Eine Gruppe von georgischen Landwirtschaftsvertreterinnen und Landwirtschaftsvertretern war letzte Woche auf einer Studienreise in der Schweiz unterwegs, um die hiesige Landwirtschaft näher kennenzulernen und wertvolle Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der georgischen Agrarbranche zu gewinnen – insbesondere im Bereich Weidewirtschaft.

Schweiz trifft Georgien

Der georgisch-schweizerische Austausch wurde durch die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL durchgeführt. Robert Lehmann, Lehrbeauftragter der HAFL, erklärte bei einem Besuch der Gruppe auf dem Milchwirtschaftsbetrieb von Markus Gerber in Bellelay im Berner Jura, dass die Hochschule schon länger Kontakte in den Kaukasus pflege – vor allem nach Georgien und Armenien. «Primär um die dortigen Berufsschulen zu unterstützen und voranzutreiben», erläuterte er. Über die Kontakte durch diese Arbeit dort sei es auch zu dieser Studienreise gekommen. «Es gibt im Kaukasus viele Herausforderungen, zu denen die Erfahrungen in der Schweiz sicher wichtige Erkenntnisse liefern können», so Robert Lehmann.

Weidewirtschaft und Viehzucht im Fokus

Ein Hauptaugenmerk der Reise lag auf der Weidewirtschaft und der Viehzucht, da Georgien derzeit gesetzliche Vorgaben und die damit verbundenen Rahmenbedingungen in diesem Bereich vorbereitet und sich mit dem Studienaufenthalt wichtige Erkenntnisse und Hinweise erhofft. «Da die Schweiz und Georgien rein topografisch und teilweise auch klimatisch Ähnlichkeiten haben, entstand die Idee, dass sich eine Gruppe hier vor Ort die Gegebenheiten anschaut und sich über unsere langen Erfahrungen in diesem Bereich fortbildet», erklärte Robert Lehmann weiter.

Auch der Vizeminister des Ministeriums für Umweltschutz und Landwirtschaft in Georgien Tengiz Nasaridze hob die Gemeinsamkeiten zwischen der Schweiz und Georgien hervor und betonte die Bedeutung dieser Reise für sein Land: «Für uns sind die Erfahrungen und das Wissen, das wir hier in der Schweiz sammeln, sehr wichtig, da es viele Gemeinsamkeiten gibt und der Wissensaustausch ist daher von unschätzbarem Wert.»

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Landwirtschaftliche Erkenntnisse aus der Schweiz für Georgien

Dimitry Kvirikashvili, Nutztierexperte beim «Dairy Modernization and Market Access Project», das vom Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung gestützt wird, betonte ebenfalls den Wert der gesammelten Erfahrungen. «Es war sehr interessant für mich zu sehen, wie gut die Landwirtschaft in der Schweiz organisiert ist und wie viel Erfahrung und Knowhow vorhanden ist – Weide- und Herdemanagement sind keine Fremdwörter und in diesem Bereich wird auch viel Forschung betrieben», zeigte sich Dimitry Kvirikashvili beeindruckt. «Sehr spannend zu hören, war auch, dass man in der Schweiz eine Ausbildung braucht, um einen Landwirtschaftsbetrieb zu führen», ergänzte er.

Es werde also viel Wert daraufgelegt, dass Bäuerinnen und Bauern wüssten, wie sie den Boden am besten bewirtschaften und wie man Tiere richtig halte.

Keine Eins-zu-eins-Umsetzung

Die Studienreise zielte darauf ab, die georgischen Vertreter mit Best Practices und Lösungsansätzen aus der Schweiz vertraut zu machen. Eins zu eins dürften diese in Georgien aber kaum umzusetzen sein, gab Robert Lehman zu bedenken. «Wir mussten aufpassen, dass wir den georgischen Vertreterinnen und Vertretern nicht Lösungsansätze mit einem zu hohen Niveau zeigen und erklären, die sie dann nicht wirklich umsetzen können – wir konnten ihnen aber punktuell Sachen zeigen und hoffen, dass sie dies transferieren können», erklärte er.

