Ich bin von Kindesbeinen an immer ein wenig ein Tüftler gewesen», meint Tobias Höltschi. Es gebe fast immer Potenzial zum Optimieren und das reize ihn. «Eine Maschine ist nie ‹fertig›, wenn sie auf den Hof kommt, da lässt sich immer noch etwas machen, damit alles genau passt», ist der 31-jährige Luzerner sicher.
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Angesichts dieser Aussage verwundert es nicht, dass Tobias Höltschi kurzerhand selber eine Lösung «massschneiderte», als er am Markt kein passendes System zum sicheren, einfachen Separieren seiner Rinder fand. Sein hängendes Schiebegatter hat die Fachjury des Innovationswettbewerbs dermassen überzeugt, dass sie Höltschi mit dem ersten Platz auszeichnete. Die BauernZeitung hat den jungen Landwirt auf seinem Betrieb im luzernischen Aesch besucht und vor Ort einen Augenschein genommen.
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Die Arbeit mit Weidepanels war keine zukunftsträchtige Lösung
Das Separieren einzelner Tiere oder eines kleinen Grüppchens aus einer Mutterkuh-Herde ist keine einfache und vor allem keine ungefährliche Aufgabe. Tobias Höltschi kennt sich damit aus: Er hält auf dem Betrieb Zollhaus Mutterkühe und muss regelmässig Tiere voneinander trennen oder sie auf Lastwagen verladen.
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Er erinnert sich, wie das vor der Installation seines innovativen Schiebegatters vonstattenging: «Wir haben damals mit Panels gearbeitet, was zum einen mehrere Leute erfordert hat und zum anderen immer ein bisschen gefährlich war. Wenn ein rund 400 kg schweres Tier gegen so ein Panel drückt, hat man dem wenig entgegenzusetzen.»
«Ich habe nichts gefunden, was ‹ab Stange› gepasst hätte.»
Das Fehlen einer fertigen Lösung ist häufig Triebfeder für Innovation.
Für die Tiere seien die Panels zusätzlich jedes Mal ein ungewohnter Anblick gewesen, der sie stets ein wenig nervös gemacht habe. Und wenn gar einmal eines der schweren, sperrigen Elemente umgefallen sei, habe die ganze Herde einen Adrenalin-Schub bekommen, was zum einen für die Tiere und zum anderen für das Endprodukt nicht wünschenswert sei, erzählt er.
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«Ich war mit dem ganzen Ablauf nicht zufrieden. Also habe ich am Markt nach einer passenden, sicheren Lösung gesucht. Aber ich habe nichts gefunden, was ‹ab Stange› gepasst hätte», blickt Höltschi zurück. Bestehende Systeme zur Separierung hätten in seinem Stall nicht funktioniert, ist er überzeugt, denn der Futtertisch im Fressbereich wäre im Weg gewesen. «Also habe ich mich entschlossen, selbst ein System zu entwickeln, das genau in meinen Stall passt.»
Eine Lösung darf weder Hindernis noch Gefahr sein
Tobias Höltschi hat als ersten Beruf Zimmermann gelernt. Er habe immer schon gerne mit Holz und Metall gearbeitet, meint er. Das Schweissen habe er sich selbst beigebracht, fährt der Luzerner fort, während er sich ein Glas Süssmost zapft und sich in den Schatten des Kiwistrauches vor seinem Haus setzt.
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Aber bevor das Schweissgerät zum Einsatz kommt, muss bekanntlich geplant werden: «Ich habe das Ganze zuerst gründlich und von allen Seiten durchdacht. Es war mir klar, dass eine Lösung weder für mich noch für die Tiere zu einem Hindernis oder gar zu einer Gefahr werden darf. Zudem wollte ich etwas möglichst Platzsparendes haben.» Schliesslich reifte in Höltschi eine Vorstellung heran: «Ich habe mich ein wenig am ‹System Lastwagen› orientiert, wo mit Trenngattern gearbeitet wird. Wenn es mir gelingen würde, ein ähnliches Trennelement so breit und so stabil zu konstruieren, dass man im Stall sicher damit arbeiten könnte, wäre das wohl der optimale Weg.»
