Von 1956 bis in die 1970er-Jahren bot der Schweizerische Protestantische Volksbund (SPV) sogenannte Bauernschulungskurse an. Diese Ausbildung dauerte zwei Monate und traf «den Lebensnerv der Landwirtschaft», wie der SPV in einer Mitteilung schreibt.

Doch inwiefern trafen diese Kurse den «Lebensnerv»? Dieser Frage und der Frage, weshalb die Kurse Ende der 70er-Jahre wieder von der Bildfläche verschwanden, ist der Thurgauer Theologiestudent und Bauernsohn Florian Aeberhardt im Rahmen einer Seminararbeit mit dem Titel «Geistig lebendig säen und ernten» nachgegangen.

Starke Persönlichkeiten ausbilden

Wie der SPV in seiner Mitteilung schreibt, stellt Florian Aeberhardt in seiner Arbeit die Bauernschulungskurse des SPV vor den Hintergrund der Agrarrevolution nach dem Zweiten Weltkrieg. Die ergänzende Schulung sollte demnach neben der Vermittlung von praktischem Wissen zum Leben in Familie und Gesellschaft auch die Schulung von Charakter und Persönlichkeit der Bäuerinnen und Bauern stehen.

«Nicht nur fachliche Unterweisung und damit eine Auseinandersetzung mit den augenscheinlicheren Folgen der Agrarrevolution wurde als notwendig gesehen, sondern eine Sicht, die möglichst alle Lebensbereiche beleuchtet, um starke Persönlichkeiten zur Bewältigung dieser Revolution herauszubilden. Dabei stand der SPV offen zu seiner Überzeugung, dass der christliche Glaube das entscheidende Fundament bildet», teilt der SPV mit.

Glaube war prägend, aber nicht aufdringlich

«Die Bauernschulungskurse gingen auf die Lebenswelt der Leute sehr breit ein», hält der SPV fest. Sie hätten mit hoher Verständlichkeit und starkem Praxisbezug überzeugt.  Zum Beispiel wurde das Gelernte direkt bei Übungen angewendet, etwa bei einer gespielten Gemeindeversammlung oder verschiedenen Exkursionen.

«In diesem Vorgehen war der christliche Glaube sehr prägend, ohne dabei aufdringlich zu werden», betont der Verband. Thematisch und inhaltlich war die Schulung demnach breit angelegt. Sie umfasste Fächer und Themen wie Glaubenslehre, Lebenskunde, Agrarprobleme, Staatsbürgerkunde, Redeschulung, Literatur, Geschichte, Fragen der Dorfkultur und Bilder aus der ausländischen Landwirtschaft.

Präsentation im Rahmen der Feier

Florian Aeberhardt wird die Schlüsse seiner Studie am Sonntag in Frauenfeld präsentieren (siehe Kasten unten). Sein Referat ist eingebettet in die Feierlichkeiten anlässlich des hundertsten Jubiläums des SPV. Neben einem Festgottesdienst steht auch eine Podiumsdiskussion zum Thema «Zukunft des Protestantismus» auf dem Programm.

Im Fazit seiner Seminararbeit hält Aeberhardt fest, dass die Kurse über ihr «Ende» hinaus viele Früchte getragen hätten. Dazu gehört demnach, dass in der Landwirtschaft das neue Angebot der Betriebshilfe entstand. Wie er herausgearbeitet hat, konnten auch die evangelischen Heimstätten und Tagungszentren wie Wartensee auf dem Rorschacherberg und Boldern im zürcherischen Mänedorf von der Pionierarbeit des Volksbundes manches lernten. Auch ein Verein von Ehemaligen der Bauernschulungskurse besteht bis heute.

Zur Veranstaltung
Der Jubiläumsanlass des SPV in Frauenfeld TG findet am Sonntag, 15. Juni von 10 bis 15 Uhr in der evangelischen Kirche St. Johanna, Kurzdorf, statt. Die Feier wird mit einem Festgottesdienst eröffnet, dann folgen das Referat von Florian Aeberhardt und ein Apéro riche. Am Nachmittag gibt es Podiumsgespräche rund um das Thema «Zukunft des Protestantismus».