Wie wohl allen Alpneulingen sagte mir Weidepflege im ersten Alpsommer nicht viel. Auf der Geissalp, auf der ich damals angestellt war, erwähnten alle, wie gut die Tiere die Erlen durch ihr Fressverhalten zurückgedrängt hätten. Dass das vorbildliche Weidepflege war, war mir nicht bewusst, als Sennerin hatte ich meinen Kopf woanders: käsen, melken, schmieren und die Schweine betreuen.
Das Gestrüpp mit der Motorsäge angehen
Der Zusammenhang der Weidepflege und der Alpwirtschaft wurde mir erst später, als ich auf einer Hüte-Alp arbeitete, bewusst. Bis heute bleibt mir in Erinnerung, wie der damalige Hirt die Motorsäge mit auf die Weide schleppte, um in das Erlengestrüpp für das Vieh Durchgänge zu sägen.
Je mehr Alpsommer ich verbringe, desto mehr werden mir die Bedeutung und die Herausforderung rund um das Thema der Weidepflege bewusst. Durch jahrhundertelange Beweidung und durch die Bearbeitung des Menschen ist viel Weidegebiet gewonnen und gepflegt worden. Die offenen Flächen sind für die Landwirtschaft, aber auch für den Tourismus immer noch von enormer Bedeutung.
Es ist aber eine Tatsache, dass die Weidegebiete in den letzten Jahren durch das Zusammenlegen von Alpen grösser geworden sind, gerade bei Mutterkuhalpen. Angestellt werden jedoch pro Alp nur ein bis zwei Personen. Es ist noch nicht lange her, da war es üblich, dass auf den Alpen mehr Personen und mehr Landwirt(innen) mit dem Unterhalt und der Weidepflege beschäftigt waren.
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Schon immer eine wichtige Aufgabe
Doch wie kann gute Weidepflege heutzutage gestaltet werden, wenn Weidegebiete immer grösser werden und Bestösser und Alppersonal weniger werden? Muss denn eigentlich jeder Bereich des Alpgebiets beweidet werden, oder wäre es nicht auch denkbar, Teile intensiv zu beweiden und zu pflegen und andere Teile der Natur zu überlassen?
In traditionell bewirtschafteten Regionen der Schweiz, oft bei Familienalpbetrieben, ist die Weidepflege ein wichtiger Bestandteil der Arbeit. Bei grossen Genossenschaften, bei denen das Personal oft nur wenige Sommer angestellt ist und sich somit weniger mit der Bewirtschaftung identifiziert, scheint mir die Arbeitsaufteilung der Weidepflege nicht klar gelöst zu sein. Ist die Gemeinde verantwortlich, also der Besitzer der Fläche? Ist es der Pächter, also die Genossenschaft? Sind es die Bestösser, also die Bauern, oder das Personal? Oder vielleicht alle zusammen?
Über Jahre hinweg ein Thema
Im Frühling beim Zäunen in den unteren Waldweiden habe ich mich als Älplerin zum Beispiel gefragt, ob nur mich die umgefallenen Bäume stören, die kreuz und quer in den Weiden liegen, so dass Hirten und Vieh nicht passieren können. Auch fragte ich mich, ob nach einem grossen Holzschlag nicht auch die Äste vom Forstunternehmen weggeführt oder zumindest zusammengetragen werden sollten. Oder auch wenn ich alleine im Alpenrosenmeer auf einer Weide stehe und an einem Wacholderast herumsäge, stellte ich mir in dem Moment Fragen zum Sinn der Arbeit.
Ich als Angestellte einer Alp bin dann motiviert, die Weiden zu pflegen, wenn ich erstens nicht die einzige arbeitende Person im ganzen Gebiet bin, wenn ich sehe, dass schon viel pflegerische Massnahmen immer wieder, über Jahre hinweg, unternommen worden sind und wenn funktionierendes Werkzeug auf der Alp zur Verfügung steht. Zusätzlich fände ich es sinnvoll, wenn während des gesamten Alpsommers Äste und Sträucher verbrannt werden dürften. Dazu könnten die Gemeinden Sonderbewilligungen ausstellen.
*Die Autorin möchte nur mit Vornamen genannt werden.
Alperlebnisse 2023
Im Älplerblog berichten Älplerinnen und Älpler aus den Kantonen Graubünden und St. Gallen in loser Folge von ihren Erlebnissen während des Alpsommers.