Das statistische Monatsheft von Agristat widmet sich Mai 2022 der Futtermittelbilanz aus dem Jahr 2020. Daraus geht hervor, dass in diesem Jahr der Anteil Inlandproduktion am gesamten verfügbaren Futter (in TS) 86,4 Prozent betrug. Bei Wiederkäuern liegt der Inlandanteil beim Futter (in TS) bei 92 Prozent, bei Monogastriern wie Geflügel und Schweinen hingegen bei 53,1 Prozent. Insbesondere was Energie und Protein angeht, kommt das Futter für diese Tiere in erster Linie aus dem Ausland, da v.a. Kraftfutter importiert werden, wie Agristat schreibt.

Keine eindeutige Definition

Was unter Kraftfutter zu verstehen ist, scheint in der Nachhaltigkeitsdiskussion einigermassen zentral sein. Allerdings gibt es laut Agristat keine eindeutige Definition, was oft zu Missverständnissen führe. Darunter sei in erster Linie Futter mit überdurchschnittlichen Gehalten zu verstehen, wobei es sich nicht zwingend um ein industrielles Mischfutter handeln müsse. Unter den Einzelfuttermitteln, die nach Agristat als Kraftfutter gelten, sind auch Getreide oder Nebenprodukte aus der Lebensmittelindustrie. Im statistischen Monatsheft bezeichnet man Folgendes als Kraftfutter:

  • Körner und Saaten
  • Trockene Hülsenfrüchte
  • Nebenprodukte der Müllerei und Ölherstellung
  • Verarbeitetes Grünfutter
  • Zucker und Melasse
  • Gluten und Kartoffelprotein
  • Futterhefe
  • Tiermehle
  • Unverarbeitete Fette und Öle
  • Ausserhalb des Betriebs verarbeitetes Grünfutter (z. B. Trockengras)

Nicht aber Saftfutter wie Treber, Trester, Knollen, Rüben, Schnitzel, Milch und Milchprodukte, Fleischsuppe usw. Zum Raufutter zählt Agristat Produkte von Wiesen und Weiden, Grünmais oder Stroh, das auf dem Hof frisch verfüttert oder konserviert werden.

In den Fütterungsrichtlinien 2022 von Bio Suisse hingegen werden Mühlennebenprodukte zum Grundfutter gezählt und somit nicht als Kraftfutter angesehen. Sowohl bei Bio Suisse als auch Agridea gilt der Grundsatz: Was nicht zum Grundfutter zählt, ist Kraftfutter.

Nur zum Teil industrielles Mischfutter

Wie gross der Anteil industrielles Mischfutter am Kraftfutter ist, hängt nach Angaben von Agristat von der Tierkategorie, der Tierrasse, der Produktionsrichtung (z. B. Eier oder Geflügelfleisch) sowie vom Betriebstyp (z. B. mit oder ohne Ackerbau) ab. Manche Landwirt(innen) produzieren und / oder mischen das Kraftfutter für ihre Tiere selbst, andere kaufen Einzelfuttermittel als Ergänzung für die Ration zu. Nähere Erhebungen zu diesen Unterschieden gebe es nicht, weshalb Agristat auf Hochrechnungen und Schätzungen zurückgreifen muss.

Das Ende der Milchkontingentierung steigerte den Kraftfutterverbrauch

Wenn man die Entwicklung des Kraftfutterkonsums (Kraftfutter nach der Definition von Agristat) über die letzten 20 Jahre anschaut, fällt ein deutlicher Anstieg zwischen 2005 und 2007 auf. Agristat führt das auf das Ende der Milchkontingentierung und der damit einhergehenden Intensivierung der Produktion zurück. Tendenziell stieg die eingesetzte Kraftfuttermenge stetig, von 540 kg Frischsubstanz pro Kuh und Jahr 2000 auf 830 kg 2020. Der grösste Teil dieses Kraftfutters sei industrielles Mischfutter, der Rest hofeigenes Kraftfutter und zugekaufte Einzelkomponenten.  Da aber auch die Milchleistung der Kühe gestiegen ist, blieb die Menge industrielles Mischfutter pro kg Milch nach 2007 annähernd konstant.

