Es gibt keine Patentrezepte, die niemandem weh tun.» So liess sich die damalige Berner Volkswirtschaftsdirektorin Elisabeth Zölch am 31. Januar 1997 in der BauernZeitung zitieren. Zuvor war im Berner Grossen Rat eine emotionsgeladene Abstimmung über die Bühne gegangen. Mit 88 Ja- zu 85 Nein-Stimmen, bei 3 Enthaltungen, fiel der Entscheid zugunsten des Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrums (LBBZ) Rütti in Zollikofen. Die beiden Schulstandorte Waldhof und Ins wurden geschlossen.
Der Kanton Bern musste, wie so oft in seiner Geschichte, sparen. Mehrere Landwirtschaftsschulen mussten weichen. Zudem wollte man einen weiterführenden Kampf um Schülerzahlen verhindern. Trotz der immensen Grösse des Agrarkantons schienen die Standorte zu zahlreich und die Kosten zu hoch. Zölch stellte bereits damals in Aussicht, dass am Waldhof ein Hauswirtschaftszentrum und in Ins ein Gemüsezentrum entstehen könnten. Der Kanton hatte klare Pläne.
Eine Schliessung nach der anderen
Ich habe diese Zeit, obschon sie ein Vierteljahrhundert zurückliegt, in lebhafter Erinnerung. Während meiner Praktikumsmonate am Waldhof in Langenthal trugen viele Angestellte und Schüler einen Pullover mit der Aufschrift: «LBBZ Waldhof muss bleiben.» Es war ein Kampf gegen Windmühlen. Denn trotz der Argumentation, die Bildung gehöre in die landwirtschaftlich geprägten Regionen und nicht in die Stadtnähe, wusste man bereits früh, dass man unterliegen könnte. Und so kam es denn auch – wenn auch knapp.
Die Standortschliessungen gingen weiter. Auch der Schwand in Münsingen musste über die Klinge springen. Vom Kampf zwischen den beiden Standorten Rütti und Schwand habe ich erst später erfahren. Ich wusste zwar, dass es mehrere Standorte gibt, mein Herz schlug aber in erster Linie für den Waldhof. Dieser Kampf zwischen der Rütti und dem Schwand war auch unter den Absolvent(innen) zu spüren. «An der Rütti sind die Landwirte – am Schwand die Bauern», sagte mir einst ein Rütti-Absolvent und liess mich damit erahnen, dass es nicht nur um eine einfache Schulschliessung ging.
Die Identifikation mit der Ausbildungsstätte
Die Identifikation mit den Schulstandorten war in landwirtschaftlichen Kreisen lange sehr hoch. Als Städterin war mir eine solch intensive Verbindung mit einer Ausbildungsstätte völlig fremd. Die regelmässigen Besuche und die vielen Gespräche in den vergangenen 25 Jahren haben mir einen komplett neuen Blickwinkel eröffnet. Zur starken Bodenhaftung dieses Berufsstands, ob man sich nun Landwirt oder Bauer nennt, haben die landwirtschaftlichen Schulen einen entscheidenden Beitrag geleistet. Wie mir ein heute über 70-jähriger Landwirt einmal berichtete, hätte am Emmentaler Schulstandort Bäregg das Herz eines Tierzuchtlehrers für die Holsteinkuh geschlagen. Er und nur er sei der Grund, weshalb in Emmentaler-Ställen schwarze Bestände stünden, erklärte mir jener Bauer.
Mit der unausweichlichen Aufgabe dieser Schulstandorte wurde der Stolz der landwirtschaftlichen Bildung im Kanton Bern in die Erinnerung verbannt. In Archiven finden wir Bilder und Filme. Jüngst hat die BauernZeitung eine Perle des Schweizer Fernsehens publiziert. «Pferdestärken in der Landwirtschaft – früher und heute» zeigt, mit einem Blick zurück in die Zeit der Schwarz-Weiss-Aufnahmen, welche Bedeutung das Freibergerpferd vor rund 40 Jahren noch hatte. Im Zentrum des Films – der Schwand in Münsingen. Er war ein zentraler Standort für die Pferdezucht in der Region. Dank des Engagements dieser Menschen am Schwand kannte man ihn aber weit über die Grenzen seines Einzugsgebiets hinaus.
Der Frust ist gross
Das ist Geschichte. Am 8. Dezember kommt das Monument von Münsingen unter den Hammer. Und obschon der Anfang dieser Geschichte rund 25 Jahre zurückliegt: Die bevorstehende öffentliche Versteigerung einer der renommiertesten Landwirtschaftsschulen der Schweiz hinterlässt Kopfschütteln, Wehmut und Enttäuschung. Warum liess der Kanton Bern es so weit kommen? Warum hat er derart lange zugeschaut und nicht gehandelt? Die Ungewissheit jener Leute, die heute am Schwand «ihre Heimat» haben und noch nicht wissen, wie es weitergeht, steigert den Ärger. Den Frust ein wenig schmälern könnte der Kanton selber, nämlich indem er jetzt den Schwand wieder zurückkauft und den dort Ansässigen ihre Heimat erhält und dadurch auch die Bio-Schule rettet. Die Hoffnung stirbt zuletzt oder im Fall des Schwands am 8. Dezember.