Arbeitsscheu, auf das Handy fixiert und «selbstfürsorgend». Alles Begriffe, die nicht selten für die Beschreibung der Generation Z gebraucht werden. Was ist dran am Ruf, der jungen Menschen anhängt, die im Zeitraum zwischen 1997 und 2012 geboren wurden? Nicht viel, findet der Marketing-Unternehmer und Gen-Z-Analytiker Yannick Blättler aus dem luzernischen Kriens. Für Firmen unternimmt er verschiedenste Datenanalysen und versteht deshalb, wie diese Generation und auch die jüngere Generation «Alpha» funktionieren. Eine wertvolle Fähigkeit, vor allem für diejenigen, die bemüht sind, ebendiese Leute anzusprechen, anzustellen und zu binden. In Anbetracht der aktuell sehr hohen Auflösungsquoten von Lehrverträgen, kann man davon ausgehen, dass ihm die Arbeit momentan nicht ausgeht.
Ein Viertel aller Lehrverträge aufgelöst
Was sagen diese Daten denn über die Generation Z aus? Der Experte beobachtet, dass Menschen aus dieser Epoche eng mit sich im Kontakt sind, eine sinnvolle berufliche Tätigkeit suchen und auch einmal sagen, wenn ihnen etwas nicht passt. Sind das die Gründe, warum die Auflösung von Lehrverträgen – bei jungen Frauen insbesondere – noch nie so hoch war wie jetzt? Laut dieser aktuellen Statistik wurden über alle ausgewerteten Berufe 24,3 % aller Lehrverträge aufgelöst (vorzeitige Beendigung des Vertrags mit einem Lehrbetrieb) – 5,2 % wurden abgebrochen, das heisst, es gab einen vollständigen Ausstieg aus der beruflichen Grundbildung.
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Bei Konfliktfällen an erster Stelle
In 87,9 % der Fälle liegen die Gründe tatsächlich bei den Lernenden selber, wie die Daten zeigen. Diese Personen gaben an, die falsche Berufs- oder Lehrbetriebswahl getroffen zu haben, unter gesundheitlichen Beschwerden zu leiden, Pflichten verletzt oder schlechte schulische Leistungen zu haben. Die Vertragsauflösung aufgrund eines Konflikts zwischen den Vertragsparteien wurde von den Landwirten von allen analysierten Berufsgruppen mit 23,2 % am häufigsten angegeben. Nur die Dentalassistentinnen und die Kosmetiker bewegen sich in diesem Bereich auf einem ähnlich hohen Niveau. Warum ist das so?
Die naheliegende Vermutung, dass so viele angehende Landwirte und Landwirtinnen ihre Lehrverträge auflösen, weil einerseits die Arbeitslast sehr hoch ist, die Ruhezeiten kurz, die Wochen lang und das Zusammenleben intensiv, bestätigt der Schweizer Bauernverband (SBV). Gegenüber dem «Tagesanzeiger» hält er allerdings fest, dass man keine systematischen Rückmeldungen erhalte und daher die Quote nicht direkt beurteilen könne.
Branchenkennerinnen wissen aber, dass praktisch niemand die Landwirtschaftslehre abbricht, weil ihm der Beruf nicht gefällt. Es würden einfach bewusstere Entscheide getroffen als in anderen Berufen mit den wirklich hohen Abbruchquoten, so die Interpretation des SBV. Denn laut dem Bundesamt für Statistik machen von diesen «Abbrechern» knapp 90 % auf einem anderen Betrieb weiter. Und das ist ja eigentlich eine gute Nachricht, wie die Bildungsverantwortliche des SBV die Zahlen deutet.
Zweiter Anlauf beruhigt
Glück im Unglück also? Sicherlich ist es beruhigend zu wissen, dass die meisten angehenden Landwirtinnen und Landwirte auch nach einem schwierigen Start mit der Bauernfamilie, einem moralischen Tiefpunkt oder einer schlichten Überarbeitung dennoch den Mut nicht verlieren, auf einem anderen Ausbildungsbetrieb einen zweiten Anlauf zu nehmen. Aber nachhaltiger und psychologisch gesünder wäre es, wenn wir ihnen den Einstieg in das Berufsleben, der in diesem Beruf auch immer gleich eine grosse Lebensumstellung bedeutet, etwas erleichtern könnten.
Eine Herausforderung dabei bleibt die fehlende Linie zwischen Arbeit und Feierabend. Deshalb gibt es auch keine klare Linie zwischen Beruf und Leben. Die Arbeit geht in die Freizeit über – und umgekehrt. Das erschwert den Lernenden das Abstandnehmen nach einem langen Tag mit dem Lehrmeister oder der Lehrmeisterin. Das morgendliche Melken als Erholung anschauen, Emd zetten über den Mittag und Kalbern um Mitternacht: Das sind Begebenheiten, auf die sich auch die heranwachsenden Berufsleute einlassen müssen. Sie tun es – wie die älteren auch – aus Leidenschaft. Oftmals wenig Zeit bleibt dabei für die Menschen selbst, die das alles möglich machen. Darum sind es keine verschwendeten Worte, einmal mehr nachzufragen, wie es der heranwachsenden Generation geht. Denn laut einer repräsentativen Studie des Zentrums Arbeit und psychische Gesundheit geben 60 % aller Jugendlichen an, unter psychischen Problemen zu leiden – das sind drei von fünf Jugendlichen.
Die Psychohygiene, also das Sorgetragen zur psychischen Gesundheit, ist kein städtischer Trend, es betrifft auch die ländliche Bevölkerung – und vor allem die Generation Z. Will die Branche ihre Zukunft sichern, dann sind die Menschen darin wertvoller als das Betriebsinventar. Selbstfürsorge ist der erste Schritt dahin, auch wenn in der Umsetzung Konfliktpotenzial schlummert.
