Der Bio-Hof von Bruno und Marlene Schweizer und ihren drei Buben liegt auf über 800 Meter über Meer. Rundum Natur pur. Bis 2019 arbeitete Bruno Schweizer, der auf Hof aufgewachsen ist, auswärts als Zaunbauer. Seit 2011 gehört der Hof der jungen Familie, sie hält Aufzucht- und Mastrinder, wenige Schweine und Ziegen.

Extra viel Platz für alle Tiere

Tiergerechte Stallungen sind dem Betriebsleiter und seiner Familie wichtig, Die Rinder leben über die Wintermonate im dreijährigen, offenen Laufstall, die Kälber, Schweine und Ziegen sind im Winter zusammen in einem grosszügig angelegten Gruppenstall mit jeweils abgetrennten Fress- und Ruhebereichen.

Alle Tiere haben mehr Platz zur Verfügung als dies der Bio-Suisse-Standard erfordert. Seit 25 Jahren wird der Betrieb nach Bio-Richtlinien geführt. Das Fleisch ihrer Tiere verkaufen sie direkt ab Hof. Auf ihrem Betrieb setzen sie Pflanzenkohle für eine bessere Bodenfruchtbarkeit ein. Gleichzeitig wird damit CO2 im Boden gespeichert.

Langer Weg zur richtigen Trute

Lange schon habe man mit Truten geliebäugelt, erzählt das Paar. Erste Versuche mit Truten aus der Hobby-Tierzucht zeigten, dass diese viel zu klein sind für einen Mastbetrieb. Recherchen im Internet und Gespräche mit Vertretern beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Bio Suisse und verschiedenen Mastbetrieben brachten sie schliesslich auf die Kelly-Bronze-Truten aus England.

 

Die Kelly-Bronze-Truten

Derek und Paul Kelly begannen bereits in den 1970-er Jahren, die Zuchtziele neu zu definieren. Sie strebten nach einer Rasse, die ohne zugefügte Hormone, Antibiotika, Futterzusätze und ohne tierisches Eiweiss im Futter auskommen kann. Zudem sollte die Haltung im Freiland, auch bei widrigen Witterungsverhältnissen und bei Kälte möglich sein. Wichtig war ihnen eine optimale Fleischqualität mit einer schönen Textur. Schliesslich entstand eine gemächlich wachsende Rasse mit niedrigerem Schlachtgewicht und festem, erstklassig marmorierten Fleisch. Statt schnell, dick und hoch wurde langsam, robust und traditionell – die neue Rasse «KellyBronce Trute» war geboren. 

 

[IMG 2]

Die Tiere wurden aus England importiert. (Bilder rb)

 

Neues Geschäftsmodell umgesetzt

Bruno und Marlene Schweizer waren fasziniert von der Rasse aus England. Hingegen hatten sie nicht vor, die Bronze-Truten nur zu mästen und sie dann zu verkaufen, sie waren auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell, das ihnen schon eine Weile vorschwebte.

Das junge Paar konnte nicht verstehen, weshalb es speziell im Bio-Landbau in der Schweiz bislang nicht möglich war, aus einem Schweizer Zuchtbetrieb Küken zu erhalten, bei denen auch die Voraufzucht sowie die Elterntiere von einem Biobetrieb stammen.

Das Ziel: Ein Bio-Trutenei

Wichtig sei ihnen auch zu wissen, wie die Elterntiere gehalten wurden, erklärt Bruno Schweizer. In vielen Gesprächen hörten sie von Biomästern wie auch von den Verbänden und Vertretern von Labels, dass sie interessiert wären an «echten» Bio-Truten. Familie Schweizer fühlte sich bestätigt, den eingeschlagenen Weg zum Bio-Trutenei weiter zu verfolgen, auch wenn es ein langer sein sollte.

Eintagesküken eingeflogen

Ihre Kontakte führten sie über Österreich, Frankreich, Deutschland bis nach Russland – doch klappte es wegen mangelndem Interesse der Zuchtbetriebe oder wegen Schwierigkeiten beim Export nicht. Endlich, in England, klappte es dann plötzlich. «Wir wären bereit gewesen, die Eintagesküken mit unserem Auto in England abzuholen, doch leider fehlte uns dafür die Bewilligung.»

Schliesslich einigte man sich auf einen Flugtransport für die 60 bestellten Küken, 50 weibliche und zehn männliche Tiere, je eine Hälfte in dunkler Farbe und die andere in weiss. Als Familie Schweizer am Abend des 17. September einen Anruf vom Flughafen Zürich erhielt, die Küken seien nun da und man könne sie am nächsten Tag abholen, intervenierte Bruno Schweizer energisch. Er konnte die wertvolle Fracht schliesslich gegen einen Nachtzuschlag noch am späten Freitagabend abholen und ein paar Stunden später war die Kartonschachtel voller Küken bei ihnen auf dem Hof.

 

 

Zuerst in Quarantäne

Vor 19 Wochen begann auf dem Hof im Toggenburg das grosse Abenteuer mit der ersten Schweizer Trutenzucht. Die importierten Eintagesküken mussten als erstes in eine sechswöchige Quarantäne, die von der Kantonstierärztin begleitet und kontrolliert wurde. Heute sind die Hennen ungefähr 30 Zentimeter hoch, die Hähne überragen sie um bis zu 20 Zentimeter.