Denn obwohl es topografisch viele Gemeinsamkeiten geben mag, so sind die Länder politisch doch sehr verschieden aufgestellt: Unter anderem versucht sich Georgien nach wie vor von den kommunistischen Überbleibseln der Sowjetunion loszulösen. «Wir waren lange Teil der Sowjetunion und da waren alle Grundstücke im Besitze des Staats – nach dem Zerfall der Sowjetunion gibt es nun einiges neu zu definieren», erläuterte Vizeminister des georgischen Landwirtschaftsministeriums Tengiz Nasaridze. Ein grosser Teil der Weiden sei bis heute im Besitz des Staats und die Bauern trieben ihr Vieh gemeinsam auf diese Weiden. «Entsprechend gibt es aber auch keine Eigenverantwortung und das Weidemanagement ist schlecht», ergänzte Robert Lehmann.

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Austausch für die Modernisierung der georgischen Landwirtschaft

Trotzdem gibt es Erkenntnisse, die während dieser Studienreise gesammelt wurden, die auch in Georgien umsetzbar sein sollten, um die dortige Landwirtschaft moderner und professioneller zu machen. «Unter anderem haben wir erkannt, dass beispielsweise das Abzäunen von verschiedenen Weideparzellen und die damit verbundene Weidebewirtschaftung in einem Kreislauf bereits grosse Auswirkungen haben kann», sagte Dimitry Kvirikashvili.

Und da Georgien nicht die gleichen finanziellen Mittel wie die Schweiz habe, um beispielsweise ein breites Direktzahlungssystem aufzubauen, könnten andere Ansätze verfolgt werden, um die Landwirtschaft zu stärken, ergänzte Robert Lehmann: «Der Staat könnte die Bäuerinnen und Bauern beispielsweise unterstützen, indem er Zaunmaterial zur Verfügung stellen würde und auch mit dem Säen von Futterbaumischungen kann in Georgien noch viel erreicht werden.»

Begegnungen mit den Profis

Nebst den praktischen Ansätzen dürfte vor allem aber auch der weiterführende Wissensaustausch für Georgien zentral sein. So hatte die georgische Delegation die Möglichkeit, verschiedene Einrichtungen und Organisationen zu besuchen und mit verschiedenen Expertinnen und Experten im Bereich der Landwirtschaft zu sprechen.

«Wir haben verschiedene Treffen wahrgenommen, unter anderem auch mit dem Bundesamt für Landwirtschaft», erläuterte Tengiz Nasaridze und der Vizeminister des georgischen Landwirtschaftsministeriums zeigte sich erfreut über die breit geknüpften Kontakte: «Wir sind überall auf grosse Bereitschaft zum Austausch gestossen und wir sind sehr dankbar, dass wir die Möglichkeit zu diesem Austausch bekommen haben.»

«Es wird sehr viel Arbeit brauchen»

Die Erkenntnisse, die während dieser Studienreise gesammelt wurden, sollen nun in Georgien umgesetzt werden, um die Landwirtschaft dort besser aufzustellen. Dabei spielen die Kontakte und Erfahrungen, die während der Reise geknüpft wurden, eine entscheidende Rolle. Und die Schweiz scheint laut dem Vizeminister des Landwirtschaftsministeriums in Georgien einen guten Ruf zu haben: «Es wird sehr viel Arbeit brauchen, wenn wir die Inputs aber als Schweizer Erfahrungen verkaufen können, wird es einfacher sein, die Bäuerinnen und Bauern zu motivieren.» Georgien habe eine grosse Anzahl Bäuerinnen und Bauern und einige seien auch bereits sehr modern und fortschrittlich unterwegs, erläuterte Tengiz Nasaridze und meinte abschliessend: «Unser Bestreben ist aber, die Landwirtschaft möglichst geschlossen in diese Richtung zu führen.»