Wer profitiert von der Schweizer Landwirtschaft? Mit dieser Frage befasste sich das Zentralschweizer Junglandwirteforum am letzten Mittwochabend. Diese Thematik zu beantworten versuchten Jérôme Meyer, CEO Aldi Suisse AG, und Mathias Binswanger, Vizepräsident Faire Märkte Schweiz. Nationalrätin Meret Schneider musste sich krankheitsbedingt vom Podium abmelden.
Landwirtschaft für Krisen
«Wir alle profitieren von einer produzierenden Schweizer Landwirtschaft, denn diese führt zu einer gewissen Unabhängigkeit vom Ausland», erklärte Mathias Binswanger gegenüber einer grossen Zahl von jungen Landwirten und Landwirtinnen in der Mehrzweckhalle in Dallenwil. «Denn immer, wenn irgendwo im Ausland ein Problem entsteht, denkt jedes Land an die eigene Bevölkerung und stellt die Exporte ein», so der Ökonom weiter. Diese Problematik sei auch der Grund für die Einführung von Direktzahlungen und Grenzzöllen gewesen, welche die Existenz der Schweizer Landwirtschaft heute überhaupt noch ermöglichten. [IMG 2]
Einzigartige Marktmacht
Das Ziel der Direktzahlungen müsse sein, dass die Bauern dadurch zusammen mit den Produkterlösen ein entsprechendes Einkommen, das heisst 28 Franken Stundenlohn erreichen sollten. Dieses Ziel werde aber insbesondere im Berggebiet bei Weitem nicht erreicht. Gründe dafür seien neben den kostenintensiven Vorleistungen, mit welchen die Schweizer Bauern arbeiten müssten, primär die tiefen Produzentenpreise und die hohen Margen des Detailhandels. Die Marktmacht der beiden orangen Riesen sei enorm und europaweit einzigartig. Dazu komme, dass diese auch in der Verarbeitungsindustrie bestimmend seien.
Überhöhte Labelmargen
Der Anteil des Detailhandels an der Wertschöpfung sei speziell bei Labels wie Bio hoch. Auch wenn der Detailhandel bei Bioprodukten einen gewissen Mehraufwand habe, würde dieser die teils horrenden Margen nicht rechtfertigen. Gleichzeitig würden die Mehrerlöse der Bauern für Bioprodukte ihre höheren Produktionskosten vielfach nicht decken. Diese Marktverhältnisse im Biosegment würden dazu führen, dass einerseits infolge fehlender Wirtschaftlichkeit aktuell nur wenige Landwirte neu in die Bioproduktion einsteigen würden, anderseits wegen der hohen Preise im Laden auch die Absatzmengen bei Bio nur sehr langsam wachsen würden. Dass es aber bei Bio auch mit weniger Marge gehen würde, zeigten die Discounter in der Schweiz. [IMG 4]
Diesen Steilpass nahm Aldi-Suisse-AG-CEO Jérôme Meyer gerne auf. Sein Unternehmen sei im Biobereich in den letzten Jahren stark gewachsen, so der im Südelsass aufgewachsene Bauernsohn. Der Absatz der Produkte des Aldi-Biolabels «Retour aux sources» gehe momentan durch die Decke. «Wir wollten eigentlich mit der Bio-Knospe arbeiten. Als dann Bio Suisse nach einem zehnjährigen Aufbauprozess die Bedingung mittels einer Nacht-und-Nebel-Aktion erneut verschärfte, stoppten wir unsere Bemühungen und entwickelten unser eigenes Label.»
10 Rappen Mehrpreis
Die Richtlinien von Bio Suisse seien bei Aldi aber Mindeststandard. Aldi habe jedoch Biobauern gesucht, die noch weiter gehen wollten, so Jérôme Meyer. Daraus wuchs eine Zusammenarbeit mit Biomilchbauern, welche eine antibiotikafreie Milchproduktion praktizierten. Die daraus entstandene Zusammenarbeit sei eine Erfolgsgeschichte: «Wir bieten Bioprodukte zu erschwinglichen Preisen an und garantieren beispielsweise den Milchbauern zehn Jahre lang mindestens zehn Rappen Mehrpreis über dem normalen Biopreis.» Die Anzahl Biomilchproduzenten sei mittlerweile von 180 auf heute 400 angestiegen. [IMG 3]
Aldi sucht Pouletmäster
Aldi sei sehr glücklich mit seiner eigenen Biomarke. «Wir brauchen mehr von euren Produkten», appellierte er an die Junglandwirte. Aldi erhalte aktuell beispielsweise kein Schweizer Pouletfleisch und müsse dieses aus dem süddeutschen Raum importieren. Wann Aldi denn seinen ersten Pouletschlachtbetrieb in der Schweiz bauen werde, um so die Marktmacht zu durchbrechen, wollte ein Junglandwirt während der Podiumsdiskussion wissen. «Wir von Aldi möchten weder Landwirtschaftsbetriebe noch Schlachthöfe betreiben, wir sind Detailhändler», so Meyer. Wenn Landwirte bereit seien, in Geflügelställe zu investieren, dann werde sich Aldi engagieren. «Den Schlachthof dazu werden wir dann schon finden.»