Die Massentierhaltungs-Initiative (kurz MTI) kommt am 25. September 2022 schweizweit zur Abstimmung. Der Begriff Massentierhaltung ist in der Gesellschaft negativ behaftet. Laut einer österreichischen Studie aus dem Jahr 2013 wird das Wort Massentierhaltung mit Qualen und Krankheiten in Zusammenhang gebracht. Aber der Begriff beschreibt sozusagen nur die intensive Haltungsform von Nutztieren. Gegenteilig ist die extensive Haltungsform.

Eine genaue Definition von Massentierhaltung, also wie viele Tiere pro Betrieb und Fläche gehalten werden, um eine Masse zu bilden, gibt es nicht. Dabei hat eine intensive Haltungsform betriebsökonomisch viele Vorteile, wie die Reduktion der Arbeitszeit pro Tier oder die Preisreduktion beim Kauf grösserer Futtermengen. Diese Grösseneffekte sind Teil der betriebswirtschaftlichen Planung.

Eine verzerrte Realität

Die negative Deutung des Begriffs Massentierhaltung in unserer Gesellschaft entsteht zwischen der Diskrepanz landwirtschaftlicher Werbebilder und realer Produktionsbedingungen. Oftmals gelangen Skandale in die Öffentlichkeit, die eigentlich keine sind. Wie zum Beispiel ein Foto von einem Stall mit einer hohen Besatzdichte an Tieren. Was betriebswirtschaftlich normal ist, verzerrt den Eindruck über die landwirtschaftliche Tierhaltung. Der Konsument sieht, hört und liest von unkrautfreien Wiesen, «glücklichen» Tieren und Bauern in sauberen Stiefeln.

Aber die reale Landwirtschaft, vor allem die Tierhaltung, sieht anders aus. Sie ist ein Unternehmen wie jedes andere, es muss taktiert und kalkuliert werden, um Mitarbeiter und Familienarbeitskräfte sicher zu entlöhnen. Wenn das Unternehmen nicht rund läuft, kann der Bauer am Ende des Monats vielleicht die Kredite nicht abbezahlen oder Mitarbeiter nicht bezahlen. Der Produzent als Arbeitgeber trägt Verantwortung für alle auf dem Hof, nicht nur für seine Tiere.

Das Business des Bauern

Ob ein Schwein glücklicher ist, wenn es im Schlamm wühlt, kann niemand sagen, denn eine Masseinheit für Glück gibt es nicht. Ein «Säuli» oder «Muni» in einem bäuerlichen Betrieb ist ein Nutztier. Es existiert, weil der Bauer es für sein Unternehmen produziert hat. Er stellt damit die Ernährung für die Bevölkerung her, das ist sein Business. Dafür steht er 365 Tage im Jahr, an allen Feiertagen, Geburtstagen und Beerdigungen, morgens auf und versorgt seine Tiere. Ob der Bauer seine Haltungsform nun art- oder tier- oder bedürfnisgerecht nennt, ist irrelevant. Es ist ein Schwein, das domestiziert wurde, um aus ihm ein Nahrungsmittel herzustellen. Ansonsten wäre es nicht auf dieser Welt. Die Domestikation von Wild- hin zu Nutztieren wird mit Zuchtprogrammen realisiert. Heute sind diese spezialisiert und sehr effizient. Gegenwärtige Rassen haben einen hohen Output an Fleisch, Milch und Eiern. Darauf können wir stolz sein.

Unsere Gesellschaft entwickelt sich stetig weiter, unsere Kinder sind cleverer als unsere Grosseltern, unsere Enkel gescheiter als wir. Was würden wir uns schämen, wenn die nächste Generation genau die gleichen Fehler machte wie wir?

Transparenz ist wichtig

Genauso wie sich unser Verhältnis zu Flugreisen und Kindererziehung verändert hat, wird sich ferner unser Verhältnis zu unserem Essen verändern. «Wurde der Erntehelfer, der mein Mittagsrüebli geerntet hat, gerecht für seine Zeit entlöhnt und ist die körperliche Belastung beim Ernten vertretbar?» Ebenso stellen sich jetzt und in Zukunft für jeden Fragen wie: Musste das Tier, das ich esse, leiden, hatte es Schmerzen, war es oft krank oder musste es behandelt werden? Um das herauszufinden, sollte sich jeder um ein faires Urteil bemühen. Wenn jeder seinen Zettel in die Urne wirft, sollte er oder sie sich sicher sein über die Konsequenzen für Mensch und Tier. Es ist wichtig, dass man sich nicht von Bestsellerautoren, Regisseurinnen, Schauspielern, Moderatorinnen oder Influencern beeinflussen lässt, sondern sich sein eigenes Bild von der Tierhaltung macht. Am besten beim Produzenten selbst.

Tierhaltende Landwirte müssen sich in den nächsten Jahren wahrscheinlich immer wieder mit diesem Thema auseinandersetzen. Das ist gut so, es schafft Chancen für wahre Transparenz und den aktiven Austausch mit unseren Konsumenten und Konsumentinnen. Der Grund, warum Produzenten Überstunden machen oder nicht zum «Geburifest» des eigenen Enkels kommen, sind die Kunden. Die bestehenden Herausforderungen in landwirtschaftlichen Unternehmen wie zum Beispiel die Arbeitsbelastung oder gerechtere Entlöhnung müssen in den nächsten 25 Jahren ausserdem bewältigt werden.

Die bäuerliche Tierhaltung befindet sich in der Schweiz heute auf einem hohen Niveau. Jede(r) Produzent(in) befindet sich ständig in einem bereichsübergreifenden Spannungsfeld. Die Bereitschaft, das Tierwohl zu verbessern, steht oft im Zielkonflikt mit anderen betriebsökonomischen Verpflichtungen.