Geht am Morgen in Fredy Kollers Stall das Licht an, liegen die Kühe noch zufrieden auf ihren Plätzen. Doch spätestens dann, wenn das Summen der Melkmaschine ertönt, heisst es «Uufstoh, chömed!» Und so stehen die 14 Fleckviehkühe bald darauf in Reih und Glied nebeneinander und warten geduldig auf das saftige Grün, das nach dem Melken lockt.

[IMG 4]Doch bevor die Zäune gespannt und die Tiere auf die Weide entlassen werden, schweift der geübte Blick von Freddys Tochter Nina über die Hinterpartie der Kühe. «Einige sind immer sauber und schön weiss», erklärt sie beim Vorübergehen, «und andere haben jeden Morgen einen dreckigen Schwanz.» Ein Problem, das sich vor allem im Anbindestall kaum vermeiden lässt. Und so bleibt vielen Landwirten nur das Waschen mit Kessel und Bürste – «eine anstrengende und langwierige Arbeit», gibt Freddy Koller zu bedenken. Genau hier setzt seine Innovation an: Mit seinem eigens entwickelten Kuhschwanzwascher werden die Schwänze schnell und effizient gereinigt – und das ganz ohne schweren Wassereimer und nasse Stallkleider.

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Einfach und doch effizient

Das Grundgerüst des handlichen Geräts bildet ein rund 30 Zentimeter langes PVC-Rohr der Marke Geberit. Ein Loch auf der Seite bildet den Eingang für die Wasserleitung. Über eine Schnellkupplung wird diese mit dem Schlauch aus dem Stallgang verbunden, ein Wasserhahn regelt die Wasserzufuhr. Eine Abdeckfolie aus stabilem Kunststoff bedeckt das Rohr und verlängert es um weitere 40 Zentimeter. Dadurch wird der Wasserstrahl gebündelt und vom Strohläger weggeleitet. Ein Neoprenüberzug dichtet die obere Seite ab, über ein rundes Loch in der Mitte kommt der Kuhschwanz ins Innere des Rohrs.

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«Das Prinzip ist ganz einfach», meint Nina Koller und demonstriert den Wascher. Geübt stösst sie die Schwanzhaare der Kuh «Stärn» durch das Neoprenloch und öffnet den Hahn. Das Wasser schiesst ins Rohr, spült im Innern den schmutzigen Schwanz ab und wird in den Schwemmkanal geleitet. Nach wenigen Sekunden ist die Dusche schon vorbei, die nassen Haare der Red Holstein-Kuh sind wieder sauber. «Stärn» selbst scheint sich nicht zu stören und mahlt seelenruhig vor sich hin. «Die Kühe haben sich sehr schnell daran gewöhnt», erzählt Koller und ergänzt: «Auf jeden Fall hat sich keine dagegen gewehrt.»

Vorbild aus der Medizin

AboGute Praxis: Im Talgebiet und Siedlungsnähe soll Gülle mit dem Schleppschlauch ausgebracht werden.(Archivbild BauZ)KommunikationTipps für eine gute Nachbarschaft: Eine "Whatsapp" vor dem Güllen hilftSamstag, 10. August 2019 Seit vier Jahren ist der Wascher schon im Einsatz. Seine Anfänge nahm er mit Freddys Kollers Versuch, aus einer Raviolibüchse ein Waschrohr zu gestalten, welches das Säubern der Kuhschwänze schneller und einfacher macht. «Doch die Dosenwände verkrümmten sich viel zu schnell», erklärt der Meisterlandwirt. Als er nach einem Unfall mit eingegipstem Arm zu Hause sass, hatte er Zeit zum Weitertüfteln.

Aus der Notsituation entstand dann die bahnbrechende Idee. «Zum Duschen musste ich das operierte Handgelenk mit einem Überzug bedecken, damit kein Wasser eintritt», erinnert er sich zurück. Bei genauerem Betrachten der Neoprenscheiben, die diesen Überzug abdichteten, wurde dann die Idee für den Kuhschwanzwascher geboren.

