Stefan Arnold hat eine Vorliebe für Margarine – aber nur als anschauliches Beispiel für eine gesellschaftliche Entwicklung. Denn «Margarine ist im Gegensatz zum Naturprodukt Butter chemisch hergestellt, ein industriell hergestelltes Streichfett», betont der Leiter Marketing von Swissmilk. Für ihn zeigt die Margarine aber, wie sich die Bedürfnisse von Konsumenten und damit der Markt verändern können. Das pflanzliche Produkt sei viele Jahrzehnte lang sehr beliebt gewesen und hatte einen Marktanteil von bis zu 40 Prozent. «Mittlerweile sind tierische  Fette im Allgemeinen und Butter quasi rehabilitiert und haben wieder rund 80 Prozent Marktanteile erreicht – Margarine somit 20 Prozent», erläutert Arnold. Im Boom veganer Produkte sieht der Marketing-Leiter entsprechend keine Bedrohung, sondern eine Marktentwicklung aufgrund veränderter Konsumentenbedürfnisse.

Die richtigen Begriffe nutzen

Eine Entwicklung, die Swissmilk allerdings genau beobachtet. «Wir sehen das nicht entspannt», stellt Stefan Arnold klar. Vielmehr sei man aufmerksam, etwa in der hauseigenen Marktforschung. Ein besonderes Augenmerk legt die Basismarketing-Organisation dabei auf die korrekte Kennzeichnung pflanzlicher Produkte (siehe Kasten). Es gehe darum, Konsumententäuschungen zu verhindern und dass formelles Recht beachtet werde. «Milch, Käse und Butter sind geschützte Begriffe und deren Schutz ist Teil unserer Aufgabe», so Arnold. Wenn nötig geht Swissmilk in Zusammenarbeit mit Switzerland Cheese Marketing und der Branchenorganisation Butter auch rechtlich vor. Ausserdem legt man Wert darauf, nicht von Alternativen zu tierischen Produkten, sondern von pflanzlichen Imitaten zu sprechen. «Ernährungstechnisch sind sie nicht vergleichbar und damit auch kein Ersatz», erklärt Arnold. Von den Herstellern werde das «aus strategischen Gründen» aber gerne so dargestellt.

 

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Das sagt das Gesetz

Als Reaktion auf die steigende Zahl veganer Produkte auf dem Markt hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) 2020 in einem Informationsschreiben dargelegt, wie die gesetzliche Grundlage zur korrekten Bezeichnung auszulegen sei. Ziel ist dabei, eine Täuschung des Konsumenten zu verhindern – pflanzliche Produkte müssen von tierischen Originalen zweifelsfrei unterscheidbar sein.

Folgendes ist erlaubt:

  • Phonetische Begriffe, sofern sie nicht als Tippfehler interpretiert werden könnten (z. B. Veganaise, aber nicht Mylk oder Vromage).
  • Beschreibende Hinweise (zu verwenden wie / vegane Alternative zu / veganer XY-Ersatz)
  • Beschreibende Sachbezeichnungen (Streichpaste)

Hingegen sind umschreibende Sachbezeichnungen (vegane Milch), die Nennung einer Tierart, geschützte Bezeichnungen (Gruyère), Produktenamen (Tilsiter) oder allzu ähnliche Fantasie-Begriffe (Cheesi, Veta) auf der Verpackung veganer Produkte nicht erlaubt.

