Beiläufig zupft Monica Graf ein paar Strohhalme vom Bauch der schwarz-weissen Mutterkuh vor ihr. Die Zeichnung auf ihrem gefleckten Fell ist auf beiden Körperseiten symmetrisch und macht schnell klar, dass es sich hier um einen nicht alltäglichen Anblick handelt. «Es gibt aktuell in der Schweiz gesamthaft 55 Pustertaler Sprinzen, davon 47 weibliche», erklärt Graf. Ihre Tiere waren unter den ersten, die importiert worden sind.

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Etwas Spezielles nach Hochlandrindern

Als Monica Graf ihren heutigen Mann Mark kennengelernt und zum ersten Mal – in Stöckelschuhen nach dem Ausgang – dessen Kühe besucht hat, hielten Grafs in Istighofen im Kanton Thurgau noch Hochlandrinder. Deren Zucht haben sie aber wegen viel Konkurrenz und Preisdruck aufgegeben. «Wir wollten danach etwas Spezielles», erinnert sich die Thurgauerin. Im Blick hatte Graf Murnau-Werdenfelser, auf der Website eines Viehhändlers stiess sie aber auf Pustertaler Sprinzen. 2016 kamen die ersten Tiere dieser Rasse auf das Bacheschüürli, heute sind es drei Kühe und zwei Rinder. Ihre Weide teilen sie sich mit 13 Grauvieh-Mutterkühen und Ammenkälbern.  

Ein sensibler Charakter

Pustertaler Sprinzen stammen ursprünglich aus dem Südtirol. Ihren Charakter beschreibt Monica Graf zwar als ruhig, sie könnten aber auch dominant oder zickig sein. «Ausserdem sind sie feinfühlig», ergänzt die ehemalige Service-Angestellte und streicht der 5-jährigen Somia über das gefleckte Fell. Einmal habe eine ihrer Kühe plötzlich kaum mehr jemand an sich herangelassen. Graf vermutet, dass etwas vorgefallen war, vielleicht bei einer Behandlung durch den Tierarzt. Jedenfalls sei das zuvor umgängliche Tier danach völlig von der Rolle gewesen. Ähnliche Geschichten habe sie auch von Züchterkollegen gehört. «Das kann man nur mit viel Arbeit wieder geradebiegen», ist sie überzeugt.

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Futterbau an die neue Rasse angepasst

Zwar haben Grafs heute keine Hochleistungstiere im Stall, nach den Hochlandrindern war die Umstellung was den Futterbau betrifft aber dennoch gross: «Frühes Heuen und Einsilieren ist für uns wegen der Natura-Veal-Produktion so wichtig wie auf einem Milchwirtschaftsbetrieb», führt die Züchterin aus. Jeweils morgens und abends kommen alle Mutterkühe zum Fressen in den Stall, damit auch die rangniederen sicher ihre Ration betriebseigenes Raufutter bekommen. Kraftfutter komme nicht zum Einsatz. Während die Kühe im Fressgitter fixiert sind, haben die Kälber genug Zeit zum Saugen. Ausserdem nutzt Monica Graf die Zeit, um Euter und Kälber zu kontrollieren.

Aussergewöhnliches Fleisch für den Hofladen  

Neben der auffälligen Fellzeichnung und ihrer Feinfühligkeit zeichnet sich die Südtiroler Rinderrasse durch spezielles Fleisch aus. «Es ist butterzart, eiweissreich, cholesterinarm und mit Fett schön durchzogen», so die Beschreibung von Monica Graf. Bevor sie und ihr Mann die ersten Pustertaler Sprinzen gekauft haben, bestand die Thurgauerin darauf, solches Fleisch selbst zuzubereiten. Das Ergebnis überzeugte sie davon, dass es sich bei diesem Produkt um etwas Besonderes handelt. Daher verkaufen Grafs Würste, frisches und tiefgefrorenes Fleisch der männlichen Pustertaler Sprinzen auf dem Bacheschüürli ausschliesslich im Hofladen – auch wenn die Direktvermarktung wegen des grossen Aufwands für sie nicht rentabler sei, als der Verkauf der Grauvieh-Kälber als Natura-Veal. Das Pustertaler-Fleisch gehöre aber nicht in den Detailhandel, wo es nicht als Spezialität wahrgenommen wird.

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Es scheint, als wären die Spaziergänger und Velofahrer, die den Hofladen besuchen, gleicher Meinung: Die Direktvermarktung floriert. «Die Kunden kommen immer wieder», freut sich Monica Graf.

«Es ist butterzart, eiweissreich, cholesterinarm und mit Fett schön durchzogen»

Monica Graf ist vom Fleisch der Pustertaler Sprinzen begeistert. 