«Messen, zeichnen, schweissen»
Also beschäftigte sich Tobias Höltschi mit der Frage, wie ein solches Trenngatter am besten anzubringen wäre, damit die Arbeit damit möglichst einfach vonstattengehen könnte. Mehrere Konzepte habe er bald einmal verworfen, wie etwa die Idee, das Gatter an die Decke zu hängen. «Dadurch wären nur verschiedene neue Risiken entstanden», sagt er. «Schliesslich habe ich mich dazu entschieden, das Gatter an Schienen aufzuhängen und es auf diesen durch den Stall hin und her zu schieben.»
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Nachdem er sich überlegt habe, wie er sein Schiebegatter installieren, bewegen und verstauen wollte, sei der Weg zur fertigen Konstruktion ziemlich geradlinig verlaufen, so Höltschi: «Kurz gesagt: Messen, zeichnen, schweissen.»
«Wenn ich etwas mache, dann mache ich etwas Rechtes»
Die Installation der Schienen sei dann aber durchaus zeitaufwändig gewesen, schildert der Luzerner, denn hier habe er sorgfältig arbeiten müssen: «Beim Ausnivellieren und der Montage der Pfosten für die Schienen musste ich sehr exakt sein, denn da geht es um Millimeter. Sonst würde das Gatter am Ende nicht optimal über die Schienen laufen.» Entscheidend zum Zeitaufwand beigetragen habe auch, dass die Deckenhöhe im Stall nicht überall einheitlich sei und er sich daran habe anpassen müssen, um die Stabilität der ganzen Konstruktion zu gewährleisten, schildert Höltschi eine weitere Herausforderung.
«Das Gatter kommt mehrmals jährlich zum Einsatz und hat sich bestens bewährt.»
Höltschis Entwicklung ist Teil des Alltags im Stall.
Der erste Test mit dem fertig geschweissten Gatter habe dann fast einwandfrei funktioniert und nach einer kleinen Anpassung sei das schiebbare Hängegatter fertig gewesen, resümiert der junge Landwirt. Das ist jetzt knapp zwei Jahre her. «Seither kommt das Ganze mehrmals jährlich zum Einsatz und es hat sich bestens bewährt», meint Höltschi und die Freude über die gelungene Entwicklung ist ihm anzusehen. «Ich sage immer: Wenn ich etwas mache, dann mache ich etwas Rechtes», schiebt er lachend nach und macht sich auf zum Stall. Gleich wird er demonstrieren, wie seine Entwicklung funktioniert.
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Das in der Stallmitte hängende Gatter gehört zum Alltag der Tiere
Der Laufstall neben dem Bauernhaus ist gerade leer; die Tiere geniessen die Herbstweide bei bestem Wetter und einer wunderbaren Aussicht auf den Hallwilersee. Rund sechs Hektaren Dauerwiese liegen arrondiert um Tobias Höltschis Betrieb, eine ideale Dauerweide für die 20 Mutterkühe und ihre Jungtiere. «Ich setze auf F1-Tiere, bei denen die Mutter eine Milchkuh und der Vater ein Limousin-Stier ist. So habe ich Muttertiere, die sicher genügend Milch zur Aufzucht der Jungen geben», erläutert der Luzerner.
« Eine Lösung darf keine neuen Risiken schaffen. »
Der Sicherheitsaspekt ist Tobias Höltschi sehr wichtig.
Mitten im blitzsauberen Laufstall steht das an Schienen an der Decke eingehängte Schiebegatter. «Wir nutzen es immer, wenn Tiere voneinander getrennt werden müssen. Das kann zur Behandlung eines Einzeltiers sein, aber auch zur Separierung und zum Verladen eines Grüppchens, wenn wir etwa im Sommer mit ein paar Muttertieren mitsamt den Kälbern ins Entlebuch auf die Alp fahren. Oder wenn die Beef zur Schlachtung abgeholt werden», erklärt Höltschi.
