«Mit Direktsaat allein retten wir die Menschheit nicht», stellt Bernhard Streit fest. Er spreche im Übrigen lieber von Konservierenden Landwirtschaft, meint der Dozent für Verfahrenstechnik im Pflanzenbau an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL). Die Direktsaat könne ein Teil der Konservierenden Landwirtschaft sein, «die Bodenbearbeitung ersatzlos zu streichen, das funktioniert aber nicht». Es brauche ein Gesamtsystem, basierend auf drei Säulen: Bodenruhe, Bodenbedeckung und Pflanzenarten-Vielfalt. Das klingt erstmal wenig zugänglich, sei aber in der Praxis durchaus umsetzbar und verspricht Lösungen für drängende Probleme.

Was ist die Konservierende Landwirtschaft?

Darunter versteht man gemäss dem Verband Swiss No-Till einen ganzheitlichen Ansatz, basierend auf drei Schlüsselprinzipien (Bodenruhe, Bodenbedeckung, Pflanzenarten-Vielfalt). Die konkrete Umsetzung kann je nach Betrieb sehr unterschiedlich sein. Die Integration von Tieren wird als sinnvoll angesehen

Damit der Boden bleibt, wo er hingehört

Ein Problem, das im letzten, regenreichen Sommer vielerorts aufgetreten ist, ist die Erosion. «2021 hat gezeigt, was passieren kann. Das ist, wie wenn man mit 50 km/h in eine Wand fährt», schildert Bernhard Streit in Bezug auf intensiv mechanisch bearbeitete Äcker. Neben dem Schaden am Feld kann abgeschwemmte Erde auch teuer werden: Die Kosten z. B. für die Reinigung der Kanalisation, die Gemeinden Landwirten als Verursachern in Rechnung stellen könnten, könnten sich auf mehrere 100'000 Franken belaufen.

Was den Boden tiefgreifend zerstört, ist laut Bernhard Streit ein Zusammenspiel dreier Faktoren: Wendende Bodenbearbeitung, intensive Saatbettbereitung (z. B. mit der Kreiselegge) und schwere Achsenlasten am Traktor. Damit passiere genau das, was im Strassenbau praktiziert wird, dass nämlich der Untergrund erst gelockert und dann verdichtet wird. Was für einen ebenen Verkehrsweg ein gutes Rezept ist, hat für einen Acker auf lange Sicht fatale Folgen. «Neben der Erosion kommt es zu einer zunehmenden Verschlämmung der Oberfläche, die aber unter den Pflanzenbeständen oft unsichtbar bleibt», schildert der Fachmann.

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Vor- und Nachteile der Konservierenden Landwirtschaft

  • Bodenschonend, da nicht wendend
  • Bodenleben (Mikroorganismen und Regenwürmer) profitiert
  • Nach Umstellungszeit (5-7 Jahren) höhere Stickstoff-Effizienz
  • Dadurch tiefere Düngungskosten
  • Weniger Überfahrten, das heisst tieferer Treibstoff-Verbrauch und weniger Arbeitszeit
  • Schutz vor Erosion und Verschlämmung
  • Bessere Tragfähigkeit des Bodens Dank Lebendverbau
     
  • Anspruchsvolle Unkrautkontrolle (v.a. beim Umbruch einer Kunstwiese)
  • Passende Mechanisierung nötig 
  • Komplexeres System: Es braucht mehr als «nur» schonende Bodenbearbeitung
  • Oft fehlende Erfahrung oder mangelnde Verfügbarkeit von Informationen zur Lösung konkreter Anbauprobleme

Von 0 auf 100 oder ein sanfter Einstieg

Wer mit der Konservierenden Landwirtschaft anfangen wolle, könne sowohl voll einsteigen als auch sanft und Schritt für Schritt, meint Streit. «Zuerst sollte man sich seine Felder anschauen, am besten mit der Spatenprobe.» Dabei müsse man sich bewusst sein, dass sich nicht alle Bodenprobleme über das Anbausystem lösen lassen. Sei z. B. die Pflugsohle verdichtet, müsse sie erst mit einem Untergrundlockerer geöffnet werden. Auch chemische Analysen (Basensättigung, Kationenaustausch-Kapazität usw.) helfen, einen Blick in die Erde zu werfen.

AboWer jetzt Gründüngungen auf dem Feld hat, kann sie mit Messerwalzen statt dem Pflug eindämmen und so in ein bodenschonendes System einsteigen. (Bild BauZ)BodenbearbeitungGastbeitrag: Bodenschutz und reduzierter Herbizideinsatz schliessen sich nicht ausDienstag, 24. November 2020 «Es ist eine gute Idee, mit einer Gründüngung zu starten», rät Streit. Diese sei nicht als notwendiges Übel zu sehen, sondern wie eine normale Kultur zu behandeln und mit entsprechender Sorgfalt zu säen. So ist eine bestmögliche Unkrautunterdrückung gewährleistet. Er selbst bringe – trotz der Kosten – ab 40 Tagen zwischen zwei Kulturen eine Gründüngung in den Boden. Die Mischung muss an die Fruchtfolge angepasst werden und ist für die Konservierende Landwirtschaft zentral, da sie vor Erosion schützt, Unkraut unterdrückt und das Bodenleben nährt.

