Die Betreuung von Menschen in schwierigen Lebenssituationen auf Bauernhöfen in den Bergen sei eine für die Gesellschaft wichtige Dienstleistung, schreibt die Schweizer Berghilfe in einer Mitteilung. Die Bauernfamilien seien damit in der Lage, sich einen wichtigen Zustupf zu verdienen. Die Berghilfe unterstützt solche Projekte und stellt zwei Betriebe vor, die besonders in der Corona-Zeit davon profitierten.

Heiraten, Übernachten oder betreutes Wohnen

Salome und Thom Wieland bewirtschaften in Röthenbach im Emmental den Bio-Betrieb Wielandleben. Man kann dort vor wunderschöner Kulisse heiraten, im uralten Spycher übernachten oder im Hofladen diverse selbstgemachte Produkte kaufen. Wielands bieten auf ihrem Hof drei Plätze für betreutes Wohnen und bis zu acht Plätze für betreute Tagesstruktur an. 

Hauptsächlich leben und arbeiten bei Wielands Menschen mit leichter Behinderung oder kognitiven Einschränkungen. Seit Corona seien es aber klar mehr Menschen mit psychisch bedingten Problemen, berichtet die Schweizer Berghilfe.

Angstzustände wegen Corona

Bereits kurz nach Beginn des ersten Lockdowns seien die ersten Anfragen von Menschen gekommen, die mit der Pandemie und deren Auswirkungen nicht klarkamen: «Es waren Leute querbeet aus allen Gesellschaftsschichten, aber alles solche, die ihr Leben vorher im Griff hatten», zitiert die Berghilfe Salome Wieland. Personen, denen es in der Stadt zu eng geworden sei und die Angstzustände bekommen hätten, aber auch Manager mit Burnout, die plötzlich keinen Sinn mehr in ihrem Leben gesehen hätten.

Der Betrieb hätte doppelt so viele Leute aufnehmen können wie zuvor, aber die maximale Anzahl Betreuungsplätze auf ihrem Hof sei beschränkt.

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Wielands hätten nicht ohne weiteres mehr Menschen bei sich aufnehmen können, denn ihr Aufwand habe sich vervielfacht. Die Pandemie mit ihren Unsicherheiten und Einschränkungen habe den Klientinnen und Klienten zugesetzt. «Wir mussten ständig Krisenintervention betreiben, ein normales gemeinsames Mittagessen hatte plötzlich Seltenheitswert», so Salome Wieland.

Als Konsequenz führten sie einen wöchentlichen Spielnachmittag ein sowie regelmässige Gesprächsrunden. Das habe viel gebracht. Für die Leitung dieser neuen Angebote konnten Wielands Freiwillige gewinnen. Alleine hätten sie es nicht geschafft - sie haben ja nebenbei noch einen Hof zu führen. Mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe haben Salome und Thom Wieland ihren Betrieb laufend ausbauen können und somit auch das Carefarming ermöglicht. 

Pandemie als Glücksfall

Auch bei Familie Gasser, die am Brünigpass einen kleinen Bergbauernbetrieb bewirtschaftet, konnte die Berghilfe unterstützung bieten, wie sie in der Mitteilung schildert. Schon seit Jahrzehnten nehme die Familie jeweils Pflegekinder auf. Als der erste Lockdown verkündet wurde, sass bei Gassers am Küchentisch auch ein Primarschüler, der eigentlich in einem Heim lebte, aber jeweils an den Wochenenden bei Gassers ein bisschen normalen Familienalltag erleben durfte.

Das Heim wurde vorübergehend geschlossen, der Junge blieb vorläufig bei Gassers. Heute wohnt er immer noch dort und ist schon fast ein Teil der Familie geworden. «Rückblickend kann man wohl sagen, dass für ihn die Pandemie ein Glücksfall war», sagt Fränzi Gasser. Er habe sich in dem liebevollen und strukturierten Umfeld fangen können, habe grosse Fortschritte gemacht und sei viel gefestigter als zuvor.

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Vor fünf Jahren unterstützte die Schweizer Berghilfe Mutter Fränzi Gasser bei einer Weiterbildung. Der Studiengang «Coaching in Alltag, Therapie und Beratung» habe ihr das theoretische Wissen gebracht, das sie in den Jahren zuvor trotz viel Praxiserfahrung manchmal vermisst habe.

«Die Investitionen, die zur Schaffung von Betreuungsplätzen nötig sind, können schnell einmal das Budget einer Bergbauernfamilie sprengen», sagt Patrick Zollinger, Projektleiter bei der Schweizer Berghilfe. Wenn es aus eigener Kraft nicht reiche, könne die Berghilfe einspringen.