Eine Alp zu besuchen, ist vielfach mit einem abenteuerlichen Anfahrtsweg oder einer schweisstreibenden Wanderung verbunden. Führt der Ausflug aber auf die Alp Rotenfluh, dann geht das bedeutend eleganter: Mit der fast neuen Gondelbahn überwindet man die rund 1000 Höhenmeter von Rickenbach auf den Aussichtsgipfel Rotenfluh bequem im Sitzen. Darauf folgt noch ein fünfminütiger Spaziergang, und schon befindet man sich vor der Hüttentüre von Regina und Othmar Schelbert.
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Weniger Abfall von Touristen als früher
Während dank diesem Standort auch weniger bewegungshungrige Touristen die Alpenidylle hautnah erleben können, hat die räumliche Nähe zu einem Tourismus-Hotspot natürlich auch Auswirkungen auf den Alpbetrieb. Insbesondere in den vergangenen Jahren, wo gefühlt die halbe Schweiz zu Alpinisten wurde. «Beim ersten Corona-Lockdown hatten auch wir auf unseren Alpweiden ein Vielfaches an Wanderern und Touristen», erinnert sich Othmar Schelbert. Die deutlichsten Spuren dieser Wochen seien die vielen Feuerstellen auf den Weideflächen gewesen. «Ein Abfallproblem hatten wir allerdings keines. Das war vor 20 Jahren viel schlimmer», rühmt Älpler Schelbert.
Es sei aber klar, dass die enorme Zahl an Gästen in Alpgebieten zu Konflikten führe. Aus diesem Grund initiierte der Alpwirtschaftliche Verein des Kantons Schwyz zusammen mit Schwyz Tourismus das NRP-Projekt «Alpwirtschaft und Tourismus Kanton Schwyz». Die grosse Völkerschar in den Bergen wollte während des Lockdowns natürlich nicht nur die Natur erleben, sondern auch gleich ein Stück Natur mit nach Hause nehmen. Das führte im Selbstbedienungsstand der Schelberts zu eindrücklichen Alpkäse-Verkaufszahlen. «Diese haben sich aber mittlerweile wieder normalisiert.»
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Alpprodukte direkt an Touristen vermarkten
Gegen vier Tonnen Alpkäse produzieren Regina und Othmar Schelbert mit ihren 23 Jersey-Kühen pro Sommer. Die Tiere seien leichter und weidegewohnt. «Zudem ist der Milchgehalt der Jersey höher, wodurch wir im 400-Liter Käsekessi mehr Käse produzieren können», umschreibt Othmar Schelbert einige Vorteile seiner Kuhrasse. Allerdings verlange das spezielle Milchzucker-Milcheiweiss-Verhältnis beim Käsen besondere Aufmerksamkeit.
Die Familie Schelbert veredelt heute alle ihre Milch selber. Und das nicht nur auf der Alp, auch auf dem Talbetrieb hat sie mittlerweile eine Hofkäserei eingerichtet. Auf ihrem Heimet in Aufiberg stellen sie gegen vier Tonnen silofreien Bergkäse her. Die Milchkühe kalben saisonal im Frühling ab, somit wird von Ende Januar bis Ende März keine Milch verarbeitet. Das hat zwei Gründe: Erstens ist Othmar Schelbert im Winter im Pisten- und Rettungsdienst im Skigebiet Stoos engagiert, und zweitens ist die Fütterung mit diesem System günstiger. Neben der eigenen Milchverarbeitung werden jährlich auch rund 30 Mastkälber gemästet. Die Begeisterung für die Alpwirtschaft ist bei Othmar Schelbert, welcher seit über zehn Jahren Präsident des Alpwirtschaftlichen Vereins des Kantons Schwyz ist, spürbar.
Betriebsspiegel Schelbert
Alp Rotenfluh: 1530 m ü. M., 35 ha, davon 1,6 Ha Wildiheu und 3 ha Wald, 35 Stösse
Talbetrieb: 630 m ü. M., 17 ha LN und 5 ha Wald
Viehbestand: 22 Kühe, 15 Jungtiere, 10 fremde Galttiere zur Sömmerung
Vermarktung: Alle Milchprodukte und die abgehenden Kühe direkt, 30 Terra-Suisse-Tränkekälber im Handel
Arbeitskräfte: Familienbetrieb mit mehreren Aushilfen
Optimierte Weidepflege
Neben der Käseherstellung ist für ihn vor allem der Futterbau eine Herzensangelegenheit. Seit bald 50 Jahren bewirtschaftet seine Familie die Alp Rotenfluh, seit 2002 führt er diese zusammen mit seiner Frau Regina. Die Weideflächen hätten sich in dieser Zeit enorm verändert. Das habe mehrere Gründe. Es sei offensichtlich, dass sich das Klima wandle. «Bis zum Jahr 2000 sind wir nie vor Anfang Juni aufgefahren. Nun ist es normal, dass wir um den 20. Mai z Alp fahren.»