 

Der grüne Teppich hilft bei der Kommunikation 

Dass vegane Produkte beliebter werden, ist für Stefan Arnold auch keineswegs ein Beweis für eine gescheiterte Kommunikations-Strategie der Milch- und Fleischbranche. «Die Konsumentenbedürfnisse müssen befriedigt werden. Die Milchbranche meistert diese Aufgabe seit Jahrhunderten brillant mit einer riesigen Produktevielfalt an Schweizer Milchprodukten», meint er nicht ohne Stolz in der Stimme. Schliesslich ist der Pro-Kopf-Konsum von Milch- und Milchprodukten in der Schweiz sehr stabil, ja im letzten Jahr gar gestiegen. Der Konsum und damit der Markt verändere sich aber und werde das auch in Zukunft tun – wie beim Margarine-Beispiel. «Der Veganismus-Boom mit Produkten im Schweizer Detailhandel ist gerade mal gute fünf Jahre alt», gibt Arnold zu bedenken. Ausserdem bleibt der Markt nicht statisch. So hat z. B. Mandeldrink gemäss dem Swissmilk-Marketing-Leiter in den letzten Jahren auch aus Überlegungen der Nachhaltigkeit wieder an Beliebtheit eingebüsst, da die weltweiten Mandelproduktionssysteme hinterfragt werden. Da Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema für Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten ist, wird sie bei der Milch-Werbung betont. Hierbei helfe auch der Branchenstandard nachhaltige Schweizer Milch, der «grüne Teppich», dank dem z. B. klar kommuniziert werden könne, dass die Schweizer Milchproduzentinnen und Milchproduzenten nachhaltig produzieren.

Milchproduzenten können auch profitieren

Seit Kurzem mischen mit Elsa und Emmi auch Milchverarbeiter im veganen Geschäft mit und haben ihre eigenen rein pflanzlichen Produkte lanciert. «Wenn dabei die Schweizer Landwirtschaft profitieren kann, wie etwa dank einheimischem Hafer in der Emmi-Beleaf-Linie, ist das gut», findet Stefan Arnold. Klar sei aber, dass Emmi und Elsa Milchverarbeiter bleiben. Wenn Produktionsanlagen dank veganen Linien besser ausgelastet werden können, sieht er darin sogar eine Chance, dass auch die Milchproduzenten davon profitieren: «Die Verarbeiter und der Schweizer Standort werden gestärkt sowie Arbeitsplätze gesichert, was letztlich auch den Milchbauern zugutekommt.»

Ausserdem sei die Kommunikation für Swissmilk einfacher, da der Draht zu Emmi oder Elsa bereits bestehe. Und «hier wurde bei der Bezeichnung von veganen Produkten von Anfang an alles richtig gemacht», lobt Arnold.

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Schweizer Milch wird nachhaltig produziert, so eine der Botschaften von Swissmilk. Produzentinnen und Produzenten seien die glaubwürdigsten Werbeträger, findet Stefan Arnold. (Bild BauZ)

Swissmilk bewirbt und schützt das Original

Milch ist in der Schweiz mit Traditionen und positiven Werten verbunden. Auch wenn heute durch veränderte Gewohnheiten nicht mehr überall ein Glas Milch für den Nachwuchs auf dem Frühstückstisch kommt, so gilt das weisse Gold doch bei den meisten als gesund. Nicht zuletzt dank der Arbeit von Swissmilk, die sowohl für Ernährungsberater als auch Schulen oder Kitas passendes Infomaterial zur Verfügung stellt, auf Social-Media-Kanälen aktiv und an Openairs genauso wie an Schulen oder mit Werbung im Fernsehen, Zeitung und Plakaten im Alltag präsent ist.

Auch deshalb ist es für das Milch-Marketing wichtig, dass pflanzliche Produkte eindeutig anders benannt werden. So lasse sich verhindern, dass auf der positiven Welle des «Originals» – der Milch – mitgesurft wird.

Braucht es das Basismarketing?

Der grösste Teil der Finanzen des Verbands Schweizer Milchproduzenten SMP fliesst zu Swissmilk. Hinzukommen rund sieben bis acht Millionen Franken Bundesgelder im Rahmen der Absatzförderung. Um diese Gelder aus der Bundeskasse zu bekommen, muss die Basismarketing-Organisation die Korrektheit und die Wirksamkeit ihrer Arbeit nachweisen. Die Milchwirtschaft ist für die Schweizer Landwirtschaft zentral – aber braucht es all diese Werbung? 

