Auf dem Betrieb von Nationalrat Alois Huber und seiner Frau Silvia in Wildegg im Kanton Aargau läuft etwas. «Das ist so. Lernende, die hier einen Teil ihrer Ausbildung absolvieren möchten, dürfen tatsächlich nicht scheu sein», sagt Huber mit einem Schmunzeln. Darauf achten Hubers auch, wenn es um die Auswahl der Lernenden geht.
Zwischen Wohnhaus und Stall verläuft nämlich die Zufahrt zum Schloss Wildegg – einem beliebten Ausflugsziel im Kanton Aargau, besonders an einem schönen Frühlingstag wie heute.
Viele Verbände, viele Sitzungen
«Aktuell sind Kinder von einem Bekannten bei uns in den Ferien und es führen auch Wanderungen an unserem Betrieb vorbei. Deshalb gibt es viele Leute, die Fragen haben und interessiert sind. Es ist unsere Aufgabe, uns Zeit zu nehmen und zu erklären», so Alois Huber. Auch den früheren Partyraum im Ökonomieteil nutzt der SVP-Nationalrat heutzutage für Sitzungen aller möglicher Verbände, denen er vorsitzt oder die er sogar präsidiert. So zum Beispiel des Pächterverbandes, von Mittelland Milch, der Milchproduzenten Mittelland, oder als Vize-Präsident des Schweizer Bauernverbandes (SBV) sowie als Co-Präsident von Green Care Schweiz.
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«Heim» sagt man nicht mehr
Auf die Frage, wie er im Vorstand der Organisation Green Care Schweiz gelandet sei, meint Alois Huber, dass das vermutlich mit seiner Arbeitserfahrung auf dem Gutsbetrieb und Kinderheim Hermetschwil zu tun habe. Dort arbeitete er von 1991 bis 1999 als landwirtschaftlicher Betriebsleiter und machte zahlreiche wertvolle Beobachtungen mit den Kindern aus dem Heim. Wobei der Begriff «Heim» ja heute belastet und veraltet sei, so der Landwirt. Huber spricht damit die historische und soziale Stigmatisierung des Wortes an. In der Sozialarbeit, der Pflege und der Pädagogik spreche man heute vielmehr von «Einrichtungen», «betreutem Wohnen» oder «Pflegeeinrichtungen».
Er stellte fest, dass die Kinder der Einrichtung in Hermetschwil meistens früher selbstständig waren, obwohl sie teils erheblich von einem instabilen elterlichen Umfeld geprägt worden waren. Auf dem Gutsbetrieb, den er zusammen mit seiner Frau seit 1999 pachtet, erinnert er sich an die intensive Zeit in Hermetschwil. Für die junge Familie sei das Umfeld des Kinderheims angenehm gewesen. «Die jungen Mädchen waren so fürsorglich gegenüber unseren Kindern und kümmerten sich mit grösster Hingabe um sie, wenn wir einmal für ein paar Stunden vom Hof weg mussten.» Dieses «Ämtli» hätten andere Kinder ausserhalb des Heims im selben Alter wohl nicht so liebevoll und fürsorglich gemacht, meint er.
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Vorteil nutzen
Auf dem Rundgang über den Bio-Betrieb gibt Alois Huber zu, dass es manchmal herausfordern sei, in einem Dachverband tätig zu sein, ohne die bestehenden und verwandten Institutionen zu konkurrenzieren. Aber er merke auch, dass sein Amt im Nationalrat für gewisse Verhandlungen von Vorteil sei. «Ja, das ist schon so», stellt er fest. «Das ist auch nicht grundsätzlich schlecht. Die Leute wählen die Nationalräte und Nationalrätinnen, von denen sie sich am ehesten vertreten fühlen. Entsprechend sehe ich es als meine Aufgabe an, diese Brücken von der Basis beispielsweise zu einem Bundesamt zu schlagen.»
Diesen Hebel nutzt er also, um den Dachverband Green Care Schweiz zusammen mit seinem Nationalratskollegen und Co-Präsidenten Raphaël Mahaim aus dem Waadtland voranzubringen – die Geschäftsführung obliegt Simone Hunziker. Huber ist überzeugt von der Tätigkeit des Verbandes. «Die Bauernfamilien, die Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen oder aus schwierigen Verhältnissen aufnehmen, entlasten den Staat direkt», sagt er. «Aber es darf nicht sein, dass nur der Staat vom Goodwill der Bauernfamilien profitiert», so Huber weiter. Deshalb engagiere sich der Verband Green Care Schweiz aktuell, wirtschaftlich nachhaltige Lösungen für die Bauernfamilien zu erarbeiten.
Tarife müssen her
Der erste Schritt in diese Richtung ist die Einführung von Tarifempfehlungen. Dabei gibt es eine Empfehlung für die Zusammenarbeit mit Vermittlungsorganisationen und eine Empfehlung ohne die Zusammenarbeit mit solchen Familienplatzierungs-Organisationen. Dabei wird laut Green Care Schweiz die Tarifberechnung anhand der landwirtschaftlichen Richtlohnliste von Agrimpuls erstellt und für die Betreuungsdienstleistung angepasst. Es empfehle sich, eine schriftliche Vereinbarung für das Betreuungsverhältnis aufzusetzen, heisst es. «In der Praxis zeigt sich für viele Anbietende, dass grosse kantonale Unterschiede bestehen: Während manche Kantone Betriebsbewilligungen mit Fach- und Betriebskonzepten verlangen, kennen andere Kantone die Angebote im ländlichen Raum kaum. Nebst der Bewilligung sind aber auch die Finanzierung sowie die qualitativen Anforderungen an die Betreuenden kantonal unterschiedlich.»
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Nach dem Exkurs in die therapeutische Landwirtschaft geht es auf dem Betriebsrundgang weiter. Alois Huber scheint die Bedürfnisse von heute schon vor 30 Jahren erkannt zu haben. Der Milchviehstall, den er damals beim Abschluss des Pachtvertrages im Baurecht erstellen liess, ist noch heute tierschutzkonform und auf dem Schlossgut Wildegg sitzt man nicht auf dem Melkstuhl, sondern steht mit geradem Rücken im Melkstand. Auch der Mast-Schweinestall mit den vier Buchten à 25 Plätze können Hubers nach wie vor nach den Bio-Suisse-Vorschriften zur Mast nutzen.
Dieser Weitblick dürfte Huber auch in seiner Tätigkeit bei Green Care Schweiz zugutekommen.
Betriebsspiegel Schlossgut Wildegg
Alois und Silvia Huber
Arbeitskräfte: 2 Lernende, Tochter und polnische Mitarbeiter
Ort: Gutsbetrieb Schloss Wildegg AG
Betrieb: Weizen (Versuchsanbau), Silomais, Kartoffeln, Kunstwiese, Naturwiese, Ausgleichsfläche, Baumkulturen, Direktvermarktung im Hofladen
Viehbestand: 60 Milchkühe, 45 Aufzuchtrinder (teilweise im Aufzuchtvertrag), 100 Mastschweine, 23 Mutterschafe, 150 Legehennen, 3 Ziegen, 4 Pferde, 3 Shetland-Ponys