«Früher war das Abfallproblem grösser.»
Älpler Othmar Schelbert erinnert sich.
Weiter wird auf den rund 30 Hektaren Weidefläche mit gezielten Massnahmen versucht, die Pflanzenbestände positiv zu beeinflussen. «Entscheidend ist ein zeitiger Weidestart und wo möglich eine Schnittnutzung von älterem Futter. Zudem stehen uns heute mit modernen leichten Zaunsystemen und handlichen Motormähern effiziente Hilfsmittel zur Verfügung.» Auf der Rotenfluh findet man aber auch Gerätschaften, die man auf Alpen weniger erwarten würde: Neben dem Weidemulcher steht auch noch ein leistungsfähiger Striegel im Einsatz. Durch die optimierte Nutzung und eine Düngung, wo vermehrt mit Mist gearbeitet wird, ist der Unkrautdruck zurückgegangen. Auch die in den lehmigeren Parzellen stark verbreitete Binse konnte bedeutend reduziert werden.
Auf der Alp viel Heu füttern
Die Weideflächen der Alp Rotenfluh sind grösstenteils wenig steil. Ganz im Gegensatz zu den 1,6 Hektaren Wildiheuflächen, von wo das Futter mit viel Handarbeit mit Schlitten und Seilwinde hochgezogen werden muss. Othmar Schelbert betont, dass es natürlich nicht auf allen Alpen sinnvoll sei, eine so arbeitsintensive Futter- und Weidewirtschaft zu betreiben. «Für uns passt das aber, denn die Wertschöpfung bei der Alpmilch ist interessant.» Durch das Zufüttern von Heu könne die Milchmenge bis zum Herbst gehalten werden. Früher seien sie mit den melken Kühen bereits im August von der Alp gegangen, heute blieben diese am längsten auf der Rotenfluh, und das Jungvieh weide auf den steilen Weiden des Heimbetriebes.
Die Familie ist wichtig
Der Alpbetrieb ist für Familie Schelbert existenziell. Othmar Schelbert sieht zwar auf der Rotenfluh viel Potenzial, intensiver mit dem Tourismus zusammenzuarbeiten. «Ich tausche mich gerne mit Touristen aus, und die Gästebetreuung wäre sicher spannend.» Der Einstieg in den Agrotourismus würde aber Fremdpersonal bedingen. Das passe aktuell nicht zur Betriebsstrategie. Denn die gemeinsame Familienzeit auf der Alp ist Regina und Othmar Schelbert und ihren vier Kindern Iris (17), Felix (15), Annette (12) und Irma (10) sehr wichtig.
NRP-Projekt «Alpwirtschaft und Tourismus Kanton Schwyz»
Hauptziel des NRP-Projekt «Alpwirtschaft und Tourismus Kanton Schwyz» ist, die Zusammenarbeit und das Verständnis zwischen Alpwirtschaft und Tourismus im Kanton Schwyz zu fördern. In den vergangenen Jahren haben die Alpgebiete des Kantons Schwyz vom stark wachsenden Tourismus profitiert. Dadurch konnten Älpler ihre Produkte besser absetzen und ihre Wertschöpfung verbessern.
Mehr Gäste in den Bergen bedeutet aber auch vermehrt Konflikte: Abfall, zertrampeltes Weideland, falsches Verhalten gegenüber dem Vieh und anderes führten zu Ärger und Frustration. Alpen auf der Rigi, dem Stoos oder im Mythengebiet spüren die Auswirkungen bereits stark. Mit korrekter Kommunikation und Massnahmen wie optimierter Besucherlenkung und passenden Gästeangeboten sollen im Alpgebiet Verbesserungen erzielt werden.
Trägerschaft des Projektes sind der Alpwirtschaftliche Verein des Kantons Schwyz und Schwyz Tourismus. Für jedes Gebiet der fünf regionalen Alpwirtschaftlichen Vereine des Kantons Schwyz wurde mittlerweile je ein direkter Ansprechpartner für Anliegen aus dem Tourismus und aus der Alpwirtschaft bestimmt. Damit möchten die Verantwortlichen erreichen, dass Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden können. (reb)