In dieser Woche erreichten uns Bilder aus Butscha, die das unsägliche Grauen des Ukrainekriegs dokumentieren. In diesem Vorort von Kiew wurden Menschen regelrecht abgeschlachtet. Bevor sich die russische Armee aus dem Ort zurückzog, tötete sie offenbar noch, was ihr über den Weg lief. Ein Tod ohne jegliche Würde. Die Leichen liegen auf den Strassen – teils bedeckt, teils offen sichtbar. Aus einem Massengrab ragt eine Hand empor. Hier sind Menschen verscharrt worden. Es sind Aufnahmen, die unsere Generation noch nie gesehen hat. Zum letzten Mal hat Europa in den in den 1940er-Jahren solche Bilder gesehen. Das Grauen blieb damals aber stark verborgen, weil die Aufnahmen der Fotografen nicht innert Sekunden um die Welt gingen. Heute ist das anders. Eine Flut von Meldungen erreicht uns fast im Minutentakt. Wie gehen wir damit um und was machen diese Bilder mit uns? Hier fehlen die Antworten vorerst. Das Entsetzen ist zu gross.

Die Frage, wie man damit umgehen soll

In einer Redaktion beschäftigt zudem die Frage, was kommunizieren wir von diesen Informationen und Bildern und wie tun wir das? Als landwirtschaftliche Fachzeitung steht im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg die Versorgungssicherheit im Vordergrund. Wir berichten dazu, mit welchen Einbussen weltweit zu rechnen ist und auch, was das für die Schweizer Landwirtschaft heisst. Dünger, Getreide, Saatgut, Treibstoff und Baumaterialien werden knapp oder zumindest sehr viel teurer. Das ist relevant für die Versorgung. Eine eiskalte Grafik zu erstellen und dabei aufzuzeigen, welche Preise steigen, ist keine Arbeit, die Freude bereitet. Hat man Minuten zuvor noch Bilder gesehen, welche das Grauen rund 2000 km von uns entfernt zeigen, macht es das Ganze noch viel schlimmer. Wir fragen uns zuweilen, welchen Sinn diese rationalen Beiträge überhaupt erfüllen, wenn Menschen in diesem Land einen solchen Tod erleiden müssen und davor womöglich noch erniedrigt werden.

Wie informieren wir? Welche Informationen und Bilder übermitteln wir? Und wie begleiten wir diese Informationen? Es sind Fragen, die sich Redaktionen immer wieder stellen müssen. Dabei stets den Weg zu finden, den alle Leserinnen und Leser unterschreiben würden, ist nicht möglich. So hat auch die Corona-Pandemie immer wieder dafür gesorgt, dass wir erboste Anrufe oder Schreiben erhielten, weil Beiträge für Unverständnis und Missmut sorgten.

Das «Warum» neben dem «Wie»

Letzte Woche passierte auf einem Luzerner Bauernhof ein tragischer Unfall. Ein 31-jähriger Landwirt fiel aus noch nicht geklärten Gründen in die Güllegrube. Sein 32-jähriger Bruder eilte ihm zu Hilfe und fiel ebenfalls in das Jaucheloch – beide Männer verstarben. Es ist schwer annehmbar, was da passiert ist – auch für uns bei der BauernZeitung. Einige unserer Redaktor(innen) haben die beiden gekannt oder kennen Familienmitglieder. «Ich kann es immer noch nicht fassen», sagte eine junge Redaktorin diese Woche. Verständlich. Neben dem für die beiden jungen Männer unnötigen «Wie», stellt sich uns Menschen in solchen Fällen sehr oft die Frage nach dem «Warum». Warum passiert so etwas? Warum werden zwei junge Menschen so jäh aus ihrem Leben gerissen? Wir können diese Fragen nicht beantworten.

Wie kommunizieren wir in einer landwirtschaftlichen Zeitung solche Unfälle? Schreiben wir eine Nachricht? Oder verfassen wir einen grösseren Beitrag? Lassen wir andere zu Wort kommen? Betroffene oder Fachleute? Das sind Fragen, mit denen wir unweigerlich nach so einem Unfall konfrontiert sind. Insbesondere dann, wenn das Ereignis an Tragik kaum zu überbieten ist, wie im Fall der beiden jungen Männer, suchen wir sehr intensiv nach der richtigen Form der Kommunikation. «Experten erklären die Gefahr von Güllenlöchern», titelte die «Luzerner Zeitung» auf ihrem Online-Portal kurz nach dem Unfall. Da sind noch andere, teils ähnliche Titel, wie «Schwefelwasserstoffgas ist ein Nervengift» oder «Gülle-Unfall in Oberkirch: Das sagt der Gemeindepräsident».

Informieren und die Würde der Betroffenen wahren

Wir sind betroffen. Wir sind traurig. Wir sind Teil dieser Branche. Und in wichtigen, teils langen Gesprächen, haben wir entschieden, dass wir auf Ratgeber, Befragungen und Bilder derzeit verzichten. Wir werden bei gegebener Zeit zum Unfall schreiben, dann vermutlich, wenn der genaue Tatbestand untersucht wurde.

Was kommunizieren wir und wie tun wir das? Welche Bilder und welche Texte sollen unsere Leser erreichen? Diese Entscheidungen sind nicht immer einfach zu treffen, gerade in diesen Wochen, die nicht hauptsächlich von Ärger, sondern vielmehr von fassungsloser Trauer begleitet sind. Zu informieren und die Würde der Betroffenen dabei nicht zu verletzen, ist eine schwere Aufgabe. Wir machen sie uns alles andere als leicht.