«Lange war ich der Meinung, ich übernehme den elterlichen Betrieb nicht, denn das mit den Schweinen ist nicht mein Ding.» Meisterlandwirtin Andrea Hürzeler sitzt zu Hause im solothurnischen Gretzenbach am Holztisch, als sie das sagt und dabei schmunzelt. Denn, wie so oft, kam es bei ihr genau dazu. Ein langer Prozess, der Zeit brauchte, sei das gewesen, erklärt die knapp 30-Jährige, die mit zwei älteren Schwestern und einem jüngeren Bruder aufwuchs. Alle drei Schwestern haben eine landwirtschaftliche Ausbildung gemacht, der Bruder arbeitet in der Holzbranche.

Viele Gespräche sind nötig, bis der Entscheid fällt

Im Jahr 2018 begann der Familienrat über die Nachfolge zu diskutieren. Ursprünglich wollte die mittlere Schwester den Betrieb übernehmen, welche heute mit ihrem Mann dessen elterlichen Betrieb führt. Viele Gespräche innerhalb der Familie und ein Reifeprozess bei Andrea Hürzeler waren nötig, bis sie sagte: «Ja, ich gehe nach Hause und übernehme den Betrieb.» Nichts sollte überstürzt werden, denn dieser Entscheid muss langfristig bestand haben, weiss die Landwirtin. Per April 2020 kehrte sie auf den Hof zurück und am 1. Januar 2021 übernahm die im Erstberuf ausgebildete Kauffrau die Betriebsleitung von ihren Eltern.

Betriebsspiegel Hof Hürzeler

Name: Andrea Hürzeler
Ort: Gretzenbach SO
Familie: Partner Lukas Steiger, Landmaschinenmecha-niker, arbeitet 20 % auf dem Hof. Vater Kari Hürzeler, 100 % angestellt auf dem Hof bis zur Pensionierung. Mutter Käthy Hürzeler hilft in Haus und Garten.
Fläche: 22,5 ha landwirt. Nutzfläche, davon 18 ha Ackerbau nach ÖLN-Standard.
Kulturen: Kunstwiese, Körnermais, Brotgetreide, Raps, Gerste.
Tiere: 49 Sauen, 1 Eber, 160 Jagerplätze, 300 Mastplätze, 10 Aufzuchtrinder, 10 Hühner, 1 Hund.
Weitere Betriebszweige: wenig Obstbau und Weihnachtsbäume für den Direktverkauf.

Ein eigener geschlossener Kreislauf

Das Haupteinkommen generiert Andrea Hürzeler durch die Zucht und Mast von Schweinen. Sie betreibt einen eigenen Kreislauf. Im Jahr 2009 hatte der Vater die Schweinehaltung aufgestockt und einen neuen Maststall gebaut. Die Zuchtställe wurden im bestehenden Stall ausgebaut. Die Schweinehaltung bei Hürzelers trägt kein Label. Dennoch wurde bereits beim Neubau 2009 freiwillig für das Tierwohl ein Auslauf für die Mastschweine und Gust-Sauen gebaut.

Der Metzger arbeitet im Nachbardorf

Auf den Auslauf legt auch der Abnehmer der Schweine viel Wert. Jeden Montag morgen früh lädt die Familie rund 18 Schweine selbst auf und bringt sie im Nachbardorf Kölliken AG in die Metzgerei. Alle Schweine des Betriebs Hürzeler gehen an diesen einzigen Abnehmer. Dies bedeutet einen kurzen Transportweg für die Tiere und somit weniger Stress.

Auch bei der Fütterung setzt die Landwirtin auf Regionalität. Die Futterration besteht zu drei Vierteln aus Körnermais, der auf dem Betrieb angebaut und von Bauern in derRegion zugekauft wird. Die hofeigene Gerste wird in eine nahe Mühle gegeben, welche damit Futtermischungen herstellt, die dann auf den Hof zurück-kommen.

Kein Label, aber …

Andrea Hürzelers Schweinehaltung funktioniert also mit kurzen Transportwegen sowohl für die Futterbeschaffung wie auch die Schlachtung. «Ich produziere nicht biologisch. Aber dennoch ist mein Fleisch nahezu so ökologisch wie ein Bio-Säuli», ist sie überzeugt. Und was die Labelfleischproduktion anbelangt, weiss sie, dass nur die Hälfte des produzierten Fleisches auch in einem Label-Kanal verkauft werden kann. «Das finde ich krass, die Konsument(innen) schreien nach etwas, aber gekauft wird genau das dann doch nicht», ärgert sie sich.

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Waren einst bei der jungen Frau die Schweine nicht so beliebt, scheint sich das geändert zu haben. Der Landwirtin liegen ihre Tiere und deren Wohl sehr am Herzen. Das ist beim Rundgang durch die Stallungen mehr als offensichtlich. Immer wieder lacht Andrea Hürzeler beim Anblick ihrer Tiere. Sie krault hier ein Tier und da ein anderes. Die Schweine scheinen die Streicheleinheiten zu geniessen.

Das Einkaufen ennet der Grenze ist nahe

Andrea Hürzeler lebt in erster Linie von der Schweinehaltung. Dennoch sei ihr Betrieb relativ vielfältig aufgestellt, wie dies auch in der Region selbst der Fall sei, betont sie. Die gesamte Region um den Hof herum lebe davon, dass nicht alle Landwirte dasselbe produzieren würden. Was hinsichtlich der Massentierhaltungs-Initiative Sorge bereitet, ist die Nähe zum Ausland. «Hier in der Region würde der Einkaufstourismus zum grossen Problem», befürchtet Andrea Hürzeler, «denn wir sind schnell an der Grenze.»[IMG 3]

Kindern die Landwirtschaft näher bringen

Die junge Frau weiss, dass vielfach der Bevölkerungsteil, der weit weg ist von der Landwirtschaft, nicht wirklich eine Ahnung davon hat, wie heute Lebensmittel produziert werden. Dabei will sie ­Gegensteuer geben und engagiert sich deshalb beim Projekt Schule auf dem Bauernhof (SchuB). «Mir ist wichtig, den Konsumenten von morgen beizubringen, was wir machen», ­erzählt sie.

Zudem sollen die Konsument(innen) das Vertrauen in die hiesige pro­duzierende Landwirtschaft zurückerlangen. SchuB-Klassen erfahren auf dem Hof Hürzeler über die verschiedenen Wege des Getreides, Gemüses, Fleisches, Bauernhofgartens, Bodens im Allgemeinen sowie den Weg des Eis.