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Informationen inklusive

Die Thurgauerin führt das einerseits auf das spezielle Fleisch zurück, andererseits aber auch auf die Rezepturen ihrer Würste: 100 Prozent Rind- ohne die Zugabe von Schweinefleisch. Ihr Metzger habe dafür eigens getüftelt, um die richtige Konsistenz zu erreichen. Das Angebot im Hofladen ergänzen Fleisch vom Duroc-Schwein, Ziegen- und Kaninchenfleisch vom Hof, Becherglacé und eine Kaffeemaschine. Je ein Tisch im Verkaufscontainer und unter einem Sonnenschirm davor laden Passanten zum Verweilen ein. So kommt Monica Graf auch mit den Leuten ins Gespräch, erzählt ihnen von den Pustertaler Sprinzen oder führt sie über den Hof – «wir haben nichts zu verbergen», betont sie.

Aus dem Pustertal
Pustertaler Sprinzen haben geflecktes Fell mit Weiss als Grundfarbe und schwarzer oder roter Zeichnung, die auf beiden Körperseiten symmetrisch ist. Typisch sind das schwarze Flotzmaul, Flecken um die Augen und schwarze Striche (bei rotem Fell entsprechend in Rot). Die Rasse gilt als grossrahmig, ruhig, robust und anpassungsfähig. Pustertaler Sprinzen haben überdies gute Mutterkuheigenschaften und eine gute Futterwertung. Der Ursprung der Rasse liegt im Südtirol, genauer im italienischen Pustertal.

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Bei der Zucht auch auf die Grösse achten 

Während sich Mark Graf primär um den Futterbau kümmert, steigt seine Frau nur im Ausnahmefall auf den Traktor. Sie bevorzugt den Kontakt zu ihren Tieren, die sie zur Zahmheit erzieht. «Ich habe das Ziel, dass wir alle Kühe überall berühren können», erklärt Monica Graf. Was die Erscheinung angeht, achtet sie bei der Zucht auf die typischen Rassenmerkmale: schwarzes Flotzmal, die Zeichnung um die Augen und schwarze, bzw. rote Striche (selten gibt es auch Pustertaler Sprinzen mit rotem Fell). Diese Zeichnung ist sehr dominant und schlägt auch bei Kreuzungen – z. B. mit Grauvieh – durch. «Unsere Sprinzen sollen auch nicht zu gross werden, damit sie zu den hiesigen Verhältnissen passen», ergänzt die Thurgauerin. Zwar gilt die Rasse als grossrahmig, die Tiere in Istighofen haben aber dasselbe Format wie ihre grauen Herdengenossen. In der Regel enthornen Grafs ihre Tiere, um Verletzungen zu vermeiden und für den Verkauf.

Teurer als andere Rassen

Da sie als Vorstandsmitglied der Highland Cattle Society Switzerland Erfahrungen im Verbandswesen und ausserdem einen guten Draht zu Mutterkuh Schweiz hat, gründete Monica Graf einen eigenen Rassenclub für die Pustertaler Sprinzen. So ist sie mit den anderen Züchtern im In- und Ausland in Kontakt. Den weiblichen Nachwuchs auf dem Bacheschüürli nehmen Grafs nach der Aufzucht auf einem anderen Betrieb zurück oder verkaufen die Rinder. Auch ein Zuchtstier von ihnen ist im Einsatz. «Aktuell ist die Nachfrage für diese Rassentiere sehr gross, ich bekomme oft Anrufe von Interessenten», schildert die Thurgauerin. Man müsse sich aber bewusst sein, dass Pustertaler Sprinzen teuer sind als andere Mutterkuhrassen. Trotz des kleinen Angebots versucht Monica Graf jeweils auch mithilfe ihrer Kontakte im Ausland, passende Tiere zu finden. Für eines aus ihrer eigenen Zucht müsse man auch tief in die Tasche greifen, meint die Thurgauerin, «weil sie sehr umgänglich und rar sind».

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«Für alle, die Freude daran haben»

Das Interesse an den Pustertaler Sprinzen kann Monica Graf gut nachvollziehen. «Es sind einfach schöne Tiere», findet sie. Ausserdem stimme sowohl Fleischigkeit als auch Milchleistung und die Sprinzen sind alptauglich. In Deutschland gebe es sogar Betriebe, die sie als Milchvieh einsetzen. Die Rasse ist aus Sicht der Züchterin für alle geeignet, «die Freude an ihr haben»

Betriebsspiegel Bacheschüürli
LN: 16 Hektaren Grasland
Tierbestand: 16 Mutterkühe, davon 3 Pustertaler Sprinzen und 13 Stück Grauvieh, 4 Bündner Strahlengeissen, 3-4 Duroc-Schweine, 7 Kaninchen (6 Zibben, 1 Bock)
Arbeitskräfte: Mark und Monica Graf, Schwiegereltern