«Morgen wird es gemütlich. Wir müssen erst um 6 Uhr aufstehen. Mama kann ausnahmsweise einen Teil des Weges mitkommen. So können wir sogar ein Stück mit dem Jeep fahren. Am Abend habe ich Fussballtraining, deshalb werde ich im Tal unten bleiben und bei einem Schulfreund übernachten.

An einem normalen Schultag sieht es ein bisschen anders aus: Aufstehen bis spätestens 5.30 Uhr, schnell etwas essen und dann los. Meine kleine Schwester Mayla ist manchmal etwas langsam auf dem steilen Wanderweg, da sind wir eine Stunde zu Fuss unterwegs von unserer Alp Schön Chulm bis zur Bergstation des Ruogig-Bähnli.

Zwei Bähnli bis ins Tal

Dort treffen wir andere Älpler-Kinder. Die haben alle viel weniger weit als wir. Zusammen nehmen wir das Bähnli ins Tal runter. Also eigentlich sind es ja sogar zwei Bähnli. In der Mitte müssen wir umsteigen. Eine halbe Stunde dauert das – wenn alle reinpassen. Im unteren Abschnitt ist das Gondeli kleiner, da dürfen wir nur zu viert rein. Manchmal muss man warten.

Unten in Brügg treffen wir noch andere Kinder, und gemeinsam laufen wir der Klausenpasstrasse entlang nach Bürglen ins Schulhaus. Das braucht nochmals eine halbe Stunde. Mindestens, mit den Kleinen. Am Abend geht es den gleichen Weg zurück. Bis nach Brügg rauf können wir manchmal das Postauto nehmen. Und wenn Mayla nicht dabei ist, nehme ich für einen Teil der Strecke am Berg oben das Bike.

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«Am Abend fehlt die Zeit»

Es dauert alles ein wenig länger, seit Mayla in den Chindsgi geht und mit mir mitläuft. Aber es ist schön, wenn man zu zweit ist. Eigentlich mag ich den Schulweg sehr. Es gibt viel zu sehen unterwegs, und ich bin gerne draussen. Nur am Abend fehlt manchmal die Zeit zum Spielen. Heute sind wir schon um 17.30 Uhr heimgekommen. Und weil ich meine Hausaufgaben unten in der Schule vergessen hatte, reichte es sogar, um im Stall beim Melken mitzuhelfen und etwas zu spielen. Glück gehabt.

Ich freue mich immer, wenn wir im Sommer z’Alp gehen. Es ist einfach schön da oben. Besonders während der Sommerferien. Aber auch, wenn Schule ist. Mein Mami ist stolz auf mich, weil ich so selbstständig bin. Schon am zweiten Tag im Chindsgi wollte ich nicht mehr, dass sie mich begleitet. Klar, ich selbst bin auch ein bisschen stolz. Vor allem, wenn es regnet und alles pflotschnass ist, kann das viele Laufen schon anstrengend sein. Aber es macht auch stark. Ich kann nur einmal pro Woche ins Fussballtraining, nicht zweimal wie die anderen. Aber ich bin genauso fit wie meine Mitspieler.

Mein ‹Täädi› hatte diesen langen Schulweg auch schon, als er ein Kind war. Und auch heute muss er fast jeden Tag runter ins Tal, um das Heu für die Wintermonate einzubringen.

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«Mami steht um 2 Uhr auf»

Die tägliche Arbeit auf der Alp macht das Mami zusammen mit einem Angestellten. Sie ist fürs Käsen zuständig, und wenn sie uns wie morgen früh ein Stück begleiten will, muss der Käse fertig sein, bis wir loslaufen. Sie steht dann schon um 2 Uhr in der Nacht auf. Wenn wir um 5.30 Uhr aus dem Bett müssen, ist unten alles schön warm vom Käsen. Das gefällt mir. Manchmal haben wir Besuch auf der Alp. Mami hat ein altes Hüttli hergerichtet, und dort können Leute drin schlafen. Die schwärmen von unserem Käse und der schönen Aussicht. Wir haben das immer. Ich möchte nicht tauschen mit den Kindern, die das ganze Jahr im Tal unten bleiben müssen.»

Dieser Artikel erschien erstmals im «Berghilfe Magazin».

Die Schweizer Berghilfe
Die Schweizer Berghilfe ist eine ausschliesslich durch Spenden finanzierte Stiftung mit dem Ziel, Existenzgrundlagen und Lebensbedingungen im Schweizer Berggebiet zu verbessern. Die Organisation unterstützt Projekte, die Arbeitsplätze und Wertschöpfung schaffen. Damit möchte sie der Abwanderung entgegenwirken und dazu beitragen, dass die Bergregionen «auch in Zukunft lebendig bleiben», wie sie auf ihrer Website schreibt.

Website: www.berghilfe.ch