde sind die Luing-Mutterkühe. Damit er sich nicht unbemerkt nähern und sie erschrecken kann, trägt der Hund eine kleine Glocke um den Hals. So an den Vierbeiner gewöhnt, reagieren die Luing auch auf die Hunde von Spaziergängern während der Sömmerung nicht mit Aggression.

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«Günstigste Produktion» im Sommer

Auf der Alp suchen sich die Kühe ihr Futter selbst, «das ist die günstigste Art, Fleisch zu produzieren», findet Andreas Moor. Er besitzt viel steiles Gelände, das keine wahnsinnig gute Futterqualität hergebe. Trotzdem ist es ihm wichtig, kein Kraftfutter zu verwenden – aus Kostengründen und der Nachhaltigkeit wegen. Damit seine Luing trotzdem immer gut versorgt sind, verfüttert er die verschiedenen Qualitäten jeweils zum richtigen Zeitpunkt. «Wenn ich sie im Fressgitter habe, bekommen die bald schlachtreifen Beef-Rinder z. B. besonders gutes. Geringere Qualität setze ich in der Galtzeit oder der Zwischensaison ein», erläutert der Berner. Das Fleisch sei gut. Da er auf saisonales Abkalben setzt und den Aufwand nicht betreiben möchte, vermarktet es Moor via Vianco statt direkt.

Regelmässig wird der Muni ausgetauscht

Seine Tiere kennt der Bio-Bauer nicht nur wegen des Kontakts im Stall sehr gut – Er remontiert ausschliesslich selbst. Dafür läuft ein Muni in derjenigen Gruppe Kühe mit, die belegt werden sollen. Bevor es zu Inzucht kommt, tauscht Andreas Moor den Muni mit anderen Züchtern aus dem Luing-Rassenclub. Gelegentlich werde für frisches Blut einer aus Schottland importiert. Als Züchter legt Moor vor allem Wert auf Rahmen und Fundament. Da Luing in der Schweiz noch nicht 100 Prozent hornlos sind, wachsen ab und zu auch auf dem Hasliberg einem der Kälber Hörner. «Ich enthorne keines, aber es wird dann halt geschlachtet», meint der Berner. Manchmal reue es ihn schon, aber das Zuchtziel für die Schweiz ist klar die Hornlosigkeit. In Schottland, dem Ursprungsland der Rasse, werde das weniger gewichtet.

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«Luing eignet sich meiner Meinung nach sehr gut fürs Berggebiet, aber weniger für intensive Betriebe», sagt Andreas Moor. Natürlich habe die Rasse Vor- und Nachteile und Probleme gebe es immer, aber «da muss man sich manchmal durchbeissen». Das erste Kalb sei bei ihm eine Totgeburt gewesen und im ersten Alpsommer stürzten zwei Kühe ab. «Da habe ich mir schon überlegt, ob ich es richtig gemacht habe». Trotzdem würde er die Rasse weiterempfehlen, sie werde allgemein unterschätzt. «Bis heute habe ich das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein», schliesst der Berner.

Die Rasse

Luing (sprich Ling) ist aus der Kreuzung von Beef-Shorthorn x Highland-Cattle entstanden und ist nach der gleichnamigen schottischen Insel benannt, auf der die Zucht begonnen wurde. Im Gegensatz zu anderen natürlich hornlosen Rassen brachte bei Luing keine Drittrasse die Hornlosigkeit, sondern Beef-Shorthorn. Die einfarbig rot bis rotbraunen Tiere sind mittelrahmig, gelten als gutmütig, robust, anpassungsfähig und genügsam. Kühe erreichen eine Widerristhöhe von 122 bis 130 Zentimeter und werden bis zu 650 Kilo schwer.

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