Wer planen will, muss seine Zahlen kennen. So wie wir uns beim Heuen auf die Wetterprognose verlassen, müssen wir im Futterbau viele weitere Voraussagen treffen: 

Ab wann soll das Entwicklungsstadium der Mähwiese genau verfolgt werden, um die Erntereife zu bestimmen? Wie lange soll das Futter angewelkt werden? Für wie viele Tage reicht das Weidefutter? Je genauer die Kenntnisse des Standortes und des Jahresverlaufs sind, desto präziser können Entscheidungen gefällt werden. 

Die AGFF initiiert in diesem Frühjahr das Pilotprojekt «Gras-Messnetzwerk» für die Schweiz. Zu Beginn liefern sechs Praxisbetriebe und Agroscope zweiwöchentlich Daten zum Graswachstum. Diese Zahlen bilden eine Grundlage des heute erstmals erscheinenden Graswachstumsberichts in der BauernZeitung.

Inspiriert von Irland

Das regelmässige Grasmessen sowie das Buchführen darüber gehört in Irland mittlerweile zur guten landwirtschaftlichen Praxis. Intensive Milchviehbetriebe müssen seit einigen Jahren sogar eine gewisse Anzahl Grasmessungen vorweisen, wenn sie weiterhin grössere Mengen Stickstoffdünger auf ihren Wiesen ausbringen wollen. 

Die Daten zum Graswachstum werden anschliessend in Echtzeit aufbereitet und auch via Internet bekannt gemacht. Wöchentlich wird zudem ein Newsletter mit nützlichen Tipps und Betriebsporträts versendet. Dahinter steckt jedoch jahrzehntelange Vorarbeit – in der Schweiz stehen wir noch weiter vorne im Prozess.

Schweizer Pilotprojekt «Gras-Messnetzwerk»

Das dieses Frühjahr gestartete Gras-Messnetzwerk bezieht seine Daten aus folgenden Quellen: [IMG 2]

Agroscope: Die Forschungsanstalt misst an den beiden Standorten Posieux und Sorens im Kanton Freiburg seit 22 Jahren das exakte Graswachstum nach der Methode von Corral and Fenlon. Probeflächen werden hierzu alle 14 Tage alternierend auf eine Standardhöhe gemäht und daraus der Zuwachs über vier Wochen berechnet (hier).

Praxisbetriebe: Die Praxisbetriebe messen für ihr Weidemanagement wöchentlich die Grashöhen ihrer Koppeln mit einem Platten-Herbometer (Rising Plate Meter). Die komprimierte Grashöhe ­multipliziert mit der Futterdichte ergibt die vorhandene Futtermenge (siehe Kasten «Funktion Platten-Herbometer»). Aus der Differenz zur Vorwoche lässt sich das Graswachstum in kg TS pro Hektar pro Tag berechnen.

 


Funktionsweise Platten-Herbometer

Das Platten-Herbometer ist eine weltweit verbreitete Methode, um die vorhandene Futtermenge zu messen. Für jede Messung wird der gerillte Messstab auf den Erdboden gestellt. Die genormte Platte drückt das Gras etwas zusammen, wird aber schliesslich von den Pflanzen getragen. Der Rillenabstand misst 5 mm, so dass eine Herbometereinheit 5 mm komprimierter Grashöhe entspricht. 

Aus den Herbometer­einheiten kann mit den Angaben aus der Tabelle «Optimale Stoppelhöhe und Futterdichte» die Futtermenge berechnet werden:

Verfügbare Höhe = gemessene Höhe – optimale Stoppelhöhe

Vorhandene Futtermenge = verfügbare Höhe × Futterdichte

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Grasmessen der Zukunft 

Grasmessgeräte mit Internetverbindung und entsprechende Computerprogramme machen es heute so einfach wie nie, Zahlen zum Graswachstum und -vorrat zu erheben. Der Betriebsleiter kann sich beim Messen ganz der Beobachtung von Wiesen und Tieren zuwenden und im Anschluss an den Betriebsrundgang die Zahlen am Bildschirm auswerten. Die Computerprogramme müssen aber für die vorhandenen Bestandestypen gut kalibriert sein.

