«Heu & Herz» nennt sich der Bio-Hof von Nicole und Adrian Winteler. Das Paar, beide 29 Jahre jung, bewirtschaftet zusammen den Hof im Gebiet Mullern oberhalb von Mollis GL. Dort, auf 1200 m ü. M, halten sie nebst Legehennen, Wollschweinen und Mutterkühen auch 70 Bronze-Truten. Es ist eine extensive, langsam wachsende Mastrasse, die robuster und vitaler ist als andere Rassen.

Beim Besuch der BauernZeitung strecken sie neugierig ihre Köpfe, alle in einem anderen Farbton – von leuchtend rot bis rosa über hellblau bis tiefblau. Besonders die Männchen sind Spezialisten darin, die Farbe der Kopfhaut zu wechseln - je nach Erregungs- oder Gemütszustand.

Ein besonderes Hochzeitsgeschenk

«Die Truten entstanden aus einer Schnapsidee», sagt Nicole Winteler und lacht. Ein Freund des Ehepaars versprach, ihnen Truten zu schenken, sollten sie heiraten - die ersten fünf Truten tauchten dann tatsächlich nach der Hochzeit in ihrem Garten auf. Sie schlachteten sie zunächst selbst. «Das Fleisch schmeckte uns so gut und wir fanden: Das machen wir wieder!». So haben Wintelers ein Jahr darauf gar 40 Truten gekauft und vermarktet. 

Das Angebot stiess auf Anklang. «Das Fleisch ist eiweissreich, fettarm, zart und schnell zubereitet, was genau dem heutigen Trend entspricht», sagt Nicole Winteler. Zudem seien die Kunden bestrebt, zu wissen, woher das Fleisch kommt. Im Jahr 2020 erhöhten Wintelers auf 60 Truten, letztes und dieses Jahr hatten sie 70 Stück. Doch nun sei es genug. «Wir wollen die Bio-Suisse Standards gut erfüllen und nicht ans Limit gehen», sagt Nicole Winteler.

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Die sechs Wochen alten Truten werden zwischen Anfang und Mitte Mai auf den Betrieb geliefert, wenn der Frühling auf 1200 m ü.M. Einzug gehalten hat. Wintelers beziehen die Küken von der einzigen Bio-Truten-Brüterei der Schweiz, dem Betrieb von Bruno und Marlene Schweizer im st.-gallischen Brunnadern. Die Männchen bleiben 22 Wochen auf dem Hof, bis sie geschlachtet werden. Die Weibchen müssen zwei Wochen früher zum Metzger, bevor sie beginnen, Eier zu legen, denn ab diesem Zeitpunkt werden sie von den Männchen begattet. Da diese aber ziemlich schwer sind, kann es zu Verletzungen kommen - ein Risiko, dass das Betriebsleiterpaar nicht eingehen will.

Beschäftigung ist wichtig

Im grossen Gehege vor dem Stall geniessen die Truten täglich Auslauf. In der Nacht bleiben sie drinnen. Die Gefahr, dass Fuchs und Co. zu Besuch kommen, ist zu hoch. Im Aussengehege sind zahlreiche kleine Ahorn- und Haselzweige in den Boden gesteckt. Sie dienen als Beschäftigung. Dass sich die neugierigen Tiere beschäftigen können, sei wichtig, so Adrian Winteler.

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Die Bronze-Truten nehmen nicht nur langsam Fleisch an, sondern sind auch sonst gemächliche Zeitgenossinnen. Sollen sie am Abend oder bei schlechtem Wetter in den Stall zurück, ist nämlich Geduld gefragt: «Pressieren ist nicht ihr Ding», sagt Adrian Winteler. So sei ein ruhiger Umgang mit ihnen unabdingbar. Wichtig sei ausserdem, dass sie regelmässig hinaus können und genug Licht haben, auch im Stall. Schatten sei aber genauso wichtig.

Trute oder Pute?

Truten und Puten sind ein und dasselbe. In Deutschland verwendet man das Wort Pute anstelle von Trute. Die Trute, auch genannt Haustruthuhn, ist die domestizierte Form des Truthuhns.

Als Beschäftigungsmöglichkeit haben Wintelers im Aussengehege nebst den eingesteckten Ästen im Auslauf auch zwei zusammengeschraubte Paletten als Unterstand aufgestellt. Im Stall selber stehen Strohballen und eine Heuraufe sowie Hockeybälle zur Verfügung. Ausserdem braucht es im Stall Sitzstangen und ganz wichtig: ein Sandbad. Wie anderes Geflügel reinigen so die Truten ihr Gefieder.

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Direktvermarkter vs. Discounter

Das Bio-Fleisch der siebzig Truten vermarkten Wintelers selbst. Der Zeitpunkt der Schlachtung legen sie dabei nicht zufällig auf Mitte/Ende August. Dann nämlich sind die Sommerferien vorbei, die Leute wieder zuhause, aber der Grill noch nicht versorgt. Die Kundinnen und Kunden müssen das Fleisch vorbestellen. Das Ziel sei, bis zur Schlachtung alles verkauft zu haben, sodass nichts eingefroren werden muss, sagt Nicole Winteler.