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Definition von GVE ist international unterschiedlich

Im Vergleich zu den EU-Ländern wird in der Schweiz überdurchschnittlich viel zugekauftes Mischfutter pro GVE in der Produktion von Schweinefleisch eingesetzt. Das könnte man auf den ersten Blick jedenfalls schlussfolgern, doch wie Agristat festhält, berechnet der europäische Statistikdienst Eurostat die GVE anders. Nutzt man dieselbe Berechnungsgrundlage, liegt die Schweiz in einem ähnlichen Bereich wie Spanien oder Italien, aber über den Werten für Frankreich oder Deutschland. Besonders tief ist die Menge zugekauftes Mischfutter pro Schweine-GVE in Österreich. Die Gegenüberstellung erschweren weiter die Viehkategorien in den inländischen Strukturdaten, die nicht mit jenen der EU vergleichbar seien. Hier sei der Einfluss auf das Gesamtbild aber kleiner als bei den GVE-Definitionen.

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Länderspezifische Fütterungspraxis verzerrt das Bild

Auch wenn alle methodischen Unterschiede berücksichtigt werden, bleibt der Einsatz von industriellem Mischfutter in der Schweinehaltung und bei anderen Nutztieren länderspezifisch. Das liege nicht unbedingt an der Effizienz, schriebt Agristat, sondern habe vielmehr mit der Fütterungspraxis zu tun: österreichische Schweinehalter(innen) seien demnach meist in Ackerbaugebieten angesiedelt und würden daher viel Körnermais oder Mischungen aus hofeigener Produktion einsetzen. «Diese Praxis hält den Einsatz industrieller Mischfutter und die Kosten tief», heisst es weiter, «auch wenn sie einen negativen Einfluss auf die Fettqualität der Schweine haben dürfte».

Würde man im internationalen Vergleich Kraftfutter breiter definieren als mit zugekauftem Mischfutter, sähe das Bild somit wieder anders aus.

Als Spezialität der Schweizer Fütterungspraxis wäre zu erwähnen, dass die hiesigen Schweine oft Schotte, Melasse, Biertreber, Fett oder andere Nebenprodukte aus der Lebensmittelindustrie vorgesetzt bekommen.

160 bis 180 Gramm Mischfutter pro Ei

Beim Geflügelsektor hat Agristat Hochrechnungen erstellt, da die Mischfutterumsätze für die ganze Schweiz unbekannt seien. Im Allgemeinen über mehrere Jahre gesehen kommt man so auf etwa 160 bis 180 Gramm pro Ei. Dabei wurde das Mischfutter für die Aufzucht der Junghennen dazugezählt, was bedeutet, dass der Futterverzehr pro Ei überschätzt wird. Da Geflügel empfindlicher ist in Bezug auf die Zusammensetzung der Ration nutzen Geflügelhalter das Angebot industrieller Futtermittelfabrikanten, die eine konstante Qualität der der Ware gewährleisten. Nur selten werde die Ration mit anderen Futtermitteln ergänzt, so Agristat.

Weniger Truten heisst weniger Mischfutter

In den vergangenen 20 Jahren zeigen sich beim Verbrauch von industriellem Mischfutter pro Kilo Schlachtgewicht beim Geflügel Schwankungen zwischen etwa 1,9 und 2,6 kg. Agristat macht zwei Phasen aus:

  • Vor 2010: Werte zwischen 2,5 und 2,9 kg
  • Nach 2010: Werte zwischen 1,9 und 2,4 kg

Eine mögliche Erklärung sieht man in der Drosselung der Trutenproduktion, denn diese Tiere gelten als schlechtere Futterverwerter als Poulets. Es könnten aber auch statistische Gründe sein – genau wie bei den Schwankungen des Mischfutterverbrauchs je Ei.

Die erwähnte und alle bisherigen Ausgaben des Statistischen Monatshefts finden Sie hier.