Die muttergebundene Kälberaufzucht oder Mutter-Kalb-Haltung (kurz Muka) ist eine Haltungsform in der Milchproduktion, bei welcher die Kälber nicht von ihrer Mutter getrennt werden. Im Unterschied zur Mutterkuhhaltung in der Fleischproduktion werden die Kühe aber weiterhin gemolken und die Milch verkauft oder weiterverarbeitet. Noch ist die Aufzucht von Kälbern an der Milchkuh eine Nische – es gibt in der Schweiz erst wenige Milchbetriebe, welche diesen Weg gehen.
(Noch) keine Neubauten
Bislang wurde auch noch kein Stall explizit für diese Haltungsform gebaut, erste entsprechende Projekte befinden sich aber in der Planungsphase. Wer auf die muttergebundene Aufzucht umstellen will, findet bei der Fachstelle Muka Unterstützung. Diese befindet sich seit 2021 im Aufbau und unterstützt Landwirt(innen) bei der Umstellung auf muttergebundene Kälberaufzucht, vernetzt Betriebe untereinander, stellt Fachwissen bereit und sucht Antworten auf noch offene Fragen. Und von diesen gibt es zahlreiche. Viele von ihnen können beantwortet werden, praxisbezogen, aber auch wissenschaftlich hinterlegt. Für andere sind noch weitere Studien und zusätzliche Erfahrungswerte nötig.
Und genau das sei ein wichtiges Ziel der Fachstelle, Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis zu verbinden und gemeinsam nachhaltige Lösungen zu den vorhandenen Herausforderungen zu finden, erklärt Tierärztin Cornelia Buchli im Gespräch mit der BauernZeitung. Auch wenn dem Ganzen zum Teil Grenzen gesetzt sind, einen Stall, in dem die Aufzucht der Kälber an der Mutterkuh nicht möglich wäre, kennt Buchli nicht. Auch im Fall von Anbindeställen sei ein Umsetzen grundsätzlich möglich. Allerdings – durch die Tierschutzverordnung – nur mit Einschränkungen. Zum Schutz der Mutter und zur Sicherstellung von deren Ruhe, dürfen die Kälber nämlich nur während kurzer Zeit zu ihren Müttern.
Mit Roboter kompatibel
In Ställen mit hohem technischen Standard wie Roboter-Betrieben sei eine muttergebundene Aufzucht ebenfalls möglich. Während in der Schweiz nur in ganz vereinzelten Roboterbetrieben die Kälber mitlaufen, hat man in Deutschland schon gute Erfahrungen gemacht. «Je nach Roboter ist eine Umsetzung sehr einfach möglich. Dann nämlich, wenn die Viertel individuell gemolken werden», erklärt die Tierärztin.
Wer mit der muttergebundenen Aufzucht liebäugelt, kann bei der Umstellung nicht auf ein Patentrezept abstützen. «Man kann es schlecht einheitlich machen. Die betrieblichen, aber auch die tierindividuellen Unterschiede sind gross – und genau das ist auch die Herausforderung. Einerseits gibt dieses System mehr Flexibilität, andererseits braucht es diese aber auch – beim Tier wie auch bei der Betreuungsperson», sagt Cornelia Buchli. Es sei daher wichtig, die Sache langsam anzugehen. «Kühe sind Gewohnheitstiere – Veränderungen brauchen Zeit. Diese Neuerungen dann möglichst konstant zu halten und nicht stets wieder etwas zu ändern und Neues einzuführen, wäre wichtig», erklärt die Tierärztin.
Ziel: höherer Milchpreis
Bislang hat sich die muttergebundene Aufzucht in der Schweiz noch wenig etabliert. Auch auf dem Markt ist die Sache noch kaum angekommen – sowohl bei der Milch- als auch in der Fleischproduktion. Cornelia Buchli nennt den Hauptgrund dafür: «Weniger Milch verkaufen geht nur über einen höheren Milchpreis. Viele, die es jetzt machen, gehen den Weg der Direktvermarktung, dann können sie die Preise besser steuern.» Gefragt nach einer möglichen politischen Antwort, sagt die Tierärztin: «Schwierig, so weit ist man dort wohl leider noch nicht.»
Erst einmal setzt die Fachstelle Muka daher auf Betriebe, die diesen Weg trotz der noch kaum besseren Marktsituation einschlagen wollen. Denn die Vorteile liegen auf der Hand: Höherer Tierkomfort bei höherer Tiergesundheit. Kälber, die auf dem Geburtsbetrieb verbleiben und an der Mutter saugen dürfen, zeigen eine deutlich höhere Gesundheit und eine dem Alter entsprechend bessere Entwicklung. Aber auch die Kühe profitieren. Denn muttergebundene Aufzucht sei kein Grund für schlechte Zellzahlen. Auch da gibt es Studien und Betriebe, die zeigen dass die Milchqualität nicht leidet.
«Es bestehen noch viele Unsicherheiten – aber das Interesse nimmt deutlich zu, auch vonseiten Wissenschaft», weiss Cornelia Buchli. Eine Beratung durch die Fachstelle bei Umstellungsplänen löst für die Bauern bislang keine Kosten aus. Die Hürden sollen so tief wie möglich gehalten werden, erklärt die Tierärztin, insbesondere, solange am Markt keine höheren Preise gelöst werden können. Aber das müsse sich ändern, denn: Mehr Tierwohl und mehr Tiergesundheit kostet einfach etwas, und irgendjemand muss das bezahlen. Will das die Gesellschaft? Dann muss man ihr auch aufzeigen, dass es einen Mehrpreis braucht, weil es ja auch einen Mehrwert generiert», bilanziert Buchli.