Bio-Truten: Eine Nische in der Nische

Die Trutenmast erreichte laut Bundesamt für Statistik 1997 den Höchststand mit 184 000 Tieren. Besonders ab 2006 ging sie zurück, weil eingrosser Schlachtbetrieb die Schlachtung und Verarbeitung einstellte. 2008 gab es noch 54 000 Truten in der Schweiz. Seither steigt die Zahl wieder: 2019 mästeten 193 Betriebe rund 75 000 Truten.

Die Frifag im thurgauischen Märwil produziert laut Schweizer Geflügelproduzenten (SGP) das meiste Schweizer Trutenfleisch, nämlich ungefähr 92 %. Laut Andi Schmal, Geschäftsleiter der Frifag, ist die Nachfrage in diesem Nischenmarkt relativ gut. Der Leader sei und bleibe das Brustfleisch. Aber das Verarbeitungsfleisch sei in den letzten Jahren stärker nachgefragt worden. Die Firma bezieht ihr IP-Trutenfleisch von 28 Betrieben, RAUS-Haltung ist dabei Pflicht.

Schweizer Biotrutenfleisch ist eine Nische in der Nische, die komplett von Direktvermarktern abgedeckt wird.

Die Truten werden an zwei Terminen, einem für die Weibchen und einem für die Männchen geschlachtet. Dafür bringen sie die Truten nach Grabs SG zum biozertifizierten Metzger Fleisch-Reich. Nachdem das Fleisch verpackt und bereitgestellt ist, verkaufen es Wintelers mit dem Kühlanhänger an vorher bestimmten Daten in Altnau TG, Wil SG und Mollis GL. Im Angebot sind entweder ganze Truten für ein Festmahl, zum Beispiel für Weihnachten oder Silvester, oder Mischpakete. Wer eine ganze Trute bestellt, bekommt ein weibliches Tier, denn diese sind kleiner und passen in den Standard-Backofen. Männchen und Weibchen schmecken aber gleich, wissen Nicole und Adrian Winteler aus eigener Erfahrung. Oder gleich gut, sollte man vielleicht sagen, denn die Rückmeldungen der Kundinnen und Kunden sind positiv.

Der Geschmack unterscheide sich stark zu dem von Trutenfleisch aus dem Discounter. Das hören Wintelers regelmässig von ihren Kunden. Dabei sei der Faktor Zeit entscheidend, weil sie langsam wachsen und somit eine bessere Fleischqualität haben, sind Nicole und Adrian Winteler überzeugt.  Und das Fleisch ist beliebt. Kunden kommen aus einem grossen Einzugsbebiet bis nach Mollis, um sich das Trutenfleisch vom Bio-Hof zu sichern. Aus der Linth-Ebene, Zürich, der Vierwaldstädtersee-Region bis aus dem Graubünden reisen sie fürs Trutenfleisch nach Mollis. «Ein Kompliment für uns! Wirklich schön!», freut sich Nicole Winteler.

Noch nie den Tierarzt gebraucht

Die robuste, extensive Rasse hat sich bei den Wintelers nicht nur in der Direktvermarktung, sondern auch in der Haltung bewährt. Den Tierarzt haben sie bis jetzt noch nie gebraucht. Als Futter bekommen die Tiere sogenanntes «Truten-Crumble». Das ist nicht Mehl, wie es auch gekauft werden kann, sondern Körner, die relativ grob zusammengepresst sind. Mit Mehl haben Wintelers die Erfahrung gemacht, dass es nicht schön gefressen, sondern eher aus dem Futterspender geworfen wird.[IMG 3]

Die Truten auf dem Hof der Wintelers sind ziemlich zutraulich, was dem Betriebsleiterpaar auch wichtig ist - doch das braucht seine Zeit. Nicole Winteler schätzt den täglichen Arbeitsaufwand auf etwa eine halbe Stunde. Besonders am Anfang seien die Truten aber sehr scheu und es brauche auch mal bis zu einer Stunde für die tägliche Betreuung. Diese besteht aus rauslassen, Herde beobachten, Gesundheitskontrolle, Männchen und Weibchen auszählen, Futterautomat kontrollieren und auffüllen, misten und frische Äste einstecken.

«Schön, wenn man eine zufriedene Kundschaft hat»

Nebst der Tierhaltung haben Nicole und Adrian Winteler auch agrotouristische Angebote, die sie vielleicht in Zukunft noch weiter ausbauen möchten. Auch die Direktvermarktung wollen sie weiter verfolgen. «Das schätzen die Leute und für uns ist es wichtig», sagt Adrian Winteler. Auch ein Teil des Rindfleisches vermarkten sie direkt. «Es ist Arbeit, die man nicht unterschätzen darf, aber es ist schön, wenn man eine zufriedene Kundschaft hat», sagt er.