Fast schon zutrauliches Hallo im Stall

Sie leben zusammen in einem weitläufigen Stall. In diesen kalten Januartagen sorgt eine Wärmelampe dafür, dass das Wasser nicht einfriert. Den Tieren machen die eisigen Temperaturen nichts aus. Eine Öffnung ins Freie ermöglicht ihnen den Auslauf in den Schnee, eine Strohballe, einige Holzelemente und eine aufgehängte Blechdose locken zum Spielen und Verweilen. Aus zwei aufgehängten Pneus können die Tiere frei Pflanzenkohle und Quarzsand picken. Als die Truten die Besucherin und ihre Betreuer bemerken, gibt es ein lautes Geschnatter. Noch lauter wird es, wenn man den Stall betritt. Wer glaubt, die Tiere würden verängstigt fliehen, liegt falsch. Fast schon zutraulich kommen sie näher, picken fein an den Hosenbeinen und laufen den ihnen bekannten Personen nach.

In acht Monaten legt eine Trute 100 Eier

Bruno und Marlene Schweizer rechnen damit, dass die Hennen zwischen März und Oktober im Idealfall je 100 Eier legen. Die Befruchtung erfolgt auf dem Biohof auf natürliche Weise, da die Hennen und die Hähne zusammenleben. Wie viele Hennen dann auch befruchtet werden, sei ungewiss. Die befruchteten Eier sollen anschliessend in hofeigenen Brutapparaten ausgebrütet werden. «Diese heikle Phase steht uns noch bevor», sagt Marlene Schweizer, die dann auch für die Jungtiere zuständig sein wird. Man spreche von einer 70-prozentigen Befruchtungsquote, erklärt ihr Mann, doch dies sei noch sehr ungewiss, da sie in Europa keinen einzigen Zuchtbetrieb kennen, der bereits Erfahrungen mit einer natürlichen Befruchtung gemacht hat. Deshalb werden sie auf ihre eigenen Erfahrungen angewiesen sein.

Viel Zeit und Aufmerksamkeit wird nötig sein

Die beiden sind sich bewusst, dass das Ausbrüten und das Schlüpfen viel Fingerspitzengefühl und wahrscheinlich auch viel Geduld braucht. Schweizers sind sich bewusst, dass auch die Aufzucht der Küken während der ersten vier bis sechs Wochen viel Aufmerksamkeit und Zeit braucht, bis die jungen Truten an Bio-Mastbetriebe weiter verkauft werden können.

[IMG 3]

Mit 4 bis 6 Wochen sollen die künftigen Küken an die Mastbetriebe verkauft werden. Wie viele es sein werden, ist noch ungewiss.

Im Idealfall 3000 Küken

«Unser Geschäftsmodell sieht vor, dass wir im Idealfall über die acht Monate ungefähr 3000 Küken aufziehen und mit vier bis sechs Wochen an Bio-Mastbetriebe verkaufen», erklärt Bruno Schweizer weiter. Sie wollen für die Jungtiere zwischen 18 und 20 Franken verlangen. Damit liegen sie nur leicht über dem Preis, der für die importierten Tiere in der Schweiz verlangt wird.

Weil die Erfahrungswerte von Fütterung, Befruchtungs- und Schlupfrate, sowie die Anzahl Eier, die eine Henne in ihrem Leben legen wird, noch fehlen, könnte sich der Preis eventuell noch leicht verändern.

Die nötigen Richtlinien werden folgen

Die Biomühle Lehmann in Gossau kreierte ein spezielles Bio-Futter für die Aufzucht und die Legephase, das speziell für die Trutenzucht zugeschnitten ist. Schweizers gehen davon aus, dass sie ihre Zuchthennen und Zuchthähne nach ungefähr vier Jahren ersetzen müssen. Wichtig dabei sei, dass sie zwei unterschiedliche Blutlinien unter ihren Tieren haben, damit  sie Inzucht ausschliessen können. Schweizer wollen bei einem Wechsel die Eintagesküken wieder aus England importieren.

Da es im Moment keine Richtlinien für Bio-Elterntiere gibt, sei man mit Bio Suisse im Gespräch für eine Versuchsbewilligung, erklären Schweizers. Sobald erste Erfahrungen vorhanden sind, will Bio Suisse zusammen mit Bruno und Marlene Schweizer die nötigen Richtlinien ausarbeiten

Es muss wirtschaftlich sein

Für das Ehepaar Schweizer liegt bereits ein langer Weg hinter ihnen. Ungefähr 30‘000 Franken haben sie bereits investiert und viele Stunden und Tage haben sie für die Recherche und Vorarbeiten eingesetzt. Wie lange der Weg noch sein wird, bis das Geschäftsmodell wirtschaftlich betrieben werden kann, weiss niemand. Sollte es funktionieren, möchten sie die Anzahl Tiere erhöhen. «Wir geben uns für das Projekt vier Jahre Zeit und sind sehr zuversichtlich, dass unsere erste Bio-Trutenzucht der Schweiz Erfolg haben wird», sagen die beiden und ihre Augen leuchten.