Sanft ziehen die letzten Bodennebel über das grüne Feld und leichter Morgentau überzieht die Blätterränder der Pflanzen. Auch auf dem Edamame-Feld von Klaus Böhler im zürcherischen Seuzach zieht der Herbst ein. Aktuell ist Hochsaison für den Bio-Bauern. Das Hauptstandbein seines Betriebes sind Kürbisse. Bevor die Kürbissaison jedoch so richtig losgeht, ist Erntezeit für seine Edamame.

Ein kugelrunder grüner Snack

Der Begriff bedeutet wörtlich aus dem Japanischen übersetzt, "Bohne am Strauch oder Stängel". "Edamame sind nichts anderes als blanchierte grüne Sojabohnen", sagt Klaus Böhler. Meistens werden die knallgrünen Kerne samt Hülse mit etwas Meersalz bestreut als Snack verzehrt. Dabei "zuzelt" man die Bohnen mit Lippen und Zähnen aus der Hülse. "Wir bieten die grünen Sojabohnen aber auch als Kerne ohne Hülse an", sagt Böhler. Dazu werden diese mit einer speziellen Maschine von den Hülsen befreit.

Betriebsgeheimnis bleibt geheim

Wenn von Ende August bis Mitte September Erntesaison ist, bietet Böhler die Sojabohnen auch frisch an. Ansonsten sind sie in tiefgekühlter Form erhältlich. Der 42-Jährige setzt mittlerweile gerne auf eine Sojasorte, die etwas kleinere Bohnen produzieren. Diese sind etwas aromatischer als die grösseren, die meist in Form von Importware aus China im Tiefkühlfach der Grossverteiler liegen. Welche Sorten er genau verwendet, verrät der Biobauer jedoch nicht. Auch die maschinelle Verarbeitung, die er über die letzten Jahre ausgetüftelt hat, bleibt sein Geheimnis.

Den Familienbetrieb übernommen und entwickelt

Der Hof von Klaus Böhler, seiner Frau Monika und den beiden Kindern liegt mitten im Zentrum von Seuzach, die Felder sind einige Gehminuten davon entfernt. Aufgewachsen ist der Edamame-Pionier in Mellikon AG. Dort hat sein Bruder Daniel den elterlichen Betrieb übernommen. Anfänglich hat er den grossväterlichen Betrieb in Seuzach ebenfalls noch vom Aargau aus bewirtschaftet. Doch 2008 packte Klaus Böhler die Lust, selber einen Betrieb zu haben und ihn bio-dynamisch nach Demeter-Richtlinien zu bewirtschaften. So hat er den Betrieb, den sein Urgrossvater in den 1920er-Jahren als Kleinbauer begründet hat, übernommen.

Urdinkelgras ist wie Schnittlauch

Bei der Hofübernahme wurde Schnittlauch als Hauptkultur angebaut. Schnell fing Böhler an, auf den feuchten, tonhaltigen Feldern Kürbisse anzubauen und klopfte schon bald auf gut Glück bei Tibits und Hiltl an und fragte, ob sie nicht Interesse an seinen herbstlichen Feldfrüchten hätten. Nein, Kürbisse bräuchten sie nicht, kam prompt die Antwort, aber Urdinkelgras. Böhler, Tüftler von Natur aus, wusste zwar damals nicht einmal genau, was das ist, aber er fing umgehend mit dem Anbau des Grasgewächses an. Viel anders als beim Schnittlauch waren die Bedürfnisse des Grases glücklicherweise nicht. Bei Hiltl kam schon bald Böhlers Urdinkelgrassaft ins Angebot - und irgendwann rückten dann doch Böhlers Kürbisse ebenfalls noch nach.

