Zuerst in Quarantäne
Vor 19 Wochen begann auf dem Hof im Toggenburg das grosse Abenteuer mit der ersten Schweizer Trutenzucht. Die importierten Eintagesküken mussten als erstes in eine sechswöchige Quarantäne, die von der Kantonstierärztin begleitet und kontrolliert wurde. Heute sind die Hennen ungefähr 30 Zentimeter hoch, die Hähne überragen sie um bis zu 20 Zentimeter.
Fast schon zutrauliches Hallo im Stall
Sie leben zusammen in einem weitläufigen Stall. In diesen kalten Januartagen sorgt eine Wärmelampe dafür, dass das Wasser nicht einfriert. Den Tieren machen die eisigen Temperaturen nichts aus. Eine Öffnung ins Freie ermöglicht ihnen den Auslauf in den Schnee, eine Strohballe, einige Holzelemente und eine aufgehängte Blechdose locken zum Spielen und Verweilen. Aus zwei aufgehängten Pneus können die Tiere frei Pflanzenkohle und Quarzsand picken. Als die Truten die Besucherin und ihre Betreuer bemerken, gibt es ein lautes Geschnatter. Noch lauter wird es, wenn man den Stall betritt. Wer glaubt, die Tiere würden verängstigt fliehen, liegt falsch. Fast schon zutraulich kommen sie näher, picken fein an den Hosenbeinen und laufen den ihnen bekannten Personen nach.
In acht Monaten legt eine Trute 100 Eier
Bruno und Marlene Schweizer rechnen damit, dass die Hennen zwischen März und Oktober im Idealfall je 100 Eier legen. Die Befruchtung erfolgt auf dem Biohof auf natürliche Weise, da die Hennen und die Hähne zusammenleben. Wie viele Hennen dann auch befruchtet werden, sei ungewiss. Die befruchteten Eier sollen anschliessend in hofeigenen Brutapparaten ausgebrütet werden. «Diese heikle Phase steht uns noch bevor», sagt Marlene Schweizer, die dann auch für die Jungtiere zuständig sein wird. Man spreche von einer 70-prozentigen Befruchtungsquote, erklärt ihr Mann, doch dies sei noch sehr ungewiss, da sie in Europa keinen einzigen Zuchtbetrieb kennen, der bereits Erfahrungen mit einer natürlichen Befruchtung gemacht hat. Deshalb werden sie auf ihre eigenen Erfahrungen angewiesen sein.
Viel Zeit und Aufmerksamkeit wird nötig sein
Die beiden sind sich bewusst, dass das Ausbrüten und das Schlüpfen viel Fingerspitzengefühl und wahrscheinlich auch viel Geduld braucht. Schweizers sind sich bewusst, dass auch die Aufzucht der Küken während der ersten vier bis sechs Wochen viel Aufmerksamkeit und Zeit braucht, bis die jungen Truten an Bio-Mastbetriebe weiter verkauft werden können.

Mit 4 bis 6 Wochen sollen die künftigen Küken an die Mastbetriebe verkauft werden. Wie viele es sein werden, ist noch ungewiss.
Im Idealfall 3000 Küken
«Unser Geschäftsmodell sieht vor, dass wir im Idealfall über die acht Monate ungefähr 3000 Küken aufziehen und mit vier bis sechs Wochen an Bio-Mastbetriebe verkaufen», erklärt Bruno Schweizer weiter. Sie wollen für die Jungtiere zwischen 18 und 20 Franken verlangen. Damit liegen sie nur leicht über dem Preis, der für die importierten Tiere in der Schweiz verlangt wird.
Weil die Erfahrungswerte von Fütterung, Befruchtungs- und Schlupfrate, sowie die Anzahl Eier, die eine Henne in ihrem Leben legen wird, noch fehlen, könnte sich der Preis eventuell noch leicht verändern.
Die nötigen Richtlinien werden folgen
Die Biomühle Lehmann in Gossau kreierte ein spezielles Bio-Futter für die Aufzucht und die Legephase, das speziell für die Trutenzucht zugeschnitten ist. Schweizers gehen davon aus, dass sie ihre Zuchthennen und Zuchthähne nach ungefähr vier Jahren ersetzen müssen. Wichtig dabei sei, dass sie zwei unterschiedliche Blutlinien unter ihren Tieren haben, damit sie Inzucht ausschliessen können. Schweizer wollen bei einem Wechsel die Eintagesküken wieder aus England importieren.
Da es im Moment keine Richtlinien für Bio-Elterntiere gibt, sei man mit Bio Suisse im Gespräch für eine Versuchsbewilligung, erklären Schweizers. Sobald erste Erfahrungen vorhanden sind, will Bio Suisse zusammen mit Bruno und Marlene Schweizer die nötigen Richtlinien ausarbeiten
Es muss wirtschaftlich sein
Für das Ehepaar Schweizer liegt bereits ein langer Weg hinter ihnen. Ungefähr 30‘000 Franken haben sie bereits investiert und viele Stunden und Tage haben sie für die Recherche und Vorarbeiten eingesetzt. Wie lange der Weg noch sein wird, bis das Geschäftsmodell wirtschaftlich betrieben werden kann, weiss niemand. Sollte es funktionieren, möchten sie die Anzahl Tiere erhöhen. «Wir geben uns für das Projekt vier Jahre Zeit und sind sehr zuversichtlich, dass unsere erste Bio-Trutenzucht der Schweiz Erfolg haben wird», sagen die beiden und ihre Augen leuchten.