Nicht ohne Herbizid

Generell gilt die gute landwirtschaftliche Praxis, unabhängig vom Anbausystem, betont der Fachmann. Der Wechsel von Halm- und Blattfrüchten, Winter- und Frühlingskulturen, bei der Fruchtfolge auf Fusarien achten (kein Weizen auf Mais) und Unkräuter sowie Ausfallgetreide kontrollieren gehören dazu. Man müsse auf dem Feld Ordnung halten, wie es der HAFL-Dozent formuliert.

«Es ist eine gute Idee, mit einer Gründüngung zu starten.»


HAFL-Dozent Bernhard Streit über einen passenden Zeitpunkt für den Einstieg in die Konservierende Landwirtschaft. 

Zum letzten Punkt bemerkt Bernhard Streit: «Bei Verzicht auf Bodenbearbeitung kommt man heute nicht ohne Herbizid aus, insbesondere beim Kunstwiesen-Umbruch». Auch Schnecken profitieren von der Direktsaat, da sie sich in den Ernterückständen verkriechen können. «Schnecken muss man im Auge behalten und wenn nötig mit Schneckenkörnern bekämpfen», meint er pragmatisch. Für den Bio-Anbau sei die Konservierende Landwirtschaft aus diesen Gründen nur sehr begrenzt möglich. Hingegen nennt das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) basierend auf seinen Praxisversuchen die Mulchsaat als echte und gangbare Alternative zum Pflug im biologischen Anbau. Anders als beim standardisierten Pflugverfahren seien aber viel Erfahrung, Beobachtung und Flexibilität vom Betriebsleitenden nötig.

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So schnell wie möglich säen

[IMG 8]Er schaue immer, dass er beim Säen entweder gleichzeitig mit dem Mähdrescher oder der Presse auf dem Feld sei, um den Samen möglichst schnell in den Boden zu bringen, sagt Bernhard Streit. «Die Wetterbedingungen sind bei der Direktsaat weniger wichtig. Entscheidender ist, dass die Kultur einen möglichst grossen Vorsprung auf das Unkraut und das Ausfallgetreide hat. Da wartet man besser nicht noch eine Woche», erläutert er. So brauche es auch keine weitere Vorarbeit für das Saatbett. Durch den bedeckten Boden verschiebt sich der Saattermin: Jeweils etwa 10 Tage später im Frühling da sich der Untergrund unter der Mulchschicht langsamer erwärmt und der unbearbeitete Boden nach dem Winter langsamer abtrocknet.

Damit die Gründüngung nicht doch zum Übel wird, muss auch sie kontrolliert werden. Im Herbst darf sie keine Samen bilden. Hier kann laut Streit die Messerwalze helfen, «einige Pflanzen schlagen danach aber aus». Der Wirkung der eingesetzten Maschine sollte man sich daher ebenso bewusst sein, wie dem Verhalten der Pflanzenarten in der Gründüngung.

Der Boden wird verbessert

Langfristig gesehen führt die Konservierende Landwirtschaft zu mehr Humus in den oberen Bodenschichten. Weiter unten seien weniger Unterschiede zu erwarten. Wie sich der Humusgehalt entwickelt, hängt aber auch vom Startpunkt ab, gibt Bernhard Streit zu bedenken: «In der Schweiz haben wir bereits relativ viel Humus in den Böden, das ist ein hohes Startniveau». In jedem Fall sei die Klimawirkung positiv, da CO2 gespeichert und eingespart werde. Mit der Zeit soll sich ausserdem die Stickstoff-Effizienz verbessern, was weniger Kosten für die Düngung bedeutet. Bis dieser Zustand erreicht ist (nach fünf bis sieben Jahren) empfiehlt man wegen der verlangsamten Mineralisierung und Entwicklung der Kultur leicht höhere Stickstoff-Gaben. Eine Bodenanalyse hilft, bedarfsgerecht zu düngen.

