Ein minimaler Sozialversicherungsschutz für die Bäuerin dürfte ab 2022 zur Pflicht werden. Das zeigte sich am Agrarpolitikabend am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg in Gränichen (AG) am vergangenen Donnerstag. Es ist allerdings eine reduzierte Variante: Die zusätzliche Altersvorsorge wurde gekippt, vorgesehen ist nur eine Pflicht zur Risiko-Versicherung bei Arbeitsausfall, Invalidität und Tod, wie Daniel Meyer vom BLW informierte.

 

Diese Versicherungen sind vorgesehen

Der aktuelle Vorschlag zur sozialen Absicherung des mitarbeitenden Ehegatten - meist ist das die Bäuerin – ist Teil der AP22+ und gelangt im ersten Quartal 2020 ans Parlament. Obligatorisch werden sollen eine Risiko-Vorsorge für Invalidität und Tod als Säule 2b- oder Säule 3a/3b-Lösung (jährliche Rente von 24 000 Franken oder 300 000 Franken Kapital) sowie eine Taggeldversicherung bei Krankheit und Unfall (100 Franken pro Tag bei einer Wartezeit von 60 Tagen).

Auf rund 15 000 Betrieben besteht gemäss Daniel Meyer vom BLW Handlungsbedarf. Nämlich dort, wo die Partnerin oder der Partner massgeblich auf dem Betrieb mitarbeitet (sodass einer familienfremden Person 8100 Franken für die entsprechende Leistung bezahlt werden müssten), aber kein ausreichendes eigenes Einkommen ausweist (BVG-Eintrittsschwelle von 21 333 Franken). Von der Pflicht befreit sind Personen über 55 Jahre; weitere Ausnahmen sind in Diskussion.

Nach einer zweijährigen Übergangsfrist sollen fehlbare Betriebsleitende mit der Kürzung von Direktzahlungen bestraft werden.

 

Die Leistung der Bäuerin hat ihren Wert

Lotti Baumann, die Präsidentin des Aargauer Landfrauenverbands (ALFV), hielt ein flammendes Plädoyer für die Sozialversicherung: Es sei demütigend, wenn die Arbeit einer Frau buchhalterisch nichts Wert sei und es sich nicht lohne, dafür ein Einkommen auszuweisen. Ein Obligatorium sei sinnvoll, weil die Bäuerin häufig die Familie und den Betrieb ins Zentrum stelle, zuerst für alle anderen und zuletzt für sich selber schaue. Zudem komme sie meist als Ehefrau des Sohnes in ein bestehendes System und da sei es schwierig, sich durchzusetzen.

Der aktuelle Vorschlag kann beim Bauernverband zwar nicht mit Begeisterung, aber mit Akzeptanz rechnen. Das liess Alois Huber als Vertreter des Schweizerischen und des Aargauischen Bauernverbands durchblicken. Nicht die Sozialversicherung selber, sondern der Zwang dazu mit drohenden Direktzahlungskürzungen ärgert die Bauern und auch manche Bäuerin. In keinem anderen Beruf gebe es eine solche Bevormundung, sagte SVP-Nationalrat Huber. Den administrativen Aufwand bezahle schlussendlich die Landwirtschaft, zudem seien die Beiträge für finanziell schwache Betriebe tatsächlich ein Problem.

Absicherung der Bäuerin ist heute schon möglich

Agrisano-Versicherungsfachmann Marco Käppeli informierte an der Liebegg über das Sozialversicherungssystem in der Schweiz und den Sonderstatus der Landwirtschaft. Er thematisierte weiter die Einkommensaufteilung. Eine generelle Lohnzahlungspflicht für die Bäuerin, wie auch schon gefordert wurde, halte er nicht für sinnvoll, eher die Pflicht zur Beratung. Denn auf den einzelnen Betrieben seien die Situationen sehr unterschiedlich.

Dass die Altersvorsorge aus der Vorlage gekippt wurde, kritisierte Christoph Hagenbuch, BVA-Vizepräsident und SVP-Grossrat, scharf: Wenn sich ein Betrieb die Altersvorsorge der Bäuerin nicht leisten könne, sei dringend eine Betriebsberatung angebracht. Weitere Redner wiesen auf den Stellenwert der Eigenverantwortung hin - auch wenn das Thema in jungen Jahren nicht gerade unter den Nägeln brenne. Eine gute Absicherung der Bäuerin sei bereits heute möglich, auch ohne Obligatorium.

Mehr zum Liebegger Agrarpolitikabend lesen Sie in der Print-Ausgabe der BauernZeitung Zentralschweiz/Aargau vom 17. Januar.