Das Signet der Pfandersmatt im bernischen Burgistein ziert der Kopf einer gehörnten Kuh, der Hofladen und diverse Fahrzeuge tragen das Logo des Hornkuh-Labels. Trotzdem, Hörner sind für das Betriebsleiterpaar Bänz Stalder und Mirjam Walde weder ein Politikum noch ein Alleinstellungsmerkmal: «Unsere Kühe haben Hörner, weil wir Freude daran haben», erklärt Walde schlicht. Den Umgang damit sind sie sich gewohnt. Man müsse sich aber immer bewusst sein, dass die Hörner da sind – sonst könne es gefährliche Situationen geben.

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Mit bewusstem Abstand im Stall

«Wenn z. B. eine Kuh ein Insekt verscheuchen will und den Kopf abrupt wegdreht, kommen einem die Hörner schon mal nahe», schildert Mirjam Walde. Im Anbindestall hantiere sie daher jeweils mit bewusstem Abstand am Halsband, um den eigenen Körper ausser Reichweite der Hörner zu halten.

«Wenn man dafür einen Laufstall einen Drittel grösser bauen muss, wird das deutlich teurer.»

Es ist aber nicht so, dass die beiden ein distanziertes Verhältnis zu ihren Tieren haben. «Das mag sie besonders», bemerkt die Bäuerin und krault ein geflecktes Rind am Kopf, das die Berührung sichtlich geniesst. Nach einer Weile stösst das Tier ihre Hand in einer ruhigen Bewegung der Hörner sacht zur Seite. «Jetzt hat sie genug», schlussfolgert Walde. Ihrer Meinung nach werden Hörner oft falsch interpretiert. Sie sind nicht einfach Waffen, sondern dienen hauptsächlich der Kommunikation, ist sie überzeugt. Das zeige sich auch bei den freundschaftlichen Kämpfen, die die Kühe Kopf an Kopf austragen.

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Der Respekt kommt zurück

AboForschung zur FunktionWarum Kühe Hörner habenDienstag, 21. September 2021Waffe oder nicht, Hörner können ernsthafte Verletzungen verursachen. Wobei schwer abzuschätzen ist, ob eine offene Wunde vor allem schlimmer aussieht, als eine mehrheitlich unsichtbare stumpfe Prellung, gibt Bänz Stalder zu bedenken. Um Unfälle zu verhindern, ist die Einrichtung der Pfandersmatt auf die Bedürfnisse der Hornkühe ausgerichtet. Im Anbindestall wie auch im Laufhof, der den 18 Milchkühen im Winter zur Verfügung steht, haben sie genügend Platz. Wo sich die Tiere frei bewegen, darf es keine Sackgassen geben. Darauf wurde auch beim Laufstall der fünf Mutterkühe auf einem Zweitbetrieb geachtet. Zwei Läger bleiben dort frei, um genügend Raum zur Verfügung stellen zu können. 

Ausserdem handeln Stalder und Walde kaum mit Tieren. Ihre gemischte Herde mit Swiss Fleckvieh, Simmentalern, Braunvieh, einigen Kreuzungen und einem Limousinstier stammt grösstenteils aus eigener Zucht. «So kennen wir die Tiere von klein auf», sagt Mirjam Walde, «wir behandeln sie mit Respekt – das kommt zurück.» Sie könne von Anfang an klar machen, dass Menschen keine Kratzbäume sind. Dafür stehen Bürsten zur Verfügung, was auch zur Ruhe in der Herde beitrage. Genau wie der heute zweijährige Muni: «Dank ihm gibt es weniger Streit unter den Kühen», so Walde.

