In der überdachten Beerenanlage am Strickhof in Lindau ZH macht sich langsam der Sommer bemerkbar: Die Brombeeren sind schon deutlich zu sehen, wenn auch noch grasgrün, die Farbe der Heidelbeeren geht bereits ins Bläuliche und mitten drin leuchtet das Rot der ersten Erdbeeren.

Erdbeeren auf 1,50 Meter Höhe

Diese fallen aber auch aus einem anderen Grund auf: Erdbeeren werden hier nicht am Boden angebaut, sondern in Stellagen auf 1,50 Meter Höhe. Auf einer Länge von je 30 Metern stehen drei dieser Gestelle aus leichtem Metall. In jeder Stellage reihen sich Kunststoffkisten mit den Erdbeeren aneinander. Es handelt sich dabei um eine Hors-Sol-Produktion, als Substrat dienen Holzabfälle, Kokosfasern und Kompost. Entlang der Gestelle sind Schläuche angebracht, durch die eine Nährlösung aus Wasser und Dünger zu den Pflanzen gelangt. Was davon zu viel ist, sickert durch eine Drainage in einen Sammelschlauch und wird schliesslich in den Kreislauf zurückgeführt.

Gezielt düngen und wässern dank Sensoren

Eine zusätzliche Hilfe sind punktuell angebrachte Sensoren im Substrat, die per Funk melden, ob zu wenig oder zu viel Wasser vorhanden ist. «Dünger und Wasser lassen sich auf diese Weise sehr dosiert einsetzen», sagt Hagen Thoss von der Fachstelle Obst. «Beim Bodenanbau dagegen gelangen die Nährstoffe oftmals nicht an die Pflanzen, da es entweder zu trocken ist oder weil sie vom Regen ausgeschwemmt werden.» Dies sei bei den Witterungsextremen der letzten Jahre häufig der Fall.

Nach der Ernte kommt die nächste Charge

Der Klimawandel ist laut Thoss einer der Gründe ­dafür, weshalb die Stellagen-Produktion von Erdbeeren besonders in den letzten fünf bis zehn Jahren an Beliebtheit gewonnen hat, obwohl sie bereits seit rund 20 Jahren auf dem Markt ist. Am Strickhof wurden die ersten Stellagen diesen Frühling eingeführt. Ziel dabei ist es, den Studierenden ein alternatives Produktionsverfahren zu de­monstrieren. Derzeit werden vier verschiedene Sorten Erdbeeren angebaut, sowohl einmal- als auch immertragende. Sind die frühen Sorten geerntet, werden die Gestelle mit der nächsten Charge bestückt, die zuvor im Gewächshaus oder Freiland vorbereitet worden ist.

Im Einsatz sind Nützlinge wie Raubmilben

«Pro Jahr können so bis zu drei Sätze gepflanzt werden, was auf dem Feld nicht machbar wäre», sagt Hagen Thoss. Während die Felderdbeeren in Reihen mit einem Abstand von 1 Meter wachsen, stehen die Stellagen üblicherweise 1,2 bis 1,5 Meter auseinander. Wird dies berücksichtigt, kann man bei dieser Produktionsweise mit einer etwa zweieinhalb so grossen Ernte als im herkömmlichen Bodenanbau rechnen. Pro m2 können somit rund 6 kg Erdbeeren geerntet werden.

Da die Anlage vollständig durch ein Netz abgedeckt ist, sind die Beeren vor Schädlingen wie der Kirschessigfliege und der Marmorierten Baumwanze geschützt. Im Innern hingegen droht ein Befall durch Schädlinge wie Spinnmilben, Thripse und Blattläuse. Gegen diese werden mit Erfolg Raubmilben und andere Nützlinge eingesetzt. Da das Klima in der Anlage eher trocken ist, kann ein Pilzbefall weitgehend verhindert werden. Eine Ausnahme macht der Echte Mehltau, weil der Regen fehlt, der die vorhandenen Sporen abwäscht.

Die Fruchtfolge fällt weg

«Dass es keine Heizung und kaum Pflanzenschutzmittel braucht, spricht für die Nachhaltigkeit der Stellagen-Produktion», sagt Thoss. Einen Vorteil sieht er ebenfalls darin, dass der Fruchtfolge keine Beachtung geschenkt werden muss, weil die Gestelle fix installiert und jeweils mit neuen Pflanzen bestückt werden. Darüber hinaus lassen sich die Erdbeeren in dieser Höhe schneller und angenehmer pflücken, Rückenschmerzen bleiben aus und das nötige ­Personal lässt sich einfacher finden.

Grosse Investition und Aufwand für die Überwachung

Allerdings fällt bei dem System auch einiges an Kosten an: Pro Laufmeter ist mit 20 bis 25 Franken für die Stellagen inklusive Leitungssystem zu rechnen. Dazu kommen die Überdachung und Montagekosten. «Man muss bereit sein, in eine intensive Kultur zu investieren», meint Hagen Thoss. «Auch ist ein gewisses technisches Flair notwendig sowie die Bereitschaft, die Anlage mehrmals am Tag zu kontrollieren.» Stimmt beispielsweise etwas mit der Wasserzufuhr nicht, ohne dass es bemerkt wird, kann dies einen erheblichen Ernteausfall zur Folge haben.

Erdbeeren sind ein Kundenmagnet für den Hofladen

Trotz dieser Vorbehalte kann sich der Agronom gut vorstellen, dass das Stellagen-System Zukunft hat. In einer Zeit, in der Regionalität an Marktvorteil gewonnen hat, sieht er es besonders auch als Chance für Selbstvermarkter-Betriebe: «Knackig frische Erdbeeren im Hofladen sind ein Kundenmagnet. Sie helfen mit, die anderen Produkte des Betriebs zu vermarkten.» Ebenfalls in den eigenen Hofladen kommen die Erdbeeren vom Strickhof. Bereits sind die ersten im Angebot. Insgesamt wird in diesem Startjahr eine Ernte von 250 bis 300 Kilogramm erwartet, das sind etwa 3 Kilogramm pro Laufmeter. Und eine Erweiterung der Stellagen-Anlage auf nächstes Jahr ist bereits in Planung.