Mit 34 Kühen haben Irmgard und Urs Kneubühler im letzten Jahr 75 Natura-Veal-Kälber aufgezogen. Das durchschnittliche Schlachtgewicht lag bei 126 kg und die Fleischabdeckung wurde mehrheitlich mit einem H klassiert. Urs Kneubühler ist überzeugt von seiner intensiveren Variante der Mutterkuhhaltung, gleichzeitig betont er: «Die Strategie muss auf den Standort des Betriebes und die Betriebsleitenden abgestimmt sein, sonst funktioniert es weniger.» Als entscheidende Faktoren nennt der Landwirt die Kühe und die Futtergrundlage.
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35 Grauviehkühe importiert
Bis vor 15 Jahren wurden auf dem Betrieb im hügeligen Napfgebiet Milchkühe in einem Anbindestall gehalten. Als 2009 das Label Natura-Veal startete, wechselten Kneubühlers ihren gesamten Milchviehbestand aus und importierten 35 Tiroler Grauvieh. Diese Kühe sind leicht und weidetauglich, gutmütig und ruhig. Wichtige Eigenschaften für die Mutterkuhhaltung mit Zusatzkälbern. Entscheidend sei auch die Milchgewinnung aus dem kostengünstigen Grundfutter, erklärt Urs Kneubühler. «Bei dieser Kuhrasse stimmen die Milchmenge, der Charakter und die Fleischabdeckung der Kälber.»
Mit der Herde läuft ein achtjähriger Limousin-Stier. Aus der Kreuzung Grauvieh mal Limousin ergeben sich ideale Kälber für die Natura-Veal-Produktion.
Aufzucht aus dem Ausland
Aufzuchtrinder werden über die Vianco aus dem Tirol importiert, eine betriebseigene Aufzucht wäre nicht möglich und würde auch nicht rentieren, erläutert der Landwirt. Doch in der Herde findet man nur wenige Erstmelkkühe. Langlebigkeit ist den Kneubühlers wichtig, durchschnittlich sechs Laktationen bleiben die Mutterkühe auf dem Betrieb.
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Mehrere Kälber ernähren
Will man Mutterkühen Zusatzkälber anhängen und mit diesen eine gute Schlachtkörperqualität erreichen, sei die Milch-menge der entscheidende Faktor, erklärt Urs Kneubühler sein Erfolgsrezept. «Aus der guten Futtergrundlage des Betriebes produzieren unsere Kühe genügend Milch, um mehrere Kälber ernähren zu können.» Das Trockenstellen der Mutterkühe nach dem ersten Kalb mit 5,5 Monaten würde schlicht zur Verfettung führen.
«Das nützt nichts»
Der Betrieb liegt auf einer Meereshöhe von 750 m. Hier wächst nahrhaftes Raigras, angebaut werden acht Hektaren Kunstwiese. Das Zufüttern von eigener Maissilage hatte Urs Kneubühler während zwei Jahren ausprobiert: «Doch das nützte nichts. Die Kälber haben den Mais nicht gefressen und die Kühe haben ihn in Fett anstatt Milch umgesetzt.» Während der Wintermonate besteht die Fütterung der Grauviehherde aus einer TMR mit Hauptkomponente Grassilage, Heu, Stroh und etwas Zuckerrübenschnitzeln. Während der Vegetationsperiode weiden die Tiere zwölf Stunden täglich und holen sich ihr Futter dort. Morgens und abends gibt es wenig Heu, um die Kühe ans Fressgitter zu locken. Dadurch wird die Tierkontrolle vereinfacht und die Kälber können in Ruhe saugen. Im Kälberschlupf wird den jungen Tieren Heu ad libitum, Mineralstoffe, Pflanzenkohle und Kälberaufzuchtfutter angeboten. Pro Kalb werden insgesamt zwischen 30 und 50 kg Aufzuchtfutter eingesetzt.
