Der Schweizer Tierschutz (STS) bleibt bei der Massentierhaltungs-Thematik am Ball: Nach dem Webinarvom 23. November 2021 rief Stefan Flückiger, Geschäftsführer Agrarpolitik beim Schweizer Tierschutz (STS) erneut zu einer kurzen Online-Medienkonferenz über die Massentierhaltungs-Initiative, kurz MTI. Eingeladen waren nebst Medienschaffenden die Referenten Daniel Gerber, der Geschäftsführer der Gesellschaft der Schweizer Tierärzte und Tierärztinnen (GST) und Nationalrat Kilian Baumann, der Präsident der Kleinbauern-Vereinigung (VKMB).

WAK-N und Bundesrat sind gegen die Initiative

Aktuell gibt das Anliegen viel zu reden, denn: Am 14. Und 15. Dezember 2021 berät der Nationalrat im Rahmen der Wintersession über die Massentierhaltungs-Initiative. Die vorberatende Wirtschaftskommission (WAK-N) lehnt die Initiative klar ab (14 Nein-Stimmen, 5 Ja-Stimmen, 5 Enthaltungen) (wir berichteten). Auch der Bundesrat lehnt die MTI ab, stellt ihr aber einen direkten Gegenentwurf gegenüber. Die Massentierhaltungs-Initiative und der direkte Gegenentwurf des Bundesrates wollen die besonders tierfreundliche Stallhaltung (BTS), den regelmässigen Auslauf (RAUS) und die schonende Schlachtung verbessern.

RAUS würde bei Annahme des direkten Gegenentwurfs obligatorisch, BTS nicht

Der direkte Gegenentwurf des Bundesrats sieht zwar ein RAUS-Obligatorium vor, allerdings wäre das BTS-Programm kein obligatorischer Teil des direkten Gegenvorschlags, betonte Baumann. So wäre die Anbindehaltung für Rindviehauch nach der ohnehin schon sehr grosszügigen Umsetzungsfrist von 25 Jahren noch erlaubt, so der Nationalrat. Auch bei RAUS sind Ausnahmen vorgesehen: Mastgeflügel wäre vom Obligatorium ausgenommen. Und: Egal, ob die MTI oder der (in)direkte Gegenentwurf angenommen würde; die Forderungen seien durchaus umsetzbar und möglich, bekräftigte Kilian Baumann. Auch die vorgegebene Frist von 25 Jahren würde dafür ausreichen. «Die Landwirte und Landwirtinnen haben teils Angst, dass die Initiative oder der Gegenentwurf Beiträge gefährden würden», beobachtet Kilian Baumann. Dem Präsidenten der Kleinbauern sei diese Befürchtung bewusst. «Die Angst ist jedoch nicht gerechtfertigt», versicherte Baumann. Die Gelder seien im Parlament nicht in Frage gestellt, sie könnten aber in neue Tierschutzprogramme umgeleitet werden. Dieser Wandel sei notwendig. «Die Landwirtschaft muss sich weiterentwickeln», betonte Baumann.

WAK-N lehnt indirekten Gegenentwurf ab

Einen von Kilian Baumann (Grüne/BE) eingereichten indirekten Gegenentwurf auf Gesetzesstufe lehnte die WAK-N ebenfalls ab. Dieser von STS und VKMB lancierte Vorstoss wurde als weiterer Kompromissvorschlag ins Spiel gebracht. Weil er direkt auf Gesetzesstufe ansetzt, sei er schneller und unkomplizierter umsetzbar und würde auch die Importe miteinbeziehen, so Baumann. Dabei soll das «Tierwohl unter Berücksichtigung einer standortangepassten, marktkonformen Produktion und der ökologischen Tragfähigkeit gestärkt werden», heisst es auf der Seite der VKMB.

«Es besteht dringender Handlungsbedarf»                                           

Auch die GST zeigte an der Konferenz eine klare Haltung: «Es besteht dringender Handlungsbedarf im Tierwohlbereich», so Daniel Gerber. Die GST lehnt die MTI allerdings ab. Die Anzahl Tiere wäre für das Tierwohl kaum massgebend, so die Argumentation. Die Gesellschaft der Schweizer Tierärzte und Tierärztinnen spreche sich aber klar gegen eine politische Verweigerung von verbesserten Tierwohl-Massnahmen aus. Aus diesem Grund stellt sich die GST in diesem Anliegen hinter den STS und die VKMB und befürwortet somit den direkten Gegenentwurf.

«Optimale Haltung ist auch aus ökonomischer Sicht wichtig»

«Das Argument, dass die Direktzahlungen durch den Gegenentwurf gefährdet würden, tragen schlichtweg nicht», war auch Gerber überzeugt. Es brauche nun auch von der landwirtschaftlichen Seite ein Bekenntnis, betonte Gerber. «Die Forderung der GST nach einer angemessenen Wirtschaftlichkeit steht nicht im Widerspruch zur Forderung nach mehr Tierwohl», bekannte der GST. Und: Die optimale Nutztierhaltung mit einem vorausschauenden Gesundheitsmanagement sei aus ethischen Gründen gefordert, aber auch ökonomisch wichtig. Gerber verwies hier auf signifikante Resultate des Projekts Freiluftkalb der Vetsuisse Fakultät Zürich.

Der STS fordert einen Systemwechsel

Die Diskrepanz zwischen dem Gesetz und der Realität gelte es aufzulösen, so der STS. Viele Artikel der Tierschutzverordnung (TSchutzV) würden heute nicht korrekt umgesetzt. So zum Beispiel Art.3 Abs. 1 der TSchV: «Tiere sind so zu halten und mit ihnen ist so umzugehen, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört werden und ihre Anpassungsfähigkeit nicht überfordert wird». In intensiver Tierproduktion sei dies nicht gewährleistet, wie der STS bemängelt. Ruhe, Beschäftigungsmöglichkeiten und Rückzugsorte würden teils fehlen. Auch sei die intensive Kraftfutterfütterung nicht artgerecht. Und weil in der Schweiz nach wie vor rund 50 % aller Milchkühe in Anbindeställen gehalten werden, würde Art. 3 Abs 4 («Tiere dürfen nicht dauernd angebunden gehalten werden») auch nicht eingehalten, betonte der STS.

Weitere Forderungen des STS:

  • Nutztiere sollen sich frei bewegen können, in Gruppen und eingestreut gehalten werden sowie Zugang zu Auslauf oder Weide haben.
  • Die Anbindehaltung sei nur in Kombination mit häufigem Weiden tolerierbar.
  • RAUS als Mindeststandard.

Zudem sei für eine artgerechte Tierhaltung primär die Herdengrösse entscheidend, nicht die Betriebsgrösse.