 

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Stefan Arnold ist Marketing-Leiter bei Swissmilk.
(Bild SMP)

 

 

«Ja», ist Stefan Arnold überzeugt und gibt ein Beispiel: «Wer würde etwa über den richtigen Umgang mit Laktoseintoleranz informieren?» Ein Verarbeiter würde das allenfalls im Rahmen einer spezifischen Produktewerbung machen.» Auch im Ausland gebe es in vielen Ländern diese Basismarketing-Organisationen. In Deutschland sei in diesem Jahr wieder eine für Milch eingeführt worden, um eben genau die Mehrwerte der Milch zu kommunizieren.

 

Junge und Flexitarier im Fokus

«Wir werben für ein Grundnahrungsmittel, nicht für eine Marke oder einzelnes Produkt», betont Stefan Arnold. Damit fülle man dieselbe Lücke, wie die Basismarketing-Organisationen anderer Branchen, wie etwa Swissfruit, Swisspatat oder Proviande. Eine wichtige Zielgruppe von Swissmilk seien Jugendliche und Familien, denn «einem 70-Jährigen muss man nicht erklären, dass Milch ein gesundes Lebensmittel ist», wie der Marketing-Leiter sagt. Bei der jüngeren Generation sei dieses Bewusstsein teilweise verloren gegangen und ausserdem die Konkurrenz beispielsweise in Form von Süssgetränken gross. Hier geht es laut Arnold darum, Gesundheitsaspekte und die Unterschiede zu importierten Produkten oder auch  Softdrinks zu erklären. «Das entspricht auch der Botschaft des Bundes: In der Schweizer Lebensmittelpyramide werden für eine gesunde, ausgewogene Ernährung drei Portionen Milch oder Milchprodukte empfohlen.»

Werte, Wertigkeit, Gesundheit – und Genuss

Neben jungen Leuten wendet sich Swissmilk verstärkt an Flexitarier, die «etwas Neues ausprobieren möchten, bewusst auch auf die Gesundheit achten und weniger Fleisch konsumieren», wie Arnold die Gruppe umreisst. Das sei die grosse Masse der Konsumenten, nicht die ein bis zwei Prozent konsequenten Schweizer Veganer. Die Hauptbotschaften der Basismarketing-Organisation sind deshalb: Die Werte und die Wertigkeit von Milch und allem was dazu gehört. Das heisst Tierwohl, sinnvolle Nutzung des Grünlands, nachhaltige Produktion und Schweizer Traditionen. Das Thema Gesundheit von Milchprodukten kommuniziere man immer explizit ebenfalls mit. «Milch ist ein Lebensmittel und essen bedeutet auch Freude», fügt Stefan Arnold hinzu. Mit ihrer umfangreichen Rezeptdatenbank betont Swissmilk daher auch stark den Genuss. «Denken Sie nur an all die verschiedenen Käsesorten und all die feinen Variationen, diese zu geniessen, oder ein traditionelles Fondue», meint Stefan Arnold schwärmerisch. Diese Aspekte gelte es, hochleben zu lassen.

Die glaubwürdigste Werbung sind Produzenten 

Am glaubwürdigsten und wertvollsten seien aber immer noch Produzentinnen und Produzenten. «Einem kritischen Konsumenten würde ich empfehlen, mit einem Milchbauer ins Gespräch zu kommen, zu fragen, ob er einmal in den Stall kommen dürfe.» Da könne sich der- oder diejenige selbst davon überzeugen, wie gut zu den Tieren geschaut werde. «Das ist das Schöne an der standortgerechten Produktion in der Schweiz», meint der Marketing-Leiter. Swissmilk unterstützt die Kommunikation auf dem Hof und auch den Direktverkauf z. B. bei der Stallvisite oder auch über eigene Webseite «vom Milchbuur» mit rund 400 Adressen von Milchbetrieben.