Inzwischen hat Koller seine Erfindung weiter optimiert und ergänzt. So hängt diese heute an einer alten Kranschiene, die an der Decke montiert ist. Damit lässt sich der Wascher einfach von Kuh zu Kuh und am Ende an seinen vorbestimmten Platz beim Stalleingang verschieben – ganz ohne Muskelkraft.

Nachmachen erwünscht

Mittlerweile habe die Eigenkreation auch in der Nachbarschaft Interesse geweckt, erzählt Freddy Koller. In Produktion gehen möchte er trotzdem nicht. «Aber nachbauen kann es jeder und jede. Das würde mich sogar freuen», fügt er an.

[IMG 3]Vorerst ist und bleibt Tochter Nina aber die beste Nutzerin der Waschers. «Seit ich vier Jahre alt bin, melke ich», erzählt sie verschmitzt. Und auch heute ist die 20-Jährige regelmässig im Stall anzutreffen. Ihr grosse Leidenschaft gilt den Kühen – «aber nicht wegen der Viehschau», fügt die gelernte Restaurationsfachfrau an, «sondern, weil ich die Arbeit mit den Tieren einfach unglaublich gerne mache.» Aus diesem Grund hat sie sich für die Zweitausbildung zur Landwirtin entschieden. Das erste Lehrjahr beginnt für sie im kommenden Sommer auf dem elterlichen Betrieb. «Dann ist Nina ganz die Chefin im Stall», meint Freddy Koller stolz. Für ihn bleibt dann mehr Zeit, um sich weiteren Innovationen zu widmen.

Bauer und Erfinder

 Die Rezepte für die Glace haben Silvia und Fredy Koller selber heraus­getüftelt. (Bild fj)LebensmittelBauernhofglace direkt ab "Chreisulade"Samstag, 3. August 2019 Denn der Kuhschwanzwascher ist bei Weitem nicht die einzige Innovation aus Freddy Kollers Hand. Wer einmal um den Hof geht, der mitten im Dorf Nebikon beim bekannten Kreisel steht, erkennt in jeder Ecke Spuren von Kollers Tüfteleien: Ein Einkaufswagen mit neuer Funktion als Lastenträger in der hofeigenen Mosterei, ein altes Heugebläse, welches die Holzschnitzel in den Bunker transferiert oder ein Fahrrad, das mit einem Stock- und Pfahlhalter ausgestattet ist. Mit diesem bringt Nina die Kühe auf die Weide. «Das geht schneller und erspart viel Fussweg», erklärt sie kurz und fährt davon. Ihr Vater fügt mit einem Schmunzeln an: «Wir arbeiten gerne, aber es muss gäbig gehen. Darum hat bei uns fast alles Räder oder einen Motor.»

 

Betriebsspiegel der Familie Koller
 
Ort: Nebikon LU
Fläche:  12 Hektaren LN und 6 Hektaren Wald
Kulturen: Mais und Futterweizen auf je 1,5 ha, dazu auf 40 Aren Kirschen-, Zwetschgen-, Birnen-, Äpfel-, Aprikosen-, Nektarinen- und Pfirsichbäume in einer gedeckten Niederstammanlage und 90 Hochstammapfelbäume.
Tierbestand: 14 Milchkühe der Rassen Simmentaler, Red Holstein, Schweizer Fleckvieh und Montbéliard, dazu 6 Aufzuchtrinder. 10 000 Liter Milch werden zu Glacé verarbeitet, der Rest geht in die Regio Chäsi nach Willisau.
Weitere Betriebszweige:Kundenmosterei, Herstellung der «Chreisu-Glace», Hofladen mit Frischmilchautomat, Vermietung des Produktionsraums mit integrierter Bäckerei, Holzschnitzelheizung im Wärmeverbund, Schule auf dem Bauernhof.
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar Freddy und Silvia Koller mit Unterstützung der Elterngeneration, ab nächstem Sommer absolviert Tochter Nina zudem das erste Lehrjahr auf dem elterlichen Betrieb.

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