Plötzlich ist die Milch in der Schweiz knapp und gesucht. Die Basisorganisation für einen fairen Milchmarkt (Big-M) macht in einer Mitteilung ihrem Ärger Luft. Man habe angesichts tiefer Produzentenpreise erwartet, dass die Milchmenge markant zurückgehen würde. «Und jetzt stehen die Unternehmen, die auf Massenverarbeitung zu Billig-Produkten gesetzt haben, mit dem Rücken zur Wand: Ihre Anlagen stehen still.» Big-M spricht von Überkapazitäten und Milchimporten, die nun ein Fiasko verhindern sollen.

Maurer sagt, er halte Rücksprache

NationalratEin Verbot von Milchimporten zum Verkäsen kommt voranDienstag, 13. September 2022 Auch der Verband Schweizer Milchproduzenten (SMP) kommt bei Big-M nicht gut weg. Die Basisorganisation bezieht sich auf die Debatte rund um die Motion «Stopp dem Milchchaos» von Marcel Dettling (SVP/SZ). Im Nationalrat schilderte Finanzminister Ueli Maurer, er habe Gesuche für den Veredelungsverkehr zur Chefsache erklärt und frage jeweils bei den betroffenen Verbänden nach, ob sie Einwände hätten. Etwa alle zwei Monate gehe ein solches Gesuch ein und noch keiner der direktbetroffenen Verbände habe Einwände erhoben.

«In welcher Welt leben die?»

«Das bedeutet, dass die SMP nichts dagegen haben», schlussfolgert Big-M erzürnt. Nach Ansicht des Dachverbands seien Importe also korrekt, auch wenn der Milchpreis nicht kostendeckend ist. «Nur damit alle Milchverarbeiter ihre Anlagen auslasten können! In welcher Welt leben denn die?». Auch Sicht von Big-M wäre es die Pflicht der Branchenorganisation Milch, für den Erhalt der Schweizer Milchproduktion zu sorgen. Das sei aber nur mit einem vernünftigen Einkommen für die Produzenten möglich – sprich einem Milchpreis, der nicht durch Importe im Veredelungsverkehr untergraben wird, wie Motionär Dettling seinen Vorstoss begründet.

Nicht immer werden die SMP gefragt

AboBlick in die Schmieranlage der Käserei Imlig in Oberriet. (Bild Martin Brunner / foodaktuell.ch)MilchmarktDas Importgesuch für Milch ist bewilligt – SMP sind «sehr enttäuscht»Donnerstag, 25. Februar 2021 Auf Anfrage versichern die SMP, dass sie die genannte Motion Dettling «sehr klar» unterstütze. Sie gehe zurück auf ein Gesuch einer Ostschweizer Firma, das man dezidiert abgelehnt habe. Dies, weil es die Positionierung von Schweizer Käse erschwere und die Preisbildung auf dem Schweizer Milchmarkt torpediere. Bewilligt wurde das Gesuch schlussendlich von der Zollverwaltung trotzdem.

Zu den Aussagen von Bundesrat Maurer schreiben die SMP, er habe sich leider wenig präzis ausgedrückt. Man könne zu dem Schluss kommen, dass die betroffenen Organisationen immer nach ihrer Meinung gefragt würden. «Dem ist allerdings in der Realität ganz und gar nicht so», stellt der Verband richtig. Er sei eine Organisation unter vielen, die manchmal – aber nicht systematisch – zu einer Stellungnahme eingeladen würden.

Es gibt verschiedene Gesuche für den Veredelungsverkehr

Es liegt allerdings nicht an Ueli Maurer, dass die SMP nicht bei allen Gesuchen für den Veredelungsverkehr mitreden können. Wie der Verband ausführt, gibt es nämlich verschiedene Arten von Gesuchen, die nach zwei Grundsätzen beurteilt werden:

Nach Artikel 165a Zollgesetz: Generell verzichtet die Oberzolldirektion auf die Unterbreitung eines eingegangenen Gesuchs für die aktive Veredelung von Milchgrundstoffen. Dazu zählen u.a. Milch, Rahm, Milchpulver oder Butter. Die betroffenen Organisationen (z. B. die SMP) werden über das Gesuch lediglich informiert, mögliche Stellungnahmen aber ignoriert.

Nach Artikel 165 Abs. 4 Zollgesetz: Im aktiven Veredelungsverkehr gilt, dass ein Gesuch den betroffenen Organisationen und Bundesstellen zur Stellungnahme unterbreitet wird, falls es die Situation zu beurteilen gilt; Z. B. ist eine Voraussetzung für eine Einfuhr mit Zollermässigung oder -befreiung ein Mangel an gleichwertiger Inlandware. «Die Organisationen können im Prinzip eine Stellungnahme abgeben. Der Entscheid liegt immer bei der Zollverwaltung», so die SMP.

Widerspruch nicht immer sinnvoll

Nach eigenen Angaben sind die SMP beim Veredelungsverkehr grundsätzlich sehr restriktiv. Im Fall von Butter für die Industrie sei es in letzter Zeit aber z. B. nicht sinnvoll gewesen, sich gegen Importe zu wehren. «Sonst würde gleichzeitig die Forderung nach weiteren Butterimporten hochschnellen und die Swissness im Detailhandel würde geschwächt (Stichworte Marken wie Die Butter oder Floralp)», so die Begründung. Nach Ansicht der SMP ist es also besser, wenn die Industrie für ihre Produktion Butter aus dem Ausland einführen darf, als dass z. B. «Die Butter» im Ladenregal fehlt bzw. durch Importbutter verdrängt wird. «Die SMP schauen jedes Gesuch dieser Art sehr genau an und nehmen eine Beurteilung vor, welche die Interessen der Schweizer Milchproduzenten wiedergibt.»

Für mehr Transparenz sorgen

Dass Informationen über Gesuche für den Veredelungsverkehr für betroffene Kreise – trotz ihrer hohen Marktrelevanz – nicht ohne Weiteres zeitgerecht zugänglich sind, stört die SMP. Daher unterstützt der Verband eine weitere Motion von Marcel Dettling, die eine automatische Information über bewilligte Gesuche und deren Ausschöpfung verlangt. Sowohl Bundesrat als auch Parlament haben den Vorstoss angenommen.

Betreffend das fehlende Recht von Organisationen, bei einem Gesuch nach Artikel 165a ZG Stellung zu beziehen, ist die Zollverwaltung der SMP noch eine Antwort schuldig. Die SMP streben eine Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen an

Klarer Fall beim Käse

Die Motion Dettling «Stopp dem Milchchaos» beschäftigt sich explizit mit Milch aus dem Ausland, die zwecks Veredelung zu Käse in die Schweiz eingeführt wird. In diesem Fall sind sich SMP und Big-M letztlich einig, dass solche Gesunche grundsätzlich abzulehnen seien. Der Vorstoss wurde im Nationalrat angenommen und geht nun als Nächstes in den Ständerat.

 

Was ist «Veredelungsverkehr»?
Man unterscheidet rechtlich zwei Arten von Veredelungsverkehr:
Aktiv: Waren werden vorübergehend eingeführt, um sie in der Schweiz zu verarbeiten. Nach der Veredelung wird das Produkt ins Auslad exportiert. Z. B. führt man Milch ein, verkäst sie und verkauft den Käse im Ausland.
Passiv: Waren werden vorübergehend ausgeführt, um im Ausland verarbeitet zu werden. Das Endprodukt wird wieder importiert. Das wäre der Fall, wenn Schweizer Milch z. B. in Deutschland zu Käse verarbeitet und dieser dann in die Schweiz importiert werden würde.