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Separierte Herden
Urs Kneubühler erklärt das Prinzip hinter seinen separaten Gruppierungen. Ein durchdachtes Herdenmanagement ist nötig, um mehr als zwei Kälber pro Mutterkuh und Jahr erfolgreich abzusetzen. Zusatzkälber, die frisch auf den Betrieb kommen, werden hier im zweiten Stall untergebracht. Aufgezogen werden sie von sechs bis sieben Kühen, deren eigene Kälber bereits abgesetzt wurden. Urs Kneubühler legt Wert darauf, dass in der Gruppe immer etwa zwei Kälber mehr als Kühe sind. «Damit erreichen wir, dass die Kühe gut ausgemolken werden und können Euterproblemen vorbeugen.»
Hoher Arbeitsaufwand
Aufgrund der räumlichen Distanz zwischen der Hauptherde und der zweiten Gruppe werden kaum Krankheiten übertragen, es erhöht aber den Arbeitsaufwand. So braucht es neben zwei unterschiedlichen Stallungen auch zwei Weidekoppeln mit genügend Abstand, damit die Quarantäne wirksam ist. Um die Gesundheit der Kälber sicherzustellen, wird den Mutterkühen vor dem Abkalben eine Mutterschutzimpfung verabreicht und alle Kälber auf dem Betrieb werden gegen Kälbergrippe geimpft.
Sehr grossen Wert legen Kneubühlers auf die Kolostrumgabe der eigenen Kälber. «Nach der Geburt muss das Kalb so schnell als möglich seine Biestmilch bekommen – das ist entscheidend», betont der Betriebsleiter. Wenn möglich bleiben Mutterkuh und Kalb etwa sieben Tage in einer der separaten Abkalbebucht mit Blickkontakt zur Hauptherde.
Fremde Kälber ansetzen
Kneubühlers stallen nur gesunde weibliche Zusatzkälber mit einem Fleischrasseanteil von mindestens 50 % ein, idealerweise etwa sechs Wochen alt und um die 80 kg schwer. Unter diesen Bedingungen ist es realistisch, die Kälber mit der Milchmenge der Grauviehkühe zu einem Natura-Veal guter Klassierung aufzuziehen. Das erstmalige Ansetzen der fremden Kälber verläuft in der Regel unspektakulär.
Urs Kneubühler rät: «Es ist vor allem wichtig, dass die Kälber richtig hungrig sind. Solange sie nicht aus Hunger muhen, helfe ich ihnen nicht.» Erstaunlicherweise lernen die Kälber – welche meistens mit Kesseln gefüttert wurden – sehr schnell, dass sie ihre Nahrung nun ab Euter bekommen. Die Bäuerin ergänzt, dass sie grossen Wert auf die Beobachtung legen und den Stall nicht verlassen, bevor alle Kälber abends gesoffen haben. Sie beschreibt ihren Mann als sehr geduldig und ruhig im Umgang mit den Tieren: «Das ist fast genauso wichtig wie die Kuhrassen und die Futterqualität.»
Wenn die Zusatzkälber mindestens vier Wochen auf dem Betrieb waren und gesund sind, werden sie in die Hauptherde umgestallt. Hier «rauben» sie sich die Milch von unterschiedlichen Muttertieren.
Nicht weniger, aber flexibler
Durch die standortgerechte Intensivierung wird das Optimum aus der Futtergrundlage und den Tieren herausgeholt. Gleichzeitig garantiert die Mutterkuhhaltung eine naturnahe Kälberaufzucht und erfüllt die Bedürfnisse des Marktes nach hohem Tierwohl und einwandfreier Fleischqualität.
Für das Betriebsleiterpaar bedeutet die Aufzucht der Zusatzkälber ein gesteigertes Einkommen, eine verbesserte Liquidität während des Jahres. Jedoch: «Unsere Stallzeit ist nicht tiefer als damals im Milchviehstall. Doch wir sind flexibler», betont Urs Kneubühler und seine Frau ergänzt: «Die Beobachtung ist aufwendig, doch sie zahlt sich aus. Und wir haben Freude an unserer Arbeit und unseren Tieren, das ist das Wichtigste.»
Betriebsspiegel Kneubühler
Irmgard und Urs Kneubühler
Ort: Ufhusen, ÖLN, 750 m ü. M. in Bergzone I
Ackerfläche: 25 ha, bestehend aus 8 ha Kunstwiese, 6 ha Acker (Raps, Triticale, Urdinkel, Gerste)
Viehbestand: 34 Mutterkühe und 1 Stier, 160 Mastschweine