Er ist ein Meister seines Fachs: Alois Wyss, der Gantrufer aus Grosswangen LU. Seit bald 60 Jahren zieht er jeweils alle Register, um an den Versteigerungen und Auktionen die Bauern in Kauflaune zu bringen. Wyss hat die Versteigerungen der letzten Jahrzehnte massgeblich mitgeprägt und als Gantrufer in unterschiedlichsten Bereichen die Veränderungen in der Landwirtschaft hautnah miterlebt. Alois Wyss führt eine alte Familientradition weiter, schon sein Urgrossvater war Gantrufer. «Ich bin inzwischen die vierte Generation, aber wohl die letzte», sagt Wyss. Das Verkaufen liegt ihm quasi im Blut. «Ich war 19 Jahre alt, als mich mein Vater an der Hofversteigerung auf dem Schlossgut in Aarburg AG am Kittel zog und sagte: «So jetzt machst du weiter hier.» Ich stieg dann halt auf die Ferkelkiste und legte los. Ich war fürchterlich aufgeregt und die Versteigerung verlief alles andere als gut», sagt Wyss lachend zu seiner Feuertaufe als Gantrufer. «In den laufenden Jahren habe ich mir aber vor allem mit dem Lesen von Fachliteratur das Wissen über die Gantruferszene angeeignet», hält er fest.

Seine legendären Sprüche

Bei seiner Arbeit als Gantrufer kommt Alois Wyss auch seine sympathische Art zu Gute. «In all den Jahren war ich immer geradlinig zu den Bauern und sagte ‹fadegrad›, was Sache ist», sagt Wyss über sich selber. Denn es bringe nichts, wenn man vor einer Versteigerung oder Auktion Sand in die Augen der Bauern streue, im Wissen, dass die Preise nicht das hergeben, was man verspreche. «Als Gantrufer hat man eine riesige Verantwortung und ich gebe immer das Beste. Dabei fühle ich bei einer Hofversteigerung immer mit der Betriebsleiterfamilie mit und weiss, wie schwierig es ist, wenn man sich von seiner Fahrhabe und den Tieren trennen muss», sagt er. Steht Alois Wyss aber auf dem Podest, ist er der Gantrufer und will möglichst eine gute Versteigerung für alle erreichen. Dabei kommen ihm auch seine träfen Sprüche zu Gute: Sie sind so legendär, dass sie schon fast unter Heimatschutz gehören: «Du bisch ä böimigä Maa, ä sympatische Maa, ä richtige Patriot; ä ganzi rari Chue isch das, für wenig Gäud, die Chue passt genau i di Stau; ä Chue mit äre feine Usschtattig, die Chue geit z biuig äwäg, ä riesä Chancä.» Vollmundig und lautstark verkündet Wyss jeweils seine Sprüche, dass Gelächter aus dem Publikum lässt nicht lange auf sich warten. Wie ein Alleinunterhalter steht er auf dem Anhänger oder auf dem Podest, rattert atemlos die gebotenen Preise herunter, gestikuliert mit den Armen und reisst vor begeistertem Publikum seine Possen. Derart amüsiert durch die gebotene Show des Gantrufers geht der eigentliche Grund für die Versteigerung fast vergessen. Nein, an das Original von Wyss kommt keiner so schnell heran.

Früher noch viele Ganten

«Vor 30 oder 40 Jahren gab es noch viele Ganten und Hofauf-lösungen», erinnert sich Alois Wyss zurück. Von Januar bis ­April sei er damals fast täglich unterwegs gewesen. Heute seien diese rar geworden und es stünden vor allem noch die Auktionen im Mittelpunkt.

«An den Hofversteigerungen habe ich viele Dramen miterlebt», erzählt Alois Wyss. Vor allem, wenn es ums Auswandern ging, gab es jeweils viele Tränen. Denn: Der Bauer wollte gehen, die Ehefrau nicht. Gekauft war die neue Farm aber schon. «Viele Bäuerinnen riefen mich an, ich solle doch versuchen, ihre Männer noch umzustimmen», weiss Wyss heute noch. «Diese Familiendramen ging mir immer sehr nahe und unter die Haut, wie auch die fünf Selbstmorde, die vor oder nach einer Hofauflösung passiert waren», sagt er. In den 70er- und 80er-Jahrenhatte das Auswandern von Schweizer Bauernfamilien seinen Höhepunkt. «Ich habe sicher200 Betriebe aufgelöst, wo die Betriebsleiterfamilie danach ausgewandert ist», erinnert sich Alois Wyss zurück. Mit dabei war auch der bekannte Holsteinzuchtbetrieb der Familie Oscar Dupasquier aus Bulle FR. Diese Versteigerung war auf den 7. April 1982 angesetzt. «Die hochkarätige Holsteinherde zog damals tausende von Besuchern an. Drei Tiere gingen an dieser Gant je für mehr als 30 000 Franken weg.»