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Über die Schienen lässt sich das Gatter von der Stallmitte zur Frontseite des Laufstalls hin verschieben, wobei stets ein «Kälberschlupf» offenbleibt. Durch diesen können Tiere gezielt aussortiert werden, bis am Schluss das gewünschte Tier oder ein Grüppchen übrigbleibt. Dabei würden die Tiere ganz ruhig bleiben, betont Höltschi: «Beim gesamten Vorgang verbleiben die Rinder direkt in der Herde und behalten Sichtkontakt zueinander, wodurch sie ruhig bleiben und kaum merken, dass sie separiert werden. Danach lassen sie sich stressfrei und sicher behandeln oder verladen.»[IMG 9]
So wie das Gatter jetzt im Stall steht, gehört es zum Alltag der Tiere. Die Position mitten im Stall hat zudem den Vorteil, dass sich das Gatter nach getaner Arbeit platzsparend zur Seite schieben lässt. «Schliesslich will ich meine Fläche nutzen und nicht für Stauraum ‹opfern›», unterstreicht Höltschi.
Auch alleine sicher und ohne Risiken arbeiten
[IMG 10]Während Tobias Höltschi das Arbeiten mit dem Schiebegatter erklärt, holen seine Frau Lea und sein Onkel Hans Höltschi die Tiere von der Weide. Höltschi will zeigen, wie einfach das Separieren der Tiere funktioniert. Nachdem ein paar Jungtiere im Separationsbereich mit dem Fressen begonnen haben, löst er das Gatter aus seiner Verankerung.
Fixiert wird das Element mit zwei Metallstangen, die in die Bodenspalten versenkt werden. Das Herausheben der Stangen geschieht mühelos mit einem Seilzug und einer Nylon-Schnur. Anschliessend kann Höltschi das perfekt über die Schienen rollende Gatter ganz einfach und alleine verschieben. «Dank des Gatters kann ich alleine arbeiten und stehe nie bei den zu separierenden Tieren in der potenziellen Gefahrenzone», kommentiert er.
Aus einer guten Idee wird ein Preisgewinn – und mehr
Wie im Gespräch geschildert, nehmen die Jungtiere kaum Notiz von dem Gatter, das näher und näher rollt. Eines um das andere trotten sie brav durch den «Kälberschlupf», bis nur noch zwei übrigbleiben. «Nun müsste man nur noch die Stalltüre öffnen und die beiden verladen», meint Höltschi und krault einem der Jungtiere den Nacken.
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Tobias Höltschi hat sich aus dem Bauch heraus dazu entschieden, am Innovationswettbewerb teilzunehmen. «Ich hatte den Wettbewerb schon im Hinterkopf, aber ich habe mir gedacht, dass Eingaben dafür doch etwas mit viel komplizierter Technik sein müssten, wobei sich etwas fernsteuern oder programmieren lässt. Also habe ich gezögert, mein Gatter anzumelden», erinnert er sich. Schliesslich habe er sich aber dann relativ spontan zur Anmeldung entschieden, «denn das Gatter ist etwas sehr Praktisches, zu dem ich bislang keine schlaue Alternative gesehen habe.»
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Und weil seine Lösung innovativ ist und einen enormen Nutzen für Mutterkuhbetriebe haben kann, ist Höltschi im Gespräch mit einem Stallbauer, der sein System übernehmen und professionell anbieten könnte. «Ich hätte selber nicht die Kapazität, ein entsprechendes Angebot aufzubauen und mich dann darum zu kümmern. Deswegen brauche ich einen Partner, der das System anbieten und mit jedem Kunden eine individuelle Lösung finden kann.» Wer weiss, vielleicht greifen in Zukunft schweizweit Mutterkuhbetriebe auf das «System Höltschi» zurück – es würde viele Vorteile mit sich bringen.
Betriebsspiegel Hof Zollhaus
Betriebsleiterfamilie: Tobias und Lea Höltschi mit Leonie, Aesch LU
Arbeitskräfte: Onkel Hans und Tante Trudy Höltschi(vorherige Besitzer)
LN: 16 ha
Kulturen: Dauerwiese, Kunstwiese, Weiden, Winterweizen, Silomais, Kernobst und Kiwi für den Direktverkauf
Tierbestand: 20 Mutterkühe mit Kälbern und einem Stier, rund 100 Freiland-Legehennen im Mobilstall
Weitere Betriebszweige: Mobilställe für Legehennen
www.th-zollhaus.ch