Eigentlich sei es bei der Lancierung des Programms für regelmässigen Auslauf ins Freie (RAUS) darum gegangen, dass die Bevölkerung mehr Tiere draussen zu sehen bekomme, meinte Stephan Furrer, ehemaliger Geschäftsführer der Zentralschweizer Kontrollorganisation Qualinova. Nun aber werde diskutiert, wann die Tiere noch ins Freie sehen könnten, damit der Bau als RAUS-konform gelte. Er war einer von vielen Zuhörenden an einer Fachtagung zum Thema Zielkonflikte beim Bauen. Der Anlass, organisiert vom Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (LBV), war gut besucht von Bauplanern, interessierten Bauherren und Branchenvertretern.
Einer der Themenschwerpunkte: Was gilt wirklich bei Innenlaufhöfen bezüglich RAUS-Konformität? Darüber herrscht offensichtlich einige Unklarheit, wie die Information und intensive Diskussion zeigten. So seien in der Vergangenheit einige Bauten als RAUS-konform erachtet, bei späteren Kontrollen aber aberkannt worden, wie moniert wurde.
Geschichte des RAUS
Mehr Klarheit zu vermitteln, versuchte Dominique Giacomini vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). Sie wies auf die Geschichte des Programms hin, mit Start der kontrollierten Freilandhaltung 1993. Erst 1998 folgte die RAUS-Verordnung mit differenzierten Bestimmungen je Tierkategorie. Darin hiess es, dass sich der Laufhof im Freien befinden müsse. 2009 folgten die Etho-Programme, so auch mit dem Programm «besonders tierfreundliche Stallhaltung» (BTS). Für RAUS galt aber nach wie vor: Der Laufhof liegt im Freien. 2014 wurden diese Tierwohl-Programme in die Direktzahlungsverordnung (DZV) integriert und die Formulierungen wurden angepasst. Es galt für RAUS der Auslauf ins Freie, entweder durch Weide oder durch einen ungedeckten Laufhof. Weil das zu Fragen führte, sollten die ab 2016 in den Weisungen enthaltenen Skizzen mehr Klarheit schaffen. Diese wurden 2018 aber wieder entfernt, weil Skizzen in Weisungen unerwünscht seien, wie Giacomini erklärte. Die Unklarheiten nahmen aber wieder zu, sodass schliesslich 2022 die Weisung in der DZV angepasst wurde: Bei Indoor-Laufhöfen muss ein Teil unter freiem Himmel (Dachaussparung) wie auch im Freien sein (mindestens eine Seite gegen aussen hin offen).
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Merkblatt keine Verschärfung
Im Juli letzten Jahres publizierte das BLW das Merkblatt «RAUS – Auslaufflächen zwischen oder innerhalb von Gebäuden». Dieses sei in Zusammenarbeit mit den Kantonen und der Branche erarbeitet worden. Giacomini wehrte sich vehement gegen mehrfach vorgebrachte Vorwürfe, das Merkblatt habe eine Verschärfung der bisherigen Praxis gebracht. «Wir haben nur konkretisiert, was schon seit Jahren galt.» Reine Indoor-Ausläufe seien nie RAUS-konform gewesen. Giacomini geht nicht davon aus, dass viele Betriebe deswegen die Anforderungen nicht mehr erfüllen werden, ansonsten brauche es eben bauliche Anpassungen. Sie wies darauf hin, dass die Kantone dafür Übergangsfristen bis 2026 gewähren können. So liessen sich aktuell Kürzungen der Direktzahlungen bzw. Verlust der RAUS-Beiträge noch vermeiden. Gemäss Giacomini beteiligen sich rund 70 Prozent der Betriebe an einem RAUS-Programm, dafür leiste der Bund jährlich rund 150 Millionen Franken, rund sechs Prozent der Direktzahlungen. Die Zahlen seien seit Jahren recht konstant.
Im Kanton Luzern sind es gemäss Susanne Roth von der Luzerner Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa) gar über 92 Prozent aller 3845 Tierhalter mit Direktzahlungen, die sich an RAUS beteiligen, davon 3155 für Rindvieh und 976 für Schweine. Sie informierte über den Vollzug in der Zentralschweiz. So muss gemäss BLW-Merkblatt bei einem Laufhof die Sicht ins Freie gegeben sein. Die Kantone würden aber bei Stallumbauten und bestehenden Ställen festlegen, welcher Bereich der senkrecht unter einem Vordach liegenden Auslauffläche als ungedeckt gelte, je nach Dachtraufenhöhe. Bei Auslaufflächen zwischen oder innerhalb von Gebäuden gelten unter dem Dach liegende Flächen aber immer als ungedeckt.
Übergangsfrist nutzen
Sie rief dazu auf, Problemfälle, welche nicht dem BLW-Merkblatt entsprächen, durch Selbstanzeigen dem Lawa zu melden und die Übergangsfrist für bauliche Anpassungen bis 2026 zu nutzen, um Beitragskürzungen zu vermeiden. Die Übergangsfrist gelte aber nicht für Neuanmeldungen und Neubauten ab 2024. Franz Stadelmann vom Lawa wies darauf hin, dass es bei Baugesuchen eben nicht zu den Aufgaben des Lawa gehöre, die RAUS-Konformität zu überprüfen. So sei es denkbar, dass bei einigen Neu- oder Umbauten von Rindviehställen mit Innenlaufhöfen diese Auflagen wider Erwarten der Planer und Bauherren nicht eingehalten seien.
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