Die erste Ernte war Handarbeit

 

Offen für Neues hält Klaus Böhler stets Augen und Ohren offen. Und als eine Studienkollegin, ebenfalls Agraringenieurin, ihm vor sieben Jahren von Edamame erzählte, liessen ihn die Sojabohnen nicht mehr in Ruhe. Die Kollegin war überzeugt, dass sich ein Trend anbahnt. So säte Böhler 2012 erstmals Edamame. Als die Erntezeit kam, fand sich jedoch kein geeignetes Lohnunternehmen. "Die ganze Familie half mit, damit wir möglichst viele der Sojabohnen von Hand ernten konnten. 100 Kilogramm kamen damals nur zusammen", erzählt Böhler. Dann sprang auch noch die Verarbeitungsfirma ab und die Böhnchen wurden kurzerhand selber blanchiert und eingefroren.

5 bis 10 Tonnen Schweizer Edamame pro Jahr

Im Jahr darauf konnte er doch noch ein Lohnunternehmen finden, das die Sojabohnen maschinell erntete. Mittlerweile produziert Böhler jährlich zwischen fünf und zehn Tonnen Edamame. Im heissen Sommer 2018 eher zehn Tonnen, dieses Jahr eher nur fünf. "Der heisse Sommer im letzten Jahr hat den Sojabohnen anscheinend sehr gut gefallen", sagt er. Und seine grünen Bohnen waren im Direktverkauf wie auch in den Demeter-Läden der ganzen Schweiz sehr gefragt. Kostet die Tiefkühlware aus China bei den Grossverteilern um die 4 Franken pro Kilo, sind es bei Böhler 16. Doch seine Kunden zahlen den Aufpreis gerne. Denn die kleinen Böhnchen sind aromatischer und haben keinen langen Weg aus China hinter sich. Lang war nur der Weg zur Entwicklung der richtigen Erntetechnik. Doch Rückschläge habe es - selbst in den ersten Edamame-Jahren - aus seiner Sicht keine gegeben, sagt Böhler, nur Lernphasen.

Böhler probiert aus – auch entgegen Ratschlägen

 

 

Und wer dem Tüftler zuhört, bekommt rasch den Eindruck, dass sein ganzer Betrieb aus einer nicht enden wollenden Anhäufung von Lernphasen besteht. "Ich probiere einfach aus und schaue mal, ob es klappt", ist seine Devise. So erntet er seine Rhabarbern schon mal ganz ab, obwohl gemeinhin gesagt wird, dass ihnen dies nicht gut bekomme. Oder er trinkt frischen Rhabarbersaft im August, dabei weiss doch jedes Kind, dass die Stängel ab einem gewissen Zeitpunkt im Jahr zu viel schädliche Oxalsäure enthalten. Doch in beiden Fällen behielt er Recht: Die Rhabarbern wuchsen kräftiger und gesünder denn je, und auch vom sauren Saft bekam er keinerlei Nebenwirkungen zu spüren. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, lautet anscheinend die Devise.

"Sie sind einfach fein"

Ebenso einfach ist auch seine Devise dem Gesundheitsaspekt von Edamame gegenüber. Die Sojabohnen sind nämlich überaus gesund und reich an Eiweissen, Nahrungsfasern und Folsäure. Angeblich sollen sie sogar vor Osteoporose und Krebs schützen. "Die Böhnchen sind einfach fein", das sei für ihn der Hauptaspekt. Und er liebt ganz einfach die Vielfalt. "Ich möchte jetzt nicht jeden Tag Urdinkelgrassaft trinken oder Brennnesseln essen. Es ist die Abwechslung, die es ausmacht".

Erfahrungsvorsprung als Pionier

Lange war Böhler der einzige Edamame-Bauer der Schweiz. Mittlerweile produziert ein anderer Biobetrieb im St. Galler Rheintal ebenfalls die japanischen Böhnchen. Und auch einige wenige konventionelle Betriebe produzieren Edamame für den Direktverkauf. Böhler findet gut, dass er nicht mehr der Einzige ist. "Falls ich mal einen Ernteausfall hätte, ist das Risiko so besser verteilt", sagt er. Und: Edamame-Pionier der Schweiz bleibt er sowieso - inklusive zwei, drei Jahren Erfahrungsvorsprung anderen künftigen Edamameproduzenten gegenüber.