Abschätzen lässt sich der organische Bodenaufbau beispielsweise über die Humusbilanz. «Die hängt auch davon ab, was und wann etwas gemacht wird», meint der Fachmann. Werden Ernterückstände eingearbeitet, gehe «die Post ab», der Abbau also schnell von statten. Bleiben sie an der Oberfläche, gehe der Abbau langsamer. Unabhängig vom Anbausystem ist es gemäss Streit wichtig, nicht auf den nackten Boden zu düngen – es braucht eine lebende Kultur, um Gülle oder Kompost aufzunehmen. Überhaupt wird die Bodenbedeckung wie oben erwähnt bei der Konservierenden Landwirtschaft grossgeschrieben, sei es durch eine (Zwischen)Kultur oder Ernterückstände. Dabei gelte, je mehr Stroh nach der Ernte zurückbleibt, desto besser. Dies aber mit Einschränkungen: «Mit weniger ist die Saat einfacher. Und ich würde nicht Stroh zukaufen, weil es als Decke auf dem Acker liegen bleibt». Streit empfiehlt, nur mit einer geeigneten Sämaschine, beispielswies mit einer Scheibenscharmaschine und mindestens 200 kg Druck pro Schar zu arbeiten, damit das Saatgut sicher auf den Boden kommt.

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Mehr Struktur und Leben im Untergrund

Konservierende LandwirtschaftBodenschonende Verfahren im ÜberblickMittwoch, 12. Januar 2022 Als Vorteil des langsameren Abbaus von Ernterückständen auf der Bodenoberfläche nennt der HAFL-Dozent eine höhere Toleranz des Systems. Stärker als die Humusbilanz werde die Bodenphysik von der Bodenbearbeitung beeinflusst. «Die Struktur verbessert sich, es gibt mehr Mikroorganismen und Regenwürmer», beschreibt Bernhard Streit und spricht von einem «tätigen Boden», der in ein stabiles Gleichgewicht kommt.

Die Konservierende Landwirtschaft sei die naturnahste Form der landwirtschaftlichen Produktion, heisst es bei der IG Swiss No-Till. Zu sagen, dass die Kulturen dank des verbesserten Untergrunds weniger krank sind, so weit möchte Streit nicht gehen. «Für gewisse Krankheiten mag das stimmen, andere hängen von weiteren Faktoren ab. Z. B. kann man Mehltau im Getreide verhindern, indem man nicht zu üppig düngt und so zu dichte Bestände vermeidet.» Auch auf einen Rapsglanzkäfer habe der Boden nunmal keinen Einfluss. Einiges sei in diesem Zusammenhang aber auch noch nicht ganz verstanden, etwa ob Fusarium-Befall von einem Ungleichgewicht von Calcium und Magnesium im Boden beeinflusst werde.

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Mehr Risiko, aber trotzdem lohnend

Erfahrungen aus der Praxis«Ohne Pflug wurde meine Arbeit entspannter»Mittwoch, 12. Januar 2022 Bei Problemen hat man in der Konservierenden Landwirtschaft weniger Möglichkeiten zum schnellen Eingreifen. Das System läuft langsamer, dafür stetig. Bei den Erträgen geht Bernhard Streit aber keine Kompromisse ein und rechnet von Beginn weg mit guten Zahlen – auch wenn für die Umstellung fünf bis sieben Jahre angegeben werden. Genügend Vorarbeit, z. B. in Form einer guten Unkrautkontrolle und einer durchdachten Fruchtfolge geben Sicherheit. «Über die Jahre gesehen sind die Erträge stabil. Vielleicht sind in einem schlechten Jahr oder bei einem Misserfolg mal 10 Prozent Einbussen möglich», räumt Streit ein, «Aber andererseits werden Einbussen wegen verminderter Bodenqualität durch intensive Bodenbearbeitung auch nicht erfasst», bemerkt er.

Man könne auch mit dem Pflug glücklich werden, findet Bernhard Streit. Das Gerät zugunsten der Konservierenden Landwirtschaft stehen zu lassen, ist seiner Meinung nach aber lohnend. «Davon profitiert der Boden, man kann Treibstoff sowie Arbeitszeit sparen und ist weniger anfällig gegen Extremwetter», zählt er auf. Zwar gehe es nicht ohne Pflanzenschutzmittel, es könnten aber mit schonender Bodenbearbeitung sogar Mengen und Kosten reduziert werden. Dies dank gezieltem Einsatz, Feldrandhygiene und Gründüngungen als «lebendes Herbizid». Wichtig: «Der oder die Betriebsleiter(in) muss die Umstellung wollen – dann geht das», schliesst Streit.
 

Die IG Swiss No-Till hat sechs Guides mit praktischem Wissen zur Konservierenden Landwirtschaft veröffentlicht: https://no-till.ch/publikationen/

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Boden-Serie (1)

[IMG 7]Durch ganzflächige, intensive Bodenbearbeitung wird organische Substanz für Bodenorganismen zugänglicher und es kommt mehr Luft ins Gefüge, Humus geht verloren. Der Pflug bietet aber auch viele Vorteile, etwa eine schnellere Mineralisierung, Erwärmung und Abtrocknung des Bodens. In einer Serie informieren wir  Sie über den Stand des Wissens zur Konservierenden Landwirtschaft, die auf wendende Bearbeitung verzichtet und daher als bodenschonend gilt.