Artikelserie Graswachstum

Zu Beginn dieser Artikelserie werden die Graswachstumszahlen vor allem auf den Grashöhenmessungen der Betriebe basieren, die bei diesem Pilot mitmachen. Das Messnetzwerk strebt an, die Grasmessungen in mittlerer Zukunft auch durch modellbasierte Schätzungen und Prognosen zu ergänzen. Hier fehlen jedoch noch die Erfahrungswerte in der topo­grafisch komplizierten und ­bezüglich Pflanzenbestände vielfältigen Schweiz. Die exakte Datenerhebung, um damit solche Modelle aufzubauen, läuft im Moment bei Agroscope. 

Beobachten bleibt wichtig

Aktuelle Zahlen zum Graswachstum sind speziell wichtig für spezialisierte Weidebetriebe. Dort sind die genaue Kenntnis des Graswachstums und der vorhandenen Grasreserven grundlegend für eine exakte Weideplanung, so dass man stets genug Weidegras hat, aber auch keine überalterten, minderwertigen Vorräte. Die hier 14-täglich publizierten Zahlen können Tendenzen aufzeigen, sie können aber in keinem Fall die eigenen Beobachtungen oder Messungen ersetzen.

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Graswachstumsbericht der Woche 13 mit Ausblick KW 14 + 15

Das warme, sonnige Wetter Mitte März hat das Graswachstum enorm angetrieben. Bis Redaktionsschluss sind z. B. in Flawil viele Weideflächen schon auf 21 Herbometereinheiten aufgewachsen – weit mehr als die empfohlenen 16 Einheiten für die Umtriebsweide. Zu bedenken ist natürlich auch, dass viele Wiesen länger als üblich aus dem Winter gekommen sind. Immerhin: Kühlere Temperaturen werden das Graswachstum in den nächsten Tagen wieder auf saisonübliche zirka 40 kg TS/ha/Tag reduzieren.

Ausblick KW 14 + 15
Wer jetzt schon (zu) hohe Weiden hat, soll rasch den Weideanteil ausdehnen und von der (grossflächigen) Vorweide zur normalen Koppeleinteilung übergehen. Die Koppeln sollen sauber bis auf die optimale Stoppelhöhe abgefressen werden, damit eine Staffelung des Futteraufwuchses erreicht wird. Acht Herbometereinheiten entsprechen 4 cm, wenn mit dem Doppelmeter nachgemessen wird. Spätestens Ende April soll dann erfahrungsgemäss mit dem zweiten Umtrieb begonnen werden.

Um den ungewöhnlichen Futterberg nicht weiter anwachsen zu lassen, den Weidegang auch bei Regenwetter möglichst aufrechterhalten. Bei einem angenommenen Zuwachs von 35 kg TS/ha/Tag können z. B. 2 GVE pro Hektar voll geweidet werden. Wenn zur Schonung der Grasnarbe nötig, Weidegang auf wenige Stunden pro Tag beschränken oder auf Flächen ausweichen, die sowieso noch saniert/übersät werden sollen. 

Regelmässige Kontrollen
Die Weiden sollten regelmässig kontrolliert und evtl. gemessen werden, um die Intensität des Weidegangs rechtzeitig anzupassen. Bei Umtriebsweide die Eintriebshöhen über 16 Herbometereinheiten bzw. 13 cm (Doppelmeter) gerade im Frühling vermeiden, weil sonst im Nu zu altes Futter und viele Weidereste resultieren. Beim Beispiel Flawil sind letzte Woche durchschnittlich 85 kg TS/ha/Tag zugewachsen, was einem Längenwachstum von fast 1 cm pro Tag entspricht. Für den März ist das ausser­gewöhnlich viel und hat uns alle überrascht.

[IMG 6] Wie hoch ist das Gras in meiner Region heute? In der neuen Serie Graslandwachstum ermittelt ein Messnetzwerk der AGFF in Form eines Pilotprojekts das Graswachstum an verschiedenen Standorten.

Jeweils alle zwei Wochen wird der neuste Graswachstumsbericht in der BauernZeitung publiziert. Interessierte können sich zusätzlich in der Whatsapp-Gruppe «Graswachstumsberichte» einschreiben.