«Die extremen Agrar-Initiativen haben gravierende Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft: Sie gefährden die Existenz von Produzenten schweizweit und schaden dem verarbeitenden Gewerbe sowie Konsumenten massiv»: Hannes Germann fand klare Worte. Der Schaffhauser SVP-Ständerat ist Präsident des Verbands Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP). Germann gehört zu den Vertretern einer breiten Allianz von Verbänden aus der gesamten Wertschöpfungskette, die am  Donnerstagmorgen den Abstimmungskampf gegen die beiden Pflanzenschutz-Initiativen lancierten.

«Breite Betroffenheit»

«Aufgrund der breiten Betroffenheit» setzen sich der VSGP, der Schweizer Obstverband (SOV), Jardin Suisse und die Swiss Convenience Food Association (SCFA) gemeinsam für ein doppeltes Nein ein. Sie haben sich dafür in der Interessengemeinschaft (IG) Zukunft Pflanzenschutz organisiert. Die Kampagne wird unterstützt vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, dem Schweizer Konsumentenforum (KF), der Schweizerischen Vereinigung für einen starken Agrar- und Lebensmittelsektor (Sals) sowie dem Schweizerischen Verband für die Nachhaltige Entwicklung im Weinbau (Vitiswiss).

 

Weniger Regionales

Die Vertreter der IG Zukunft Pflanzenschutz argumentieren:

  • Da Produzenten ihre Kulturen ohne PSM nicht mehr gegen Krankheiten und Schädlinge schützen könnten, würde das Angebot an regionalen Produkten sinken.
  • Inländische Lebensmittel würden sich stark verteuern.
  • Food Waste und Einkaufstourismus würden zunehmen.
  • Landwirte, Konsumentinnen, Schweizer Lebensmittelproduzenten und -Verarbeiter, Gewerbe, Gastronomie und KMU würden den Schaden tragen.
  • Darüber hinaus schwächten die Initiativen den Innovations- und Forschungsstandort Schweiz.

«Natürlich braucht es Zeit»

Die Initiativen seien nicht nur «schädlich, sondern auch unnötig», sagte Hannes Germann. Die Politik habe wirksame Massnahmen entwickelt und seit Jahren arbeiteten die Verbände an einem nachhaltigeren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM). «Natürlich braucht es Zeit, Jahre oft, bis sich die Resultate auch im Grundwasser messen lassen», so der Ständerat. «Ein vollständiger Verzicht auf Pflanzenschutzmittel ist heute gemäss Bundesrat weder in der integrierten noch in der biologischen Produktion möglich», hielt er fest. Deshalb lehnten Bundesrat und Nationalrat beide Initiativen ja auch ohne Gegenvorschlag ab. Der Einsatz von PSM sei in der konventionellen Produktion in den letzten zehn Jahren um rund 40 Prozent gesunken, der Gebrauch von Herbiziden sogar um 45 Prozent. Mit dem Aktionsplan Pflanzenschutzmittel, der 2017 vom Bundesrat verabschiedet wurde, «wird der Verbrauch zusätzlich abnehmen».

Höhere Lebensmittelpreise

Für Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder schiessen beide Initiativen «weit übers Ziel hinaus: Mehr Nachhaltigkeit erreichen wir nicht mit brachialen Verboten und Vorgaben, sondern mit Innovationen und gesundem Menschenverstand».

In die gleiche Bresche schlug Bruno Witschi, Präsident der SCFA, der vor allem über die Pestizidverbots-Initiative sprach: Die Qualität des Angebots werde sinken und die Verknappung lasse die Preise für Schweizer Nahrungsmittelverarbeiter und –hersteller explodieren. Ein Pestizidverbot, das auch Biozide zur Reinigung umfasse, würde zu Problemen bei der Hygiene in Ställen und Produktionsanlagen führen.

Die Anliegen der Initiativen seien legitim, sagte KF-Präsidentin Babette Sigg: «Sauberes Trinkwasser ist für uns Konsumenten lebenswichtig.» Fakt sei aber: Im internationalen Vergleich sei das Schweizer Trinkwasser hervorragend. Bei einer Annahme der Initiativen würden Lebensmittel rund 50 % teurer. Konsumenten mit knappem Budget könnten sich keine regionalen Produkte mehr leisten und müssten auf ausländische Produkte ausweichen, schlug sie Alarm.

 

Zwei Initiativen, zwei Wege

Die Trinkwasserinitiative des Vereins «Sauberes Wasser für alle» fordert eine Versorgung der Menschen im Land mit gesunden Lebensmitteln und sauberem Trinkwasser. Subventionen sollen nur noch Bauern erhalten, die auf Pestizide, vorbeugend oder systematisch verabreichte Antibiotika und zugekauftes Futter verzichten.

Auch die landwirtschaftliche Forschung, Beratung und Ausbildung soll nur unter diesen Bedingungen Geld vom Bund erhalten. Für die Umsetzung der Verfassungsbestimmung würden acht Jahre Zeit eingeräumt.

Hinter der Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» steht ein Komitee von Bürgerinnen und Bürgern. Sie fordern ein Verbot synthetischer Pestizide in der landwirtschaftlichen Produktion, in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und in der Boden- und Landschaftspflege.

Verboten werden soll auch der Import von Lebensmitteln, die mit synthetischen Pestiziden hergestellt wurden oder die solche enthalten. Die Durchführungsvorschriften müssten innerhalb von zehn Jahren in Kraft treten.

sda