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Betriebsspiegel Pfandersmatt
Fläche: 19 Hektaren
Kulturen: Getreide (Dinkel, Futterweizen, Gerste), Silomais,
Tiere: 18 Milch- und 5 Mutterkühe, Hühner, Schafe, Kaninchen, Bienen
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar und ein Lernender
Produktionsweise: IP-Suisse, RAUS
Milch wird direkt vermarktet und an Aaremilch geliefert

Eine Hornlose dominiert die Gusti

Dass Hörner Mittel zur Kommunikation, nicht einfach zur Einschüchterung oder Waffen sind, bestätigt ein Black-Angus-Rind im Stall. Es bildet mit seiner Hornlosigkeit eine Ausnahme und wird zum Verkauf aufgezogen. Trotzdem hat es die Gusti-Herde fest im Griff, wie Mirjam Walde lächelnd erzählt. Das müsse an seinem Charakter liegen.

Stalder und Walde verwenden gerne Zeit darauf, ihre Tiere zu beobachten. Das sei auch eine Ressource, sind sie überzeugt. Die beiden kennen den Charakter jedes Tieres und können entsprechend mit ihnen umgehen: Manche lassen sich z. B. am besten mit Futter locken, andere sind sehr gesellig und möchten immer in einer Gruppe bleiben. «Mit diesem Wissen ist alles ein bisschen einfacher», meint die Bäuerin.

Direktvermarktung als Schlüssel

Bänz Stalder ist auf der Pfandersmatt mit Hornkühen aufgewachsen. «Früher war das einfach normal», erinnert er sich. Als Mirjam Walde zur Patchwork-Familie dazu stiess, habe man die Hörner diskutiert und gemeinsam entschieden: «Wir haben Hörner», wie es die Bäuerin formuliert.  

«Besucher wertschätzen, dass unsere Kühe Hörner tragen dürfen.»

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Das Betriebsleiterpaar sieht sich nicht als Vorbild und ist sich bewusst, dass nicht jeder Hornkühe halten kann oder will. «Oft ist die Stallgrösse entscheidend», meint Bänz Stalder, «wenn man dafür einen Laufstall einen Drittel grösser bauen muss, wird das deutlich teurer.» Auch grosse Herden in Laufställen mit Melkrobotern o.ä. mit Hörnern seien kaum möglich. Ausserdem müsse man sich bewusst sein, dass bei Bedarf nur im Anbindestall im Herbst neue Kühe zugekauft werden können. In einem Laufstall gelinge die Integration in die Herde meist nur während der Weidesaison, wenn die Tiere genügend Platz zum Weichen haben. «So bleibt im Winter vielleicht mal ein Liegeplatz leer, mit den entsprechenden wirtschaftlichen Konsequenzen», so Stalder.

Die Rechnung der Pfandersmatt geht nicht zuletzt dank der Direktvermarktung auf. Im Hofladen werden Fleisch und Frischmilch vom Betrieb verkauft, genau wie Tafelobst von den zahlreichen Hochstammbäumen.

Hörnerfranken besser als LQB

Hornkühe sind mit höheren Kosten verbunden. Da diese aber primär beim Stallbau anfallen, sollte auch eine mögliche Unterstützung dort ansetzen, findet Bänz Stalder. Er würde diese eher bei den Landschaftsqualitätsbeiträgen ansiedeln, als im politisch aufgeladenen Tierwohl-Bereich. Ausserdem komme es auf die Höhe der Zahlungen an: «Ein Franken wäre zu viel und unfair gegenüber Landwirten mit einer hornlosen Herde», findet er. Idealerweise könnte man mit Hornkuh-Produkten auch einen höheren Preis erzielen. Der Landwirt bezweifelt aber, dass Kunden den Hofladen der Pfandersmatt vor allem der Hörner wegen bevorzugen. «Allerdings stellen wir immer wieder fest, dass Besucher unsere würdevollen Hornkühe bewundern und es wertschätzen, dass unsere Tiere ihre Hörner behalten dürfen.»

Behornte Kühe sind für Stalder und Walde ein Stück Tradition und damit auch des Landschaftsbilds. Hörner und auch der Rassenmix in ihrer Herde sind aber Geschmackssache. Ihr Nachbar setzt auf schwarz-weisse Holstein-Kühe, die auf der Weide ein einheitliches Bild abgeben. Das Wichtigste sei, dass respektvoll mit den Tieren umgegangen werde meint die Bäuerin.  «und das geht sowohl mit als auch ohne Horn.»