Auch an einer anderen Versteigerung in der Nähe von Morges VD wurde eine Kuh für über 33 000 Franken verkauft. «Ich weiss noch, dass sie Odette hiess und ein bekannter Geschäftsmann sie kaufte», erzählt Wyss. Überhaupt habe er in all den Jahren immer eine gute Beziehung zu den Westschweizer Bauern gehabt. Neben der Hofversteigerung von Dupasquier blieb ihm auch noch eine in Vallorbe VD in bester Erinnerung: «Ich sollte damals um 10.30 Uhr mit der grossen Versteigerung beginnen. Früh morgens fuhr ich los, hatte unterwegs dann eine grosse Autopanne. Natürlich kam ich viel zu spät, musste dann spät abends noch mit der Taschenlampe die Kleingeräte versteigern», sagt er lachend. «Über solche Pannen habe ich mich geärgert, denn ich wollte immer das Beste für die Bauernfamilien geben, damit sie nach einer Gant auch zufrieden waren mit mir.»

Hohe Preise

Aber nicht nur in der Westschweiz waren früher die Preise für schöne Kühe hoch. Auch in der Deutschschweiz wurde einmal bei einer Hofversteigerung für eine reine Simmentalerkuh 26 000 Franken bezahlt. «Das war in Biglen BE, die Kuh hiess Alpenrose und hatte ein wunderschönes Euter», weiss Alois Wyss noch. Heute kommen solche Preise selten mehr vor. Die Zeiten haben sich geändert, wie auch die Hofauflösungen; die Auktionen kamen nach und nach ins Spiel. «Es war am 26. März 1977. Ich war Gantrufer an einer Hofauflösung in Uetendorf BE. Da kam Adolf Bach (selig) aus Gstaad BE zu mir und sagte, er wolle zum ersten Mal eine Auktion auf der Gummalp durchführen, ob ich ihm helfen würde.» Nach etlichen Treffen zwischen Wyss und Bach wurde diese erste Auktion akribisch geplant. Am ersten Samstag im August 1977 war es soweit: Tausende Besucherinnen und Besucher aus dem In- und Ausland reisten ins Berner Oberland, um an diesem geschichtsträchtigen Tag dabei zu sein. «Es kam sogar ein Filmteam aus Japan und wollte einen Film über diese Auktion drehen. An dieser ersten Auktion auf der Gummalp ging im wahrsten Sinne des Wortes die Post ab: Angeboten wurden alles reine Simmentalerkühe, die Preise waren fantastisch. Adolf Bach und ich haben mit diesem Event quasi die Auktionen ins Leben gerufen, denn vorher gab es solche Anlässe nicht», hält Wyss fest.

Ein grosser Fan

Nächstes Jahr wird Alois Wyss 79 Jahre alt. Denkt er nicht bald ans Aufhören? «Wenn es die Gesundheit erlaubt, mache ich sicher noch ein, zwei Jahre weiter, dann ist Schluss», sagt er. Vorerst trifft man den Gantrufer aber immer noch an drei, vier Auktionen im Monat an. Nicht nur an den Auktionen habe sich die Kaufmoral verändert, auch die ganze Landwirtschaft habe in den letzten 60 Jahren einen grossen Wandel durchgemacht. «Denn Bauern steht eine schwierige Zeit bevor. Zum Glück haben wir mit dem Bauernpräsidenten Markus Ritter eine Persönlichkeit, welche sich für die Landwirtschaft einsetzt», sagt Wyss anerkennend.

Trotz der wenigen Auktionen, die Wyss heute noch besucht, wird es dem Gantrufer nie langweilig. «Ich habe auf meinem Landwirtschaftsbetrieb viele Obstbäume und eine kleine Mutterkuhherde, die geben einiges zu tun», sagt der grosse Fussballfan des FC Luzern. Zudem frönt Alois Wyss seinem grossen Hobby, der Musik: «Ich bin ein grosser Brassband-Fanatiker und höre gerne Soprano-Kornett. Darum will auch ­niemand bei mir im Auto mitfahren», sagt er lachend.