Die Karriere der Luzernerin Nicole Theiler verlief bis ins Jahr 2017 ganz klassisch. Die gelernte Bankkauffrau kletterte nach diversen Weiterbildungen bei einer Schweizer Grossbank die Karriereleiter hoch. Schlussendlich war sie als Mitglied der Geschäftsleitung zuständig für über 70 Mitarbeitende. Obwohl sie zufrieden war in ihrem gut bezahlten und verantwortungsvollen Job, entschied sie sich für eine kompletten beruflichen Neuanfang. Sie startete die Lehre als Winzerin. «Die Freude am handwerklichen Arbeiten und die Liebe zur Natur und zum Wein haben mich in den Rebberg gebracht», meint Theiler und lacht. So tauschte sie ihren Bankeranzug gegen Überhosen und betreut heute statt 70 Mitarbeitende rund 50 000 Rebstöcke.

Grosser Wissensdurst

Sie drückte mit 37 Jahren nochmals die Schulbank und packte ihren Rucksack voll mit Wissen über Pflanzenbau, Bodenbearbeitung, Mechanisierung, Weinbereitung und vielem mehr. Das abschliessende Lehrjahr absolvierte Nicole Theiler bei der Brunner Weinmanufaktur, welche nebst dem Rebberg in der Hitzkircher Kommende den grössten Teil ihrer Rebfläche auf dem Eichberg am Sempachersee bewirtschaftet.

Vom grossen Wissen ihres Ausbildners Mathias Brunner, Winzer und dipl. Ing. FH Oenologie, konnte sie sehr viel profitieren. Nach ihrem erfolgreichen Abschluss als Winzerin EFZ und ihrer Weiterbildung als Sommelière blieb Theiler der Brunner Weinmanufaktur treu und arbeitet seither als Winzerin im Rebberg, bei der Weinbereitung im Weinkeller und bei Degustationen tatkräftig mit. Der «Wümmet» steht schon bald bevor, wenn auch etwas später als in den vergangenen Jahren.

«Das laufende Jahr ist ein herausforderndes Jahr für den Weinbau», erzählt die Winzerin. Auch die Brunner Weinmanufaktur macht dieses Jahr wegen Frost, Hagel und dem Falschen Mehltau, bedingt durch den nassen Sommer, Einbussen beim Ertrag.

Wein mit Potenzial

Obwohl der Weinkonsum in der Schweiz rückläufig ist, sieht Theiler grosses Potenzial im Schweizer Wein. «Die Schweizer Produkte können im internationalen Vergleich sehr gut mithalten. Heute wird nicht mehr Masse, sondern Qualität produziert.» Insbesondere bei den Weissweinen sieht sie keinen Grund, auf ausländische Weine auszuweichen und dank des Klimawandels können inzwischen auch in der Zentralschweiz hervorragende Rotweine gekeltert werden.

«In der Zentralschweiz ist die Weinbautradition noch nicht so stark verankert wie beispielsweise im Wallis oder in der Bündner Herrschaft, wo Weinliebhaber praktisch nur die traditionellen Sorten nachfragen. Das bietet für unsere junge Weinbauregion Chancen. Die traditionellen europäischen Sorten werden im Sinne des naturnahen Weinbaus mittels Neuzüchtungen, den sogenannten pilzwiderstandsfähigen Sorten, ergänzt, welche weniger gespritzt werden müssen», führt Nicole Theiler aus.

Als Vorstandsmitglied des Zentralschweizer Weinbauvereins zeigt sie sich für die Branche optimistisch, denn es gibt bereits viele innovative Weinbauern in der Region.

Tipps für Weinliebhaber

Die Tipps der Winzerin sind simpel: «Ich empfehle stets einen Besuch direkt beim Winzer vor Ort. Dort kann man sich persönlich beraten lassen und sich einen Eindruck verschaffen, welcher Wein am besten zu einem passt. Um eine breite Palette der regionalen Weine kennenzulernen, ist ein Besuch am «Tag der Zentralschweizer Weine» im KKL in Luzern am 23. Oktober empfehlenswert, wo die Weinproduzenten eine Auswahl von über 100 regionalen Weinen vorstellen.»

Nicole Theiler hat ihre berufliche Neuorientierung nie bereut. Sie liebt und lebt ihren Beruf. «Die Natur gibt den Takt vor. Anders als in anderen Berufen kann ein Winzer nur einmal im Jahr etwas ausgestalten. Kein Jahrgang ist wiederholbar. Jedes Jahr ist eine einmalige Chance, das Beste aus den Trauben hervorzubringen».