DossierAgrarpolitikAbsenkpfad Pflanzenschutzmittel und NährstoffeMontag, 5. September 2022 Am 13. April 2022 hat der Bundesrat über das Verordnungspaket zur Parlamentarischen Initiative 19.475 entschieden, dem sogenannten Absenkpfad Pflanzenschutzmittel und Nährstoffverluste. Es gilt als Antwort auf die Pestizid- sowie Trinkwasser-Initiative, die vergangenes Jahr an der Urne scheiterten. 

Die meisten Verordnungsänderungen des Absenkpfads treten bereits am 1. Januar 2023 in Kraft. Weil aber in der landwirtschaftlichen Praxis noch viele offene Fragen herrschen, hat sich die BauernZeitung in Zusammenarbeit mit der Agridea und Prométerre in den vergangenen Wochen zu den bevorstehenden Massnahmen einen Überblick verschafft.

Mit den Änderungen zeigen sich aber nicht alle Organisationen zufrieden (wir berichteten). Gemäss dem Schweizer Bauernverband (SBV) würden die Verordnungsbestimmungen teilweise über das Ziel, das Risiko beim Pflanzenschutzmitteleinsatz und Nährstoffverluste zu reduzieren, hinausschiessen. Der SBV kämpft nun dafür, zwei Verordnungsänderungen im Parlament durchzubringen, wie aus dem Interview mit Michel Darbellay, Leiter des Departements Produktion, Märkte und Ökologie beim SBV, hervorgeht. 

Michel Darbellay, was hält der Schweizer Bauernverband vom Verordnungspaket zur Pa. Iv. 19.475?

Michel Darbellay: Die Verordnungsbestimmungen schiessen zum Teil über das Ziel und die vom Parlament beschlossene parlamentarische Initiative hinaus. Beispiele dafür sind die 3,5 % Biodiversitätsförderflächen (BFF) auf dem Ackerland und das unrealistische Reduktionsziel von 20 % beim Stickstoff. Anstatt sich auf den eigentlichen Auftrag zu fokussieren und die Risiken im Bereich Pflanzenschutz zu reduzieren, schwächen diese Bestimmungen die einheimische Lebensmittelproduktion und damit die Versorgung der Bevölkerung. Das ist gerade in der aktuellen globalen Lage absolut unverständlich. Es gibt nicht genügend praxistaugliche Massnahmen, um z. B. das Nährstoffziel zu erreichen. Es ist also jetzt schon klar, dass die Landwirtschaft keine Chance hat, dieses zu erreichen, und dass uns das dann um die Ohren geschlagen wird. Das ist äusserst demotivierend. Auch die Komplexität und die Ungereimtheiten dieses Verordnungspakets führen in der Landwirtschaft zu grosser Unzufriedenheit. 

Welche Änderungen sind für die ÖLN-Bauern besonders gravierend?

Es sind die Kürzung des Versorgungssicherheitsbeitrages, die vierjährige Verpflichtungsdauer bei einigen Programmen, die Ausgestaltung des RAUS-Weideprogramms, die Vorgaben an die Bodenbedeckung oder die 3,5 % BFF auf Ackerfläche. Das eigentliche Problem liegt in der konkreten Ausgestaltung der verschiedenen Massnahmen. Diese sind oft nicht praxistauglich und führen zu zahlreichen Umsetzungsproblemen. Sie haben zum Teil, wie erwähnt, nichts zu tun mit den Zielen des Absenkpfades und die Voraussetzungen schlies­sen zusätzlich viele Betriebe aus. 

Derzeit wird über Anpassungen des Verordnungspakets diskutiert. Wie beteiligt sich der SBV an diesen Diskussionen?

Wir sind daran, jene vorher erwähnten Punkte anzugehen, wo der Bundesrat den Bogen überspannt hat. Wir möchten zwei Verordnungsänderungen im Parlament durchbringen. Die Motion Gapany, die das Nährstoffreduktionsziel nach unten korrigieren will, und die Motion Rieder, die verlangt, die 3,5 % BFF auf dem Ackerland zu streichen. Der Ständerat hat diesen bereits zugestimmt. Nun muss der Nationalrat das noch bestätigen. Zudem wollen wir eine geringere Senkung des Beitrags für die Versorgungssicherheit, je nachdem wie stark die neuen Produktionssystembeiträge genutzt werden. Das soll Betriebe entlasten, die aus irgendwelchen Gründen die neuen Programme (noch) nicht umsetzen können. Unsere anderen Anträge betreffen die Notwendigkeit, die Teilnahme parzellenweise und mit einer jährlichen Verpflichtung zu ermöglichen, die Entkoppelung von RAUS- und Weidebeitrag für Rinder, die Kriterien für den Weidebeitrag oder die Überarbeitung der Module Boden und Bodenbedeckung, die so nicht umsetzbar sind. Diese Punkte haben wir als prioritär angeschaut.

Dürfen Landwirte auf Änderungen hoffen?

Wir können die Entscheidungen des Bundesrates für eine Anpassung der Verordnungen nicht voraussagen. Wir halten den Druck aufrecht, um diese Änderungen zu erreichen, die wir für notwendig und gerechtfertigt halten. Dies mit dem Ziel, die Beteiligung an den Programmen zu erhöhen und damit die gesetzten Ziele zu erreichen.

Vollständige Artikelserie zum Absenkpfad 

Schonende Bodenbearbeitung
Angemessene Bodenbedeckung
Herbizid-Verzicht im Ackerbau
Verzicht auf PSM im Ackerbau
Weidebeitrag
Längere Nutzungsdauer von Kühen
Massnahmen im Gemüsebau und bei einjährigen Beeren
Massnahmen im Rebbau
Massnahmen im Obstbau und Dauerkulturen
Massnahmen im ÖLN
Änderungen in der Biodiversitätsförderung
Verminderung von Abdrift und Abschwemmung
Waschplätze und